NOTARZT 2007; 23(3): 90-94
DOI: 10.1055/s-2007-970849
Originalia
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Palliativ- und Notfallmedizin: Teamarbeit durch Kommunikation[1]

Palliative and Emergency Medicine: Teamwork through CommunicationC.  H. R.  Wiese1 , U.  Bartels1 , A.  Geyer1 , B.  M.  Graf1 , G.  G.  Hanekop1
  • 1Zentrum Anaesthesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin der Georg-August-Universität Göttingen (Direktor Anaesthesiologie I: Prof. Dr. med. B. M. Graf, MSc)
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Publication Date:
12 June 2007 (online)

Zusammenfassung

Die Verbesserung der palliativmedizinischen Versorgung in Deutschland wird in den letzten Jahren zunehmend von der Öffentlichkeit und der Politik gefordert. Durch entsprechende Hilfsangebote besteht für Patienten zunehmend die Möglichkeit, in der letzten Phase des Lebens zu Hause zu verbleiben. Allerdings sind betreuende Angehörige in medizinischen Akutsituationen immer wieder überfordert und alarmieren deshalb den Rettungsdienst. In einer derartigen Situation kann es zu Konflikten zwischen Prinzipien der Palliativ- und der Notfallmedizin kommen. Es wird exemplarisch über die notärztliche Versorgung eines reanimationspflichtigen Tumorpatienten im finalen Krankheitsstadium bei bekanntem multipel metastasierten Prostatakarzinom berichtet. Trotz einer durch den Patienten geäußerten Therapieverweigerung alarmierten die Angehörigen wegen eines Kreislaufstillstandes den Rettungsdienst. Nach den entsprechenden Maßnahmen durch Notärztin und Rettungsassistenten konnte ein Spontankreislauf etabliert werden. Erst hiernach wurde dem Notarzt die Krankengeschichte und der erklärte Patientenwille mitgeteilt. Vonseiten des Patienten war bei einem weit fortgeschrittenen, metastasierten Karzinomleiden und einer infausten Prognose jede lebensverlängernde Therapie abgelehnt worden. Aufgrund dieser Informationen wurde auf eine Intensivtherapie verzichtet und die direkte Aufnahme auf unsere Palliativstation veranlasst. Durch diesen notfall-palliativ-medizinischen Einsatz wird deutlich, dass auch Beschäftigte des Rettungsdienstes mit palliativmedizinisch betreuten Patienten in Krisensituationen konfrontiert werden können. Eine Kooperation der beteiligten medizinischen Fachgebiete (Palliativ- und Notfallmedizin) sollte Absprachen ermöglichen, die im Fall einer Notfallsituation genutzt werden können, um den Patientenwünschen gerecht zu werden. Hierzu können unter anderem die Unterstützung durch ein „Palliative-Care-Team” („PCT”) und ein „Palliativkrisenbogen” in Kombination mit einer Patientenverfügung beitragen. In dem „Palliativkrisenbogen” sollten zusammenfassend die Anamnese und der Patientenwille beschrieben werden. Dadurch erscheint auch in Krisensituationen bei einer Alarmierung des Rettungsdienstes eine patientenorientierte Versorgung möglich. Eine Verbesserung der Kommunikation zwischen Palliativ- und Notfallmedizin kann dazu beitragen, Patienten auch in der Endphase ihres Lebens in ihren Versorgungswünschen gerecht zu werden.

Abstract

Demands for improvement of palliative care have increased in Germany in the last years. Suitable models of care have been established that enable patients to stay at home in the last days of their life. Nevertheless, relatives can be challenged by acute exacerbations of symptoms and call the emergency, initiating a sequence of emergency actions. In these situations conflicts between principles of palliative and emergency medicine can rise. We report an emergency in a male patient with cardiac arrest suffering from terminal carcinoma of the prostate. Despite patient's refusal for treatment the relatives called an ambulance after the patient had got unresponsive due to cardiac arrest. After a short period of cardio-pulmonary-resuscitation spontaneous circulation could be established. Only then the emergency physician was told that the patient had refused resuscitation. After this information was communicated, intensive care treatment was not considered and the emergency physician arranged direct admission to our palliative care unit. This case demonstrates that emergency physicians can be confronted with palliative care patients. A cooperation of both disciplines (palliative and emergency medicine) is necessary to achieve the best care for the patient. Moreover involvement of a palliative care team (PCT) in combination with a written document, called palliative emergency form („Palliativkrisenbogen”), as well as an advance directive can improve accepting patient's wishes in terminal care. The „Palliativkrisenbogen” contains patient's history and his advance directive. Communication between palliative care and emergency medicine may help to find out the patients preferences quickly. This facilitates the kind of care a patient wants. The use of a „Palliativkrisenbogen” should be co-ordinated with the juridical regulations in the future.

1 Nachdruck aus: Z Palliativmed 2007; 8: 35 - 39

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1 Nachdruck aus: Z Palliativmed 2007; 8: 35 - 39

Dr. med. Christoph H. R. Wiese

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