Dtsch Med Wochenschr 2007; 132(10): 487
DOI: 10.1055/s-2007-970362
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Grundlagenforschung und klinische Forschung in der Pneumologie

Basic and clinical research in pneumologyGerhard W Sybrecht 1
  • 1Klinik für Innere Medizin V, Pneumologie, Allergologie, Beatmungs- und Umweltmedizin, Medizinische Kliniken, Universitätsklinikum des Saarlandes
Further Information

Publication History

Publication Date:
28 February 2007 (online)

In der Todesursachenstatistik stehen pneumologische Erkrankungen in Europa an zweiter Stelle nach den kardiovaskulären Erkrankungen; in Deutschland verursachen sie die höchsten indirekten Kosten. Das Krankheitsbild mit dem seltsamen Akronym COPD ist dabei noch zu häufig unerkannt und entsprechend untertherapiert und fordert deshalb hohe Kosten in späten Stadien. Gleiches gilt cum grano salis für Asthma, aber insbesondere auch für die schlafbedingten Atemstörungen. Es ist das Anliegen des 48. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Atmungsmedizin (DGP), die Defizite in diesem Bereich der respiratorischen Medizin zu vermindern - gerade vor dem Hintergrund mangelnder pneumologischer Präsenz in vielen Krankenhäusern, zu wenig integrierten pneumologischen Zentren und zu wenig ausgebauten universitären Pneumologien (nur an 10 von 36 medizinischen Fakultäten existieren entsprechende Abteilungen).

Wie alle Bereiche der Medizin in ständigem Fluss, hat sich gerade in der Pneumologie seit dem letzten Jahr vieles geändert. Innovation ist zu konstatieren beim Lungenkarzinom, wo die „targeted therapy” Fuß fasst und neue Optionen bietet. Erfreulich ist in diesem Kontext auch, dass in der Diagnostik des Lungenkarzinoms die Positronenemissionstomographie nun vom gemeinsamen Bundesausschuss akzeptiert worden ist. Dies wird nicht nur präzisere Diagnostik, sondern auch bessere Prognose und Therapieentscheidungen ermöglichen und vielen Patienten helfen. Die Grundlagenforschung in Deutschland hat die Therapie der pulmonal-arteriellen Hypertonie revolutioniert. Neue Erkenntnisse zeigen, dass vasodilatatorische und antiproliferative Therapieansätze inklusive Tyrosinkinaseinhibitoren sinnvoll sind. Neue Ansätze gibt es auch in der Therapie der idiopathischen fibrosierenden Alveolitis (Lungenfibrose, usual interstitiell pneumonia UIP). Hier ist es erforderlich, dass möglichst viele Patienten in multizentrische Studien eingeschleust werden, um schnell den Wert verschiedener therapeutischer Interventionen abschätzen zu können.

Früh sind Versuche gestartet worden, molekulargenetische Ansätze therapeutisch bei der Mukoviszidose (monogenetische Erkrankung) zu nutzen. Leider waren diese Ansätze wenig erfolgreich, so dass inzwischen andere Felder mit Stammzelltherapien Impulse setzten und sogar kontrollierte klinische Studien z. B. in der Kardiologie vorliegen. Eine funktionierende Stammzelltherapie z. B. beim Lungenemphysem wäre angesichts der fehlenden kausalen Therapie dringend nötig. Zum besseren pathophysiologischen Verständnis tragen aber auch neuere invasive Therapiekonzepte beim Emphysem („airway bypass”) bei; erste randomisierte kontrollierte Studien laufen. Bei der schweren obstruktiven Ventilationsstörung sind nicht-medikamentöse Ansätze sowie Rehabilitation von besonderer Bedeutung. Das gilt auch für die intensivmedizinischen Ansätze, die den erforderlichen personellen Aufwand weiter erhöhen. Chronische Lungenkrankheiten bei alten Menschen bedingen besondere Gefahren für ambulant erworbene und nosokomiale Infektionen, welche besondere Anforderungen an mikrobiologischer Diagnostik, Krankenhaushygiene und Einsatz von Antiinfektiva bedingen.

Die klassische Phtisiologie innerhalb der Pneumologie ist abgelöst von Problemen der Multiresistenz sowie Infektionen bei Immunsuppression und Immuninkompetenz. Tuberkulose in Diagnostik und Therapie bleibt aktuell; es sind Fortschritte und neue Herausforderungen festzustellen. Viele frühere Lungensanatorien sind inzwischen pneumologische Zentren mit angeschlossenen Rehabilitationseinrichtungen. Diese Rehabilitationsmaßnahmen sind von enormer Bedeutung; für jeden pneumologisch Tätigen bleibt festzuhalten, dass er stets auch nicht-medikamentöse Behandlungsformen erkennen und anwenden soll. Bei der COPD wird dies besonders deutlich und zeigt das Potential von Ausdauertraining (Evidenzgrad A!), Patientenedukation und Selbsthilfe. Bei vielen pneumologischen Krankheitsbildern sind jetzt aktive Selbsthilfegruppen tätig, die in Zusammenarbeit mit der Deutschen Lungenstiftung und der DGP in der Lage sind, Betroffenen wirkungsvoll zu helfen.

Die professionelle Rolle der Ärzte muss angesichts der Umwälzungen im Gesundheitssystem stets neu definiert werden. Angesichts der ökonomischen Herausforderungen erscheint es mir, dass die ökonomische Dimension häufig zu dominant wird, was zu einem Verlust von ärztlicher Professionalität führt, die doch als Grundlage nur das Vertrauen des Patienten im Einzelfall und der Gesellschaft im Allgemeinen haben kann. Ärztliche Professionalität in einer sich wandelnden Gesellschaft kann deshalb nur durch aktive Anpassung unter Erhaltung der ärztlichen Werte vollzogen werden. Dies gelingt nur durch kollegiale Diskussion auf wissenschaftlicher Basis und Gedankenaustausch mit Betroffenen und der breiten Öffentlichkeit.

Ich habe für den 48. Kongress deshalb das Motto „La science c’est des rencontres” gewählt und hoffe sehr, dass viele Kollegen auch aus den Nachbarfächern der Inneren Medizin und Allgemeinmedizin den Weg nach Mannheim in den Rosengarten einschlagen.

    >