Zeitschrift für Palliativmedizin 2006; 7 - P4_3
DOI: 10.1055/s-2006-954163

Analyse der Bedürfnisse und Trauerreaktionen der Eltern bei Tod ihres neugeborenen Kindes auf einer neonatologischen Intensivstation

I Wermuth 1, A Schulze 1
  • 1Neonatologie, Perinatalzentrum Großhadern, Klinikum der Universität München

Einleitung: Die Studie zeigt auf, wie Eltern den Tod ihres Neugeborenen erleben und welche Faktoren dieses Erleben und die Trauerreaktion beeinflussen. Ziel der Analyse ist eine zukünftige Verbesserung der Hilfsangebote. Methoden: Eltern aller Neugeborenen, die in einem 5-Jahres-Zeitraum auf der neonatologischen Intensivstation starben, wurden um schriftliche sowie persönliche Studienteilnahme gebeten. Der 21-seitige Fragebogen enthielt 242 Fragen einschließlich der Perinatal Grief Scale (PGS, validiertes Messinstrument). Die halbstrukturierten Interviews wurden aufgezeichnet und transkribiert. Explorative statistische Vergleiche, nonparametrische Verfahren. Resultate: 50 Eltern zu 31 von insgesamt 48 verstorbenen Kindern beteiligten sich, davon 41 per Fragebogen und Interview, 9 nur schriftlich. Die mediane Interviewdauer betrug 2,6 Stunden. Die Trauerintensität (PGS) sowie die Dauer der Trauerphase bei Eltern mit Entscheidung zum Abbruch intensivmedizinischer Maßnahmen wich nicht signifikant von derjenigen anderer Eltern ab. Unterschiede bzw. Korrelationen (p<0,05) der PGS bestanden bezüglich (medianer PGS-Score): Geschlecht (Mütter: 63; Väter: 59). Mit bzw. ohne vorher geborene Kinder (65 bzw. 51). Mit bzw. ohne nachher geborene Kinder (59 bzw. 66). Zeitraum zwischen Tod des Kindes und Interview. Mütter äußerten häufiger, dass die Trauer Auswirkungen auf das soziale Umfeld hatte (p=0,03). 95% der Eltern mit Entscheidung zur Beendigung intensivmedizinischer Maßnahmen meinten, dass sie angemessen in die Entscheidung miteinbezogen wurden und 92% gaben an, diese Miteinbeziehung nicht zu bedauern. 85% hatten diesbezüglich keine Schuldgefühle. 45% der Eltern fühlten sich jedoch in dieser Situation überfordert. 17% der Mütter und 6% der Väter fühlten sich generell schuldig für den Tod ihres Kindes. 60% der Eltern waren anwesend, als ihr Kind starb. Das Zugegensein wurde von allen als positiv empfunden. 75% der nicht anwesenden Eltern hätten sich dies im Nachhinein anders gewünscht. Eltern, die keinen Körperkontakt zu ihrem Kind gewünscht hatten (42%), hätten sich diesen in 79% im Nachhinein gewünscht. Der Wunsch nach einem Gesprächspartner war in den ersten sechs Monaten nach dem Tod des Kindes geringer als im darauf folgenden Zeitraum (Väter 42%; 56% sowie Mütter 68%; 73%). 83% der Mütter und 71% der Väter meinten, dass sich die Beziehung zu ihrem Partner seit dem Tod des Kindes verändert habe, wobei 83% angaben, dass sie das Ereignis einander näher gebracht habe.