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DOI: 10.1055/s-2007-1000686
Psychische Veränderungen bei intensivbehandelten Patienten mit akutem Guillain-Barré-Syndrom - tiefenpsychologische Aspekte des Kommunikationsverlustes und seiner Bewältigung*
Psychic Changes in Patients with Acute Guillain-Barré-Syndrome - Psychological Aspects and Coping with Loss of Communication Für die Erlaubnis zur Veröffentlichung und Unterstützung dieser Arbeit danke ich Prof. Dr. K. V. Toyka (Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Würzburg), für die Überlassung der klinischen Daten Prof. Dr. U. Bogdahn, für Ratschläge und Hinweise Prof. Dr. K. Ricker.Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
10. Januar 2008 (online)

Abstract
Ten patients who had been hospitalized with acute Guillain-Barré-syndrome (GBS) were monitored during their course of treatment and were asked in short intervals through semi-structured interviews how they experienced their illness. States of anxiety were especially evident at the initial phase of the disease, during the dissemination and maximum intensity of paralysis. In contrast, depressive symptoms were primarily noticeable during the phase of remission. As a rule, the degree of anxiety correlated in intensity and duration with the degree of severity of the neurological deficit. Five patients experienced a temporary derealization, among those, three patients showed productive- psychotic symptoms (optical and acoustical hallucinations, delusional reactions). Frequently, dreams were reported, which were associated with elementary experiences of anxiety and in part took on an overwhelming realistic character.
Finally, the psychic changes are interpreted in context with the extreme condition of the disease which does not only signify a situation of forced dependence and regression for the patient but also results in - through loss of mobility and communication (cranial nerve dysfunction, artificial respiration) - a fundamental change in the perception of reality.
Zusammenfassung
10 Patienten mit akutem Guillain-Barré-Syndrom (GBS) wurden während der stationären Behandlungsphase beobachtet und mittels eines halbstrukturierten Interviews in kurzen Abständen zu ihrem Krankheitserleben befragt.
Angstzustände traten vor allem im Anfangsstadium, während der Ausbreitung und maximalen Ausprägung der Lähmungen auf, wohingegen depressive Symptome vorwiegend in der Rückbildungsphase zu beobachten waren. Intensität und Dauer der Ängste waren in der Regel mit dem Schweregrad der neurologischen Ausfallserscheinungen korreliert. Bei 5 Patienten stellten sich vorübergehend derealisationsartige Zustände, darunter in 3 Fällen auch produktiv-psychotische Symptome ein (optische und akustische Halluzinationen, wahnhafte Erlebnisverarbeitung). Häufig wurde über ein Anfluten von Träumen berichtet, die mit elementaren Angsterfahrungen verknüpft waren und die in einem Teil der Fälle einen überwältigend wirklichen Charakter annahmen.
Abschließend werden die psychischen Veränderungen vor dem Hintergrund der krankheitsbedingten Extremsituation interpretiert, welche nicht nur erzwungene Abhängigkeit und Regression bedeutet, sondern durch den Verlust der Bewegungs- und Verständigungsdimension (Hirnnervenausfälle, maschinelle Beatmung) auch eine grundlegende Veränderung der Wirklichkeitserfahrung zur Folge hat.