Ernährung & Medizin 2007; 22(3): 107-108
DOI: 10.1055/s-2007-981600
Gasteditorial
© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

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A. Koch
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Publication Date:
30 August 2007 (online)

Was kann die Ernährungstherapie in der inneren Medizin heute leisten?

Bei vielen internistischen Erkrankungen nimmt die optimierte Ernährungstherapie eine Schlüsselstellung in der Behandlung ein. Wichtige wissenschaftliche Arbeiten konnten in den letzten Jahren durch Expertengruppen in praxisrelevanten Leitlinien zusammengefasst werden. In der vorliegenden Ausgabe von Ernährung & Medizin wird praxisorientiert das empfohlene ernährungstherapeutische Vorgehen bei unterschiedlichen Erkrankungsbildern vorgestellt.

Die Ernährungstherapie bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wird unter besonderer Berücksichtigung der Empfehlungen der European Society for Clinical Nutrition (ESPEN) von 2006 dargestellt und es wird gezeigt, bei welchen diätetischen Maßnahmen die Wirksamkeit hinsichtlich Remissionsinduktion und Remissionserhaltung wissenschaftlich belegt ist. In der akuten Krankheitsphase chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen, die von abdominellen Schmerzen und Diarrhöen geprägt ist, ist die resultierende Unter- und Mangelernährung ein häufiges klinisches Problem. Das Ausmaß und die Relevanz der Unterernährung sind hierbei abhängig vom Befallsmuster und der Aktivität inflammatorischer Veränderungen. Durch intestinale Verluste, reduzierte Kalorienzufuhr und steroidinduzierten Katabolismus resultiert bei ca. 50 % der Patienten im akuten Schub einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung eine negative Stickstoffbilanz. Hier muss eine adäquate Ernährungstherapie die Proteinkatabolie verhindern und durch ausreichende Substitution Substratmangel vermeiden. Insbesondere bei Steroidtherapie in der Remissionsphase kann ein Mangel an Calcium und Vitamin D zu Osteopenie mit möglicher Frakturgefährdung führen, sodass eine entsprechende Substitution erfolgen sollte.

Fortgeschrittene Lebererkrankungen führen häufig zur Mangelernährung, insbesondere zu einer schweren Proteinkatabolie, dem Muskelwasting. Besonders in Kombination mit Alkoholmissbrauch kommt es frühzeitig zu einem Protein- und Energiedefizit. Die wichtigsten Ursachen der Mangelernährung bei fortgeschrittenen Lebererkrankungen sind eine unzureichende Aufnahme von Energie und Nährstoffen sowie die verminderte intestinale Absorption und Veränderungen der Stoffwechselprozesse. Die Prognose dieser Patienten hinsichtlich des Überlebens und der Leberfunktion hängt erheblich von ihrem Ernährungsstatus ab. Frühzeitige ernährungstherapeutische Maßnahmen sind notwendig, um den klinischen Verlauf günstig zu beeinflussen. Die komplexen metabolischen Veränderungen werden in diesem Heft behandelt und es werden leitliniengerechte Strategien zur Ernährungstherapie dargestellt.

Nahrungsmittelallergien werden in ihrer Prävalenz häufig überschätzt; sie sind insgesamt selten und liegen bei ca. 3-5 % der erwachsenen Bevölkerung vor. Im Artikel „Ernährung bei Nahrungsmittelallergie” werden praxisorientiert ernährungstherapeutische Maßnahmen wie antigenspezifische Karenz und hypoallergene Kostformen bzw. Formula-Diäten bei unterschiedlichen Allergieformen dargestellt. Darüber hinaus wird das diagnostische Vorgehen bei Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie vorgestellt und es werden Möglichkeiten der Prävention von Nahrungsmittelallergien diskutiert.

Ein weiteres Thema dieser Ausgabe ist die Ernährung kritisch kranker Patienten auf der Intensivstation. In der Intensivmedizin wird die enterale Ernährung über nasogastrale Sonden als Standard angesehen. Es gibt keine wissenschaftlichen Daten, die den Vorteil der enteralen im Vergleich zur parenteralen Ernährung hinsichtlich harter Endpunkte wie Mortalität, Intensivaufenthaltsdauer und Beatmungsdauer eindeutig belegen. Die einfache und sichere Durchführbarkeit, die niedrigeren Kosten sowie das pathophysiologische Modell einer intraluminalen „Zotten-Ernährung”, die zur Verminderung von Mukosaatrophie und bakterieller Translokation führt, sprechen für die Durchführung einer enteralen Ernährung, sodass sie als Standardernährungstherapie bei intensivmedizinisch betreuten Patienten von allen Fachgesellschaften empfohlen wird. Kann eine ausreichende enterale Ernährung nicht gewährleistet werden, ist die Kombination aus enteraler und parenteraler Ernährung sinnvoll, um die erforderliche Energie zur Verfügung zu stellen. Die Durchführung einer zumindest minimalen enteralen Ernährung sollte immer in Erwägung gezogen werden, um septische Komplikationen, die durch bakterielle Translokation aufgrund Mukosaatrophie entstehen, zu reduzieren.

Zusammenfassend wollen wir Ihnen in der aktuellen Ausgabe „Appetit” machen, Patienten verschiedener Krankheitsentitäten richtig zu ernähren, um ihre Prognose und Lebensqualität zu verbessern.

Dr. Alexander Koch
Prof. Dr. Christian Trautwein

Medizinische Klinik III

Gastroenterologie und Stoffwechselerkrankungen

Universitätsklinikum Aachen

Pauwelsstraße 30

52074 Aachen

Email: akoch@ukaachen.de