Zusammenfassung
Insgesamt 86 Patientinnen mit der Diagnose Spontanabort wurden während des stationären
Aufenthaltes in der Frauenklinik kurz nach der Kürettage mit Hilfe standardisierter
Fragebögen und Interviews zum Abortgeschehen befragt. Nach jeweils 7 Monaten, 13 Monaten
und 24 Monaten wurden als Langzeitfolgen Trauer, Depressivität und körperliche Beschwerden
durch schriftliche Nacherhebungen erfaßt. Die Ergebnisse zeigen, daß entgegen weitverbreiteter
Meinung der Stellenwert eines Abortes von der überwiegenden Mehrzahl der Frauen nachhaltig
als hoch angesehen wird und dessen psychische Folgen weitgehend unabhängig vom Gestationsalter
sind. Eine neuerliche Schwangerschaft hatte keinen statistisch positiven Einfluß auf
die Trauerverarbeitung. Selbst 24 Monate nach dem Abort ist die Trauer (Traurigkeit,
Verzweiflung, schuldhafte Verarbeitung) nicht aufgelöst. Während Traurigkeit vor allem
während der ersten 7 Monate kontinuierlich abnimmt, bleibt Verzweiflung über den gesamten
Zeitraum konstant, schuldhafte Verarbeitung zeigt im Zeitraum zwischen 13 und 24 Monaten
sogar einen signifikanten Anstieg. Ursächlich dafür ist, daß etwa 20% der Patientinnen
im Anschluß an einen Abort eine pathologische Trauer entwickeln, die durch einen Anstieg
von Depressivität, schuldhafter Verarbeitung und körperlichen Allgemeinbeschwerden
gekennzeichnet ist. Diese Patientinnengruppe, die entsprechend unserer Ergebnisse
besonders sorgfältiger und wiederholter Informationen bedarf, läßt sich als Risikogruppe
bereits zum Zeitpunkt des Abortes durch Beachten einiger wichtiger Parameter erkennen.
Abstract
86 patients with spontaneous abortion were interviewed and followed up in a longitudinal
study with an interview and standardised questionnaires shortly after the D&C at 7,
13 and 24 months later. Our results indicate profound and long-term adverse psychological
sequelae. For most of the patients, a spontaneous abortion was considered to be of
major importance. Without regard to the gestational age or ultrasonographic image,
the embryo is represented early in fantasies and dreams as a child. The severity of
grief reactions following abortion did not correlate well with gestational age or
a new pregnancy. Mourning is still present 24 months after the abortion. While grief
decreases continuously during the first 7 months following abortion, despair remains
constant and self-reproachful coping shows even a statistically significant increase
between months 13 and 24. The reason is, because 20% of patients develop a pathological
grief reaction with an increase in depression, self-reproachful coping and physical
complaints. This risk group of patients, who needs closer and more detailed observation
and guidance, may be recognised as early as at the time of abortion.