Z Gastroenterol 2007; 45(6): 485-486
DOI: 10.1055/s-2007-963319
Editorial

© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Leitlinien in der Gastroenterologie

Guidelines in GastroenterologyW. E. Fleig1
  • 1Universitätsklinikum Leipzig AÖR
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Publication Date:
03 July 2007 (online)

Nach Abschluss des Medizinstudiums und der Facharztweiterbildung speisen sich die Erhaltung des Fachwissens und der Erwerb neuer Kenntnisse in Diagnostik und Therapie aus einem Katalog von Quellen wie Originalliteratur, systematische und narrative Übersichtsarbeiten, Lehrbücher, Fortbildungsvorträge, Seminare und Kurse, alles unter dem Sammelbegriff der stetigen ärztlichen Fortbildung oder, neudeutsch, „continuing medical education (CME)”. Vor drei Jahren habe ich in einem „Zuruf vom Präsidenten” [1] darauf hingewiesen, dass die Qualität unserer Fortbildung aus verschiedenen Gründen verbesserungsbedürftig sei, und verschiedene Instrumente benannt, mit deren Hilfe sich die DGVS dieses Problems annimmt. Die Qualitätskontrolle von Veranstaltungen und die Organisation und Durchführung eigener Fortbildungsseminare werden in der Fortbildungsakademie der DGS realisiert und die Seminare zu den DGVS-Zertifikaten „Onkologische Gastroenterologie” und „Hepatologie” haben sich hervorragend etabliert. Daneben hat die DGVS über ihre Leitlinienkommission die Erarbeitung und Aktualisierung von Leitlinien für die Diagnostik und Therapie wichtiger gastroenterologischer Erkrankungen vorangetrieben. Dieser Prozess, der im November 1996 mit einer Konsensuskonferenz zur Therapie chronischer entzündlicher Lebererkrankungen [2], [3], zur chronischen Pankreatitis [4] und zum M. Crohn [5] in Halle seinen Anfang genommen hat, ist mittlerweile weit vorangeschritten. Nicht nur wurden Leitlinien zu weiteren wichtigen Erkrankungen in der Gastroenterologie erstellt und die Inhalte von reinen Therapieempfehlungen auf die Diagnostik ausgeweitet, sondern es wurde insbesondere die Methodik der Leitlinienerstellung auf den gegenwärtig besten Stand der Kunst gebracht: Wo immer möglich, sollen die Leitlinien der DGVS auf dem sog. S3-Niveau der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) erstellt werden, indem einer Empfehlungsfindung durch Kombination verschiedener Verfahren mit einer abschließenden Konsensuskonferenz eine systematische, in ihrer Qualität und Vollständigkeit anhand eines Methodenreports überprüfbare Erfassung und Bewertung der verfügbaren (publizierten) Evidenz vorausgeht. Die systematische Erfassung und formale Bewertung der methodischen Qualität von klinischen Studien ist ein zeitaufwendiger Prozess, der detaillierte Kenntnisse der Methodik klinischer Studien erfordert. Die zügige Entwicklung der auf der publizierten Evidenz basierenden Empfehlungen in einem Delphi-artigen Verfahren wird seit einiger Zeit internetbasiert abgearbeitet; die Telematikplattform der Kompetenznetze in der Medizin leistet hierzu einen wertvollen Beitrag. Die DGVS wird dazu in der Zukunft in ihrer zentralen Geschäftsstelle in Berlin methodische Kompetenz vorhalten, die den jeweiligen Leitlinienerstellern zur Verfügung gestellt wird. So kann die methodische Qualität der Leitlinien gesichert und vermieden werden, dass diese Grundlagen für jede neu zu erstellende oder zu aktualisierende Leitlinie neu „erfunden” werden müssen.

Im aktuellen Heft der Zeitschrift für Gastroenterologie finden Sie die auf den aktuellen Stand gebrachte S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der akuten und chronischen Hepatitis B und D [6] sowie die neue S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Pankreaskarzinoms [7]. Die Leitlinie zur Hepatitis B und D baut auf der Vorversion von 2003/2004 auf; die wiederum die erste Leitlinie aus dem Jahr 1997 abgelöst hatte. Die 2004 ebenfalls erarbeitete Leitlinie zur Hepatitis C wird im Verlauf der kommenden Monate aktualisiert werden. Die Leitlinie zum Pankreaskarzinom ist die erste, die die DGVS zu diesem Thema gemeinsam mit der Deutschen Krebsgesellschaft und den anderen mit dem Pankreaskarzinom befassten Fachgesellschaften herausgibt; im Kontext internationaler Empfehlungen zum Pankreaskarzinom ist sie derzeit sicherlich konkurrenzlos. Die S3-Leitlinie zum kolorektalen Karzinom aus 2004 ist dieser Tage mit der abschließenden Konsensuskonferenz aktualisiert worden; sie wird noch in diesem Jahr in der ZfG publiziert werden. Auch die S3-Leitlinie zum Gallensteinleiden wurde in diesem Jahr abgeschlossen und harrt der Veröffentlichung. Die anderen aktuellen Leitlinien finden Sie auf der Homepage der DGVS.

Aktuell in Arbeit und noch im Jahr 2007 fertig zu stellen sind die überfällige Aktualisierung der Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Helicobacter pylori und der gastroduodenalen Ulkuskrankheit sowie die neue Leitlinie zur Sedierung in der gastroenterologischen Endoskopie. Der Prozess zur Aktualisierung der Leitlinie zur akuten und chronischen Pankreatitis kann hoffentlich ebenfalls noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Für die Erstellung weiterer Leitlinien zum Ösophaguskarzinom, zum Magenkarzinom, zum hepatozellulären Karzinom sowie zum Gallenblasenkarzinom und Adenokarzinom der extrahepatischen Gallenwege liegt ein verbindlicher Fahrplan für die Jahre bis 2009 vor. Ebenso ist die Erstellung von weiteren Leitlinien in bislang noch nicht bearbeiteten Erkrankungen wie Divertikelkrankheit, Leberzirrhose und ihre Komplikationen etc. in einer Prioritätenliste für die nächsten 2 - 3 Jahre terminiert. Die Leitlinienersteller werden verpflichtet, nach spätestens vier Jahren eine Überprüfung und ggf. eine Aktualisierung der Leitlinien vorzunehmen. Zur besseren Wahrnehmbarkeit der deutschen Leitlinien sollen jeweils auch Versionen in englischer Sprache veröffentlicht werden. In Zusammenarbeit mit den Patientenselbsthilfegruppen werden die Leitlinien in eine für medizinische Laien lesbare Form übersetzt.

Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) hat damit bezüglich der methodischen Qualität und der thematischen Breite der aktuellen Leitlinien einen Stand erreicht, den im deutschsprachigen Raum nur noch die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) sowie die Deutsche Diabetesgesellschaft bieten können; ein Blick auf die Leitlinienhomepage der AWMF (http://leitlinien.net/) ermöglicht einen Vergleich mit den anderen internistischen Schwerpunktgesellschaften. Das war und ist nur möglich durch die hervorragende Arbeit der Leitlinienersteller, insbesondere der Arbeitsgruppenleiter und Organisatoren der einzelnen Leitlinienprozesse, und durch die Bereitstellung einer unabhängigen Leitlinienfinanzierung in pro Jahr fast sechsstelliger Höhe durch die DGVS, die durch Mittel der Kompetenznetze für entzündliche Darmerkrankungen und für Hepatitis sowie der Deutschen Krebshilfe und der Deutschen Krebsgesellschaft ergänzt werden. Auf diese Leistung zum Nutzen der Patienten und Ärzte kann die DGVS stolz sein.

Wolfgang E. Fleig

Vorsitzender der Leitlinienkommission der DGVS

Literatur

  • 1 Fleig W E. Ein Zuruf vom Präsidenten.  Z Gastroenterol. 2004;  42 659-66
  • 2 Hopf U, Niederau C, Kleber G. et al . Behandlung der chronischen Virushepatitis B/D und der akuten und chronischen Virushepatitis C. Konsensus der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten.  Z Gastroenterol. 1997;  35 971-986
  • 3 Beuers U, Wiedmann K H, Kleber G. et al . Therapie der autoimmunen Hepatitis, primär biliären Zirrhose und primär sklerosierenden Cholangitis. Konsensus der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten.  Z Gastroenterol. 1997;  35 1041-1049
  • 4 Mössner J, Keim V, Niederau C. et al . Leitlinien zur Therapie der chronischen Pankreatitis Konsensuskonferenz der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten.  Z Gastroenterol. 1998;  36 359-367
  • 5 Stange E F, Schreiber S, Raedler A. et al . Therapie des M. Crohn. Ergebnisse einer Konsensuskonferenz der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten.  Z Gastroenterol. 1997;  35 541-554
  • 6 Cornberg M, Protzer U, Dollinger M M. et al . Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virus-(HBV-)Infektion. Upgrade der Leitlinie, AWMF-Register-Nr.: 021/011.  Z Gastroenterol. 2007;  45 525-574
  • 7 Adler G, Seufferlein T, Bischoff S C. et al . S3-Leitlinie „Exokrines Pankreaskarzinom” 2007 - Ergebnis einer evidenzbasierten Konsensuskonferenz (13. - 14.10.2006).  Z Gastroenterol. 2007;  45 487-523

Prof. Dr. Wolfgang E. Fleig

Internist/Gastroenterologe, Medizinischer Vorstand und Vorstandssprecher, Universitätsklinikum Leipzig AÖR

Philipp-Rosenthal-Str. 27

04103 Leipzig

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