Zusammenfassung
Die Verbesserung der palliativmedizinischen Versorgung in Deutschland wird in den
letzten Jahren zunehmend von der Öffentlichkeit und der Politik gefordert. Durch entsprechende
Hilfsangebote besteht für Patienten zunehmend die Möglichkeit, in der letzten Phase
des Lebens zu Hause zu verbleiben. Allerdings sind betreuende Angehörige in medizinischen
Akutsituationen immer wieder überfordert und alarmieren deshalb den Rettungsdienst.
In einer derartigen Situation kann es zu Konflikten zwischen Prinzipien der Palliativ-
und der Notfallmedizin kommen. Es wird exemplarisch über die notärztliche Versorgung
eines reanimationspflichtigen Tumorpatienten im finalen Krankheitsstadium bei bekanntem
multipel metastasierten Prostatakarzinom berichtet. Trotz einer durch den Patienten
geäußerten Therapieverweigerung alarmierten die Angehörigen wegen eines Kreislaufstillstandes
den Rettungsdienst. Nach den entsprechenden Maßnahmen durch Notärztin und Rettungsassistenten
konnte ein Spontankreislauf etabliert werden. Erst hiernach wurde dem Notarzt die
Krankengeschichte und der erklärte Patientenwille mitgeteilt. Vonseiten des Patienten
war bei einem weit fortgeschrittenen, metastasierten Karzinomleiden und einer infausten
Prognose jede lebensverlängernde Therapie abgelehnt worden. Aufgrund dieser Informationen
wurde auf eine Intensivtherapie verzichtet und die direkte Aufnahme auf unsere Palliativstation
veranlasst. Durch diesen notfall-palliativ-medizinischen Einsatz wird deutlich, dass
auch Beschäftigte des Rettungsdienstes mit palliativmedizinisch betreuten Patienten
in Krisensituationen konfrontiert werden können. Eine Kooperation der beteiligten
medizinischen Fachgebiete (Palliativ- und Notfallmedizin) sollte Absprachen ermöglichen,
die im Fall einer Notfallsituation genutzt werden können, um den Patientenwünschen
gerecht zu werden. Hierzu können unter anderem die Unterstützung durch ein „Palliative-Care-Team”
(„PCT”) und ein „Palliativkrisenbogen” in Kombination mit einer Patientenverfügung
beitragen. In dem „Palliativkrisenbogen” sollten zusammenfassend die Anamnese und
der Patientenwille beschrieben werden. Dadurch erscheint auch in Krisensituationen
bei einer Alarmierung des Rettungsdienstes eine patientenorientierte Versorgung möglich.
Eine Verbesserung der Kommunikation zwischen Palliativ- und Notfallmedizin kann dazu
beitragen, Patienten auch in der Endphase ihres Lebens in ihren Versorgungswünschen
gerecht zu werden.
Abstract
Demands for improvement of palliative care have increased in Germany in the last years.
Suitable models of care have been established that enable patients to stay at home
in the last days of their life. Nevertheless, relatives can be challenged by acute
exacerbations of symptoms and call the emergency, initiating a sequence of emergency
actions. In these situations conflicts between principles of palliative and emergency
medicine can rise. We report an emergency in a male patient with cardiac arrest suffering
from terminal carcinoma of the prostate. Despite patient's refusal for treatment the
relatives called an ambulance after the patient had got unresponsive due to cardiac
arrest. After a short period of cardio-pulmonary-resuscitation spontaneous circulation
could be established. Only then the emergency physician was told that the patient
had refused resuscitation. After this information was communicated, intensive care
treatment was not considered and the emergency physician arranged direct admission
to our palliative care unit. This case demonstrates that emergency physicians can
be confronted with palliative care patients. A cooperation of both disciplines (palliative
and emergency medicine) is necessary to achieve the best care for the patient. Moreover
involvement of a palliative care team (PCT) in combination with a written document,
called palliative emergency form („Palliativkrisenbogen”), as well as an advance directive
can improve accepting patient's wishes in terminal care. The „Palliativkrisenbogen”
contains patient's history and his advance directive. Communication between palliative
care and emergency medicine may help to find out the patients preferences quickly.
This facilitates the kind of care a patient wants. The use of a „Palliativkrisenbogen”
should be co-ordinated with the juridical regulations in the future.
Schlüsselwörter
Notfallmedizin - Palliativmedizin - Palliative Care Team - Tumorschmerztherapie -
Patientenverfügung
Key words
emergency medicine - palliative medicine - palliative care team - pain therapy - advance
directive - living well
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Dr. med. Christoph H. R. Wiese
Zentrum Anaesthesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin der Georg-August-Universität
Göttingen
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