Diabetes aktuell 2007; 5(1): 3-5
DOI: 10.1055/s-2007-980034
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Weshalb wir davon überzeugt sind, dass Sie noch eine weitere Diabetes-Zeitschrift brauchen

Peter Schwarz, Antje Bergmann
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Publication Date:
27 April 2007 (online)

Seit 2004 ist „Diabetes aktuell” als regelmäßiges Supplement der renommierten Hausärzteschrift „Notfall & Hausarztmedizin” erschienen. Die ständig zunehmende positive Resonanz unserer Leserinnen und Leser hat uns dazu ermutigt, jetzt einen wichtigen Schritt voran zu tun. Wir freuen uns, Ihnen hier die erste eigenständige Ausgabe von „Diabetes aktuell” vorlegen zu können. Wie der Name es schon sagt, wird die zeitgemäße Behandlung von Patienten mit Diabetes den Kern unserer - und hoffentlich auch Ihrer - Fortbildungszeitschrift bilden. Wir werden in „Diabetes aktuell” aber auch über neue Entwicklungen in der Diabetologie und über Bereiche berichten, die uns als behandelnde Ärzte in Zukunft immer mehr beschäftigen werden, wie zum Beispiel die Prävention des Diabetes. Vor allem werden wir Fragen der praktischen Diabetesbehandlung für Sie aufbereiten und Ihnen für die Praxis nützliche Hilfen und Informationen anbieten.

„Diabetes aktuell” wendet sich besonders - aber nicht nur - an die Hausärztinnen und Hausärzte, denn ohne sie geht in der Prävention, der frühen Diagnose, in der Therapie und Langzeitbetreuung vor allem der Typ-2-Diabetiker gar nichts. Wir wollen aber in „Diabetes aktuell” auch deutlich machen, dass nur in interdisziplinärer Zusammenarbeit wirklich gute Ergebnisse erreicht werden können.

Aus gutem Grund haben wir uns in diesem ersten eigenständigen Heft von „Diabetes aktuell” für das Thema „Adipositas” entschieden, das in aller Regel uns Ärzten wie den Patienten meist nur frustrane Erlebnisse bringt. Dass dies kein Naturgesetz ist, demonstrieren wir am konkreten Beispiel.

Die WHO beschreibt die Adipositas und die damit verbundenen Komplikationen als eines der wichtigsten Gesundheitsprobleme des beginnenden Jahrtausends. Jeder zweite Bundesbürger ist übergewichtig und bereits ein Viertel der Bevölkerung erfüllt die WHO-Kriterien für die Adipositas (BMI > 30 kg/m2). Die direkten Folgekosten der Adipositas werden gegenwärtig auf rund 7-8 % der Gesamtkosten im Gesundheitssystem geschätzt (jährlich 15-18 Milliarden Euro).

Obwohl in den letzten Jahrzehnten in der Therapie des Diabetes durch verbesserte Behandlungsmethoden viel erreicht wurde, stehen wir nach wie vor - bedingt durch die Zunahme der Zahl von Patienten mit Typ-2-Diabetes - vor dem medizinischen, sozialen und ökonomischen Problem „Diabetes”. Es besteht kein Zweifel daran, dass Adipositas und körperliche Inaktivität wichtige Risikofaktoren für Typ-2-Diabetes darstellen, wenngleich eine genetische Prädisposition wahrscheinlich die Grundlage bildet, auf der ein „ungesunder” Lebensstil die Manifestation der Erkrankung begünstigt. Maßgeblich durch die drastische Veränderung unseres Lebensstils bedingt, beobachten wir in den letzten 20 Jahren einen deutlichen Anstieg von Häufigkeit und Ausmaß der Übergewichtigkeit, der von einer parallelen Entwicklung der Prävalenz des Typ-2-Diabetes in den USA und in Deutschland begleitet wird. Allerdings hat in allen Altersgruppen die Prävalenz von Bewegungsmangel, Übergewicht und Adipositas in den vergangenen Jahrzehnten weltweit deutlich zugenommen. Dies gilt besonders für Kinder und Jugendliche. Die Abnahme der körperlichen Aktivität in Kindheit, Jugend und im Alter ist neben der fettreichen Ernährung die wesentliche Determinante für adipositasassoziierte Erkrankungen wie z.B. Diabetes mellitus, die koronare Herzkrankheit aber auch für viele Malignome.

Unter Berücksichtigung der Bevölkerungsentwicklung und aktueller Daten europäischer und deutscher Bevölkerungsstudien kann man bis zum Jahr 2010 mit fast 28 Millionen Menschen mit Adipositas und davon 14 Millionen Menschen mit Typ-2-Diabetes in Deutschland rechnen.

Diese großen epidemiologischen Studien weisen auf die besondere Bedeutung eines normalen Körpergewichtes für einen gesunden Lebensstil hin. Ein BMI von über 25 geht mit erhöhter Mortalität einher! Erwähnt werden soll, dass zum Beispiel der Taillenumfang ein sehr sensitiver Prädiktor des Morbiditätsrisikos bei Übergewicht ist.

Ein Artikel beschäftigt sich mit der Epidemiologie der Adipositas im Kindes- und Jugendalter Bereits im frühen Kindesalter lässt sich eine deutliche Abnahme der körperlichen Aktivität dokumentieren. Sportstunden fallen aus und in manchen Sportstunden sind die Kinder nur noch sieben Minuten körperlich aktiv. Moderne Freizeitbeschäftigungen wie Fernsehen oder Computerspiele führen zu einem konsumierenden, bewegungsarmen Lebensstil. Zusätzlich spielen der soziale Status, der Bildungsgrad sowie der Migrationshintergrund eine wichtige Rolle. Bewegungsmangel führt dann auch bei Kindern zu metabolischen und hormonellen Störungen, insbesondere zur veränderten Insulinsensitivität, sowie zu Veränderungen auf zellulärer Ebene (endotheliale Dysfunktion) und sogar zur frühzeitigen Entstehung einer Arteriosklerose.

Fettreiche Ernährung ist einer der entscheidenden Prädiktoren der Adipositasentstehung. Nahrungsfette sind neben Kohlenhydraten ein wichtiger Energielieferant für den menschlichen Organismus. Ein hoher Fettanteil in der Nahrung führt in der Regel zum Problem der positiven Energiebilanz und hat zusätzlich den Nachteil, dass es nicht zeitnah zu einer Induktion des Sättigungsgefühls kommt. Außerdem „schmeckt” Fett gut, was dazu führt, dass wir bei einem Überangebot an Nahrungsmitteln tendenziell den Fettanteil in unserer Nahrung erhöhen. Mit dem „Problem Fett” beschäftigt sich daher ein weiterer Beitrag.

Notwendige Interventionsstrategien müssen präventiv sein und körperliche Aktivität als gesunden Lebensstil fördern. Dabei ist allgemeiner Konsens, dass sich der Lebensstil gerade bei Kindern und Jugendlichen am ehesten beeinflussen lässt. Deshalb sind Familie und Schule wichtige Ziele einer Prävention. Solche Interventionen müssen einfach, kostengünstig und leicht zu vervielfältigen sein, damit diese breit in unserer Gesellschaft angewendet werden können. Ein solches Programm wird in diesem Heft vorgestellt.

Essen hat auch eine emotionale Funktion. Nicht selten sind deshalb psychische Probleme bei Übergewichtigen, wie Körperschemastörungen aber auch depressive Verarbeitungsmodi und autoaggressive Verhaltensweisen zu finden. Hier können verhaltenstherapeutische Ansätze Erfolg versprechend sein. Die Veränderungsmotivation ohne überhöhte Ziele zu stärken, kann zu einer niedrigeren Rückfallquote beitragen und einen Therapieerfolg festigen helfen.

Wir hoffen, dass diese Zusammenstellung einen Einblick in die Probleme und Behandlungsmöglichkeiten für unsere adipösen Patienten bietet. Wir müssen uns auf die zunehmende Zahl übergewichtiger und adipöser Patienten einstellen. Gerade dieses Gesundheitsproblem wird künftig einen besonders hohen Stellenwert in der diabetologischen Praxis bekommen.

Interesse geweckt? Viel Spaß beim Lesen, gutes Gelingen!

Dr. Peter Schwarz
Dr. med. Antje Bergmann

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