intensiv 2008; 16(1): 40-41
DOI: 10.1055/s-2007-963379
Literaturkommentar

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

MRSA-Infektionen auf einer Intensivstation: Unterbrechung der Infektkette durch Aufnahmeabstriche und topische Dekontaminationsbehandlung

Hardy-Thorsten Panknin
Further Information

Publication History

Publication Date:
01 February 2008 (online)

Methicillinresistente Staphylococcus-aureus-Stämme (MRSA) stellen nach wie vor eines der vordinglichsten Hygieneprobleme in den Industrienationen dar. Die meisten nationalen Hygienerichtlinien für Krankenhäuser empfehlen eine aktive Suche nach MRSA-positiven Patienten durch ein Abstrichscreening bestimmter Risikogruppen bei der Krankenhausaufnahme. Darüber hinaus wird empfohlen, als MRSA-positiv identifizierte Patienten im Einzelzimmer bzw. in Gruppen (Kohortierung) zu isolieren und eine Dekontaminationsbehandlung durchzuführen. Diese Empfehlungen sind allerdings lediglich „expertenbasiert”, da prospektiv gewonnene klinische Daten zur Effektivität eines solchen Vorgehens im Hinblick auf MRSA-Übertragungen nur sehr begrenzt vorliegen. Eine Studie, die mit der statistischen Methode der „unterbrochenen Zeitreihenanalyse” die Auswirkungen eines solchen Vorgehens evaluierte, wurde kürzlich im International Journal of Antimicrobial Agents veröffentlicht.

Die Studie wurde auf einer gemischten 16-Betten-Intensivstation des Königlichen Krankenhauses von Aberdeen, Schottland, einem Krankenhaus der Maximalversorgung mit 1200 Betten, durchgeführt. In einer Vorlaufphase von 24 Monaten wurden MRSA-Patienten lediglich aufgrund klinisch indizierter Abstriche erkannt und bettplatzbezogen gepflegt („Barrierepflege” mit Kitteln und Handschuhen). Ab dem Monat 25 wurden die in [Tab. 1] zusammengefassten Maßnahmen als Behandlungsstandard eingeführt. Der Wechsel der Salbenpräparate zur nasalen Dekontamination wurde hierbei vorgenommen, um keine Mupirocinresistenz zu erzeugen.

Tab. 1 MRSA-Screening- und Dekontaminationsmaßnahmen am Königlichen Krankenhaus von Aberdeen Maßnahme Durchführung Aufnahmescreening Entnahme von MRSA-Abstrichen bei jedem neu aufgenommenen Patienten. Folgende Lokalisationen wurden abgestrichen:- beide Nasenvorhöfe- Rachen- Axilla- Leistenregion Isolierung Einzelzimmer- oder Kohortenisolierung Isolierpflege Kittel, Handschuhe Dekontaminations-behandlung - nasale Dekontaminationsbehandlung mit entweder 2 % Fusidinsäure-Creme (Präparat Fucidin® Creme) oder 3 % Oxytetracyclin-Creme (Präparat Terracortril® Creme) oder 0,5 % Neomycinsulfat in Kombination mit 0,1 % Chlorhexidin (Präparat Naseptin® Creme)- tägliche Körperwaschung einschl. Haarewaschen mit Hibiscrub® Waschlösung (Wirkstoff: 4 % Chlorhexidin) vom Tag der Aufnahme bis zur Verlegung/Entlassung von der Intensivstation

Als Zielvariablen wurden der monatlich erhobene Prozentsatz aller Patienten mit MRSA-Nachweis, die Anzahl der Patienten mit MRSA-Nachweis in der Blutkultur sowie die Häufigkeit des Auftretens von methicillinsensiblen S.-aureus-Stämmen (MSSA) und gramnegativen Erregern mit speziellen Resistenzen erfasst. Um die Vergleichbarkeit des Krankengutes in den beiden Untersuchungsperioden darzustellen, wurden demografische Variablen (Alter, Geschlecht, APACHE-II-Score), die Liegedauer in Tagen und die Mortalität auf der Intensivstation ermittelt.

Im Ergebnis zeigte sich, dass in den 24 Monaten vor der Intervention im Mittel 16 % aller Intensivpatienten MRSA-positiv getestet wurden. Diese Rate sank nach der Intervention auf durchschnittlich 6 % ab ([Abb. 1]).

Abb. 1 Monatliche MRSA-Rate vor und nach der Intervention.

Der Effekt trat unmittelbar nach dem Beginn der Studienintervention ein und erwies sich - trotz der erheblichen monatlichen Streuungen - bei statistischer Analyse als signifikant (p = 0,005). Von den MRSA-positiv getesteten Patienten wurden 49 % erst durch das neu eingeführte Routinescreening entdeckt, 51 % wären ohnehin durch klinisch indizierte Abstriche identifiziert worden. Die Rate von MRSA-Bakteriämien (Patienten mit positiver Blutkultur) ging von 29 / 1232 (2 %) auf 11 / 1421 ( < 1 %) der Patienten zurück, dieser Effekt war in gleicher Größenordnung auch bei MSSA-Bakteriämien zu sehen. Beide Unterschiede waren zwar nicht signifikant, jedoch vermutlich lediglich aufgrund der insgesamt recht kleinen Fallzahlen dieser Komplikation. Die Nachweishäufigkeit von MSSA, gramnegativen Enterobakteriazeen mit Breitspektrum-ß-Laktamasebildung (sog. ESBL-Bildner), resistenten Pseudomonas- und Acinetobacter-Stämmen sowie Ciprofloxacin-resistenten E-coli-Stämmen änderte sich nicht. Ein Einfluss der Intervention auf die Letalität konnte nicht nachgewiesen werden (Vorperiode: 22,4 %, Nachperiode: 22,45 %), jedoch kam es zu einer signifikanten Verkürzung der Verweildauer um ca. einen Tag. Der Glykopeptidverbrauch war in den Monaten der Vorperiode stetig angestiegen; diese ansteigende Kurve wurde mit Beginn der Intervention nach unten abgebogen (p = 0,014). Der Spitzenwert des Verbrauchs in der Vorperiode lag bei 35 DDDs (definierte Tagesdosen) pro 100 Bettentage; er sank am Ende der Nachperiode auf 20 DDDs pro 100 Bettentage ab.

Bei der Ermittlung der Kosten für die in [Tab. 1] dargestellten Maßnahmen berücksichtigten die Autoren lediglich die Materialkosten für die Dekontaminationssubstanzen sowie für die mikrobiologischen Abstriche. Vermehrte Pflegezeiten wurden nicht eingerechnet, da sich am Personalschlüssel nichts änderte. Auf dieser Basis wurden Mehrkosten von 10 600,66 englischen Pfund, dies entspräche ca. 16 000 €, ermittelt. Allein durch die Vermeidung von 18 Fällen von MRSA-Bakteriämie in der Nachperiode wurden diese Kosten vermutlich komplett wieder hereingeholt.

Literatur

  • 1 Gould I M. et al . Topical antimicrobials in combination with admission sreening and barrier precautions to control endemic methicillin-resistant Staphylococus aureus in an Intensive Care Unit.  Int J Antimicrob Agents. 2007;  29 536-543

Hardy-Thorsten Panknin

Badensche Straße 49

10715 Berlin

Email: hardy.panknin@freenet.de

    >