Fallbericht und Vorgeschichte: Der 24-jährige Patient wurde uns zur weiteren Diagnostik und Therapie bei rezidivierenden
Ileuszuständen zugewiesen.
Als Säugling waren dem Patienten aufgrund einer Gangrän der Großteil des Dünndarms
sowie das Coecum, Colon ascendens und ein Teil des Colon transversums entfernt worden.
Differentialdiagnostisch wurde damals neben einem Volvulus ein M. Hirschsprung diskutiert.
Intraoperativ zeigte sich bereits zu diesem Zeitpunkt eine Megazystis. In den folgenden
Jahren stellte sich der Patient immer wieder mit rezidivierenden Subileuszuständen
und Harnwegsinfekten bei atonem, weitem (Rest-)Dickdarm und Megazystis vor. Im Alter
von 23 Jahren kam der Patient erneut mit einem Ileus zur Aufnahme. Der Dickdarm zeigte
sich massiv dilatiert, so dass der noch vorhandene Rest des Colon transversums sowie
das Colon descendens entfernt werden mussten. Am histologischen Präparat wurde die
Diagnose eines M. Hirschsprung gestellt. Ein Jahr später machte eine erneute Ileussymptomatik
eine Laparotomie mit ausgedehnter Adhäsiolyse und Anlage einer temporären kutanen
Darmfistel nötig. Aufgrund des komplizierten postoperativen Verlaufs wurde der Patient
in unsere Abteilung verlegt. Es zeigten sich die verbliebenen 40cm Dickdarm sowie
die Harnblase extrem dilatiert und aton. Da wir Zweifel an der Diagnose eines M. Hirschsprungs
hatten, ließen wir die OP-Präparate nochmals durch einen Experten (M.S.) befunden.
Es wurde nun die Diagnose einer aplastischen Desmose des Colons gestellt. Für einen
M. Hirschsprung fand sich kein Anhalt.
Diskussion: Klinisch wird bei bei der Kombination von dilatierten Colonabschnitten, einer Megazystis
und rezidivierenden (Sub-)Ileuszuständen von dem “Megazystis Mikrokolon intestinalem
Hypoperistaltiksyndrom“ (MMIHS) gesprochen. Typischerweise haben die betroffenen Patienten
bereits als Säugling eine schwere Obstipation, eine Blasenentleerungsstörung sowie
rezidivierende Harnwegsinfekte. Als Ursache für das MMIHS fand sich bei dem vorgestellen
Patienten eine kongenitale aplastische Desmose. Diese ist histologisch gekennzeichnet
durch ein Fehlen der Bindegewebsschicht zwischen den zirkulären und den longitudinalen
Muskelfasern der Muskularis propria. Es resultiert ein Funktionsverlust der betroffenen
glatten Muskulatur.