Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2007; 42(5): 352-359
DOI: 10.1055/s-2007-981690
Fachwissen: Anästhesiologie: Geburtshilfliche Anästhesie

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Walking Epidurals: Mobilität bei Gebärenden unter rückenmarknaher Analgesie

Walking Epidurals: Mobilisation during Neuraxial Labour AnalgesiaMarkus C. Schneider
Further Information

Publication History

Publication Date:
21 May 2007 (online)

Zusammenfassung

Rückenmarknahe Anästhesieverfahren sind anderen geburtshilflichen Analgesieverfahren an Wirksamkeit überlegen. Das Risiko einer Sectio caesarea wird nicht beeinflusst. Verschiedene Techniken sind eingeführt, die auch die Möglichkeiten einer durch die Schwangere kontrollierten Medikamentenabgabe (patienten-ontrollierte Epiduralanalgesie (PCEA)) bzw. einer initialen Spinalanalgesie (kombinierte Spinalepiduralanalgesie (CSEA)) einschliessen. Die Risikoaufklärung ist eine der Voraussetzung für den "Informed consent". Verzicht auf die epidurale Testdosis und niedrig dosierte Lokalanästhetika in Kombination mit Opioiden erleichtern die frühe Mobilisierung.

Summary

Neuraxial anaesthesia offers the most effective form of obstetric pain relief and is superior to other methods of analgesia, and it does not increase the risk of caesarean section. In daily practice, various techniques are used including the options of patient-controlled epidural analgesia (PCEA) and combined spinal epidural analgesia (CSEA). Risk information is one of the prerequisites for 'informed consent'. Omitting the epidural test dose and using low-dose local anaesthetics with lipophilic opioids enhances early mobilisation.

Kernaussagen

  • Der Wunsch nach Schmerzlinderung unter der Geburt gilt bei Fehlen medizinischer Kontraindikationen als Indikation für die rückenmarknahe Analgesie.

  • Die heutigen rückenmarknahen Anästhesieverfahren sind allen anderen geburtshilflichen Analgesieverfahren an Wirksamkeit, Steuerbarkeit und Sicherheit überlegen.

  • Metaanalysen randomisierter kontrollierter Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass das Risiko einer Sectio caesarea durch rückenmarknahe Analgesieverfahren nicht erhöht wird; hingegen ist eine Zunahme instrumentell assistierter Entbindungen dokumentiert.

  • Die klassische, intermittierend aktivierte Epiduralanalgesie (IAEA) ist durch neue Techniken ergänzt bzw. abgelöst worden. Die patientenkontrollierte Epiduralanalgesie (PCEA) und die kombinierte Spinalepiduralanalgesie (CSEA) sind Weiterentwicklungen der Infusionsepiduralanalgesie (CIEA), mit denen die Mobilisierung der Gebärenden ermöglicht werden soll.

  • Die Aufklärung über Vorteile, Nachteile und Risiken der rückenmarknahen Anästhesieverfahren ist eine der Voraussetzungen für den „Informed Consent”. Sie fällt in den ärztlichen Aufgabenbereich und kann deshalb nicht an das Pflegepersonal oder Hebammen delegiert werden. Eine frühzeitige Aufklärung verhindert Zweifel an der Rechtswirksamkeit, die bei erst unter der Geburt abgegebenen Zustimmungen bestehen.

  • Bei negativer Blutungs- und unauffälliger Schwangerschaftsanamnese kann auf eine Routinebestimmung der Thrombozytenzahl und Prothrombinzeit vor der rückenmarknahen Anästhesie verzichtet werden.

  • Auf die klassische Testdosis sollte verzichtet werden, wenn eine Mobilisierung der Schwangeren (Walking Epidural) unter PCEA oder CSEA angestrebt wird.

  • Die aktuelle Praxis der geburtshilflichen rückenmarknahen Anästhesie stützt sich auf die Kombination eines niedrig dosierten Lokalanästhetikums (Bupivacain, Ropivacain, Levobupivacain) mit Opioiden (Fentanyl, Sufentanil). In der Literatur finden sich weitere Medikamente, deren Einsatz allerdings (noch) nicht als etabliert gelten kann.

  • Die Frage der Kardiotoxizität eines Lokalanästhetikums stellt sich nicht, wenn es in niedrigen Dosierungen eingesetzt wird, wie sie für eine Walking Epidural empfohlen werden.

  • Die Frage einer unterschiedlichen motorischen Blockade bei Einsatz verschiedener Lokalanästhetika wird kontrovers beurteilt. In vielen Untersuchungen wurde nicht berücksichtigt, dass Bupivacain, Ropivacain und Levobupivacain bei gleichen Dosierungen gemäß MLAC-Studien nicht äquipotent sind.

  • Mit der PCEA wird die Schmerzkontrolle teilweise an die Schwangeren abgegeben. Eine Dosiseinsparung, bei nachgewiesenem Plazeboeffekt, wirkt sich positiv auf die Mobilisierbarkeit der Schwangeren und den Geburtsverlauf aus.

  • Bei der CSEA setzt die Analgesie nach wenigen Minuten ein. Eine signifikante Geburtsbeschleunigung konnte auch bei einer frühzeitigen Anlage einer CSEA nachgewiesen werden.

  • Die Mobilisation Schwangerer hat weder einen positiven noch negativen Einfluss auf den spontanen Geburtsverlauf. Sie kann deshalb unter der Voraussetzung einer intakten Motorik und Propriozeption ohne Einschränkung empfohlen werden.

Literaturverzeichnis

  • 1 American College of Obstetricians and Gynecologists . ACOG Committee on Practice Bulletins-Obstetrics Opinion Number 36, July 2002: Obstetric analgesia and anesthesia.  Obstet Gynecol. 2002;  100 177-91
  • 2 Leighton BL, Halpern SH. The effects of epidural analgesia on labor, maternal, and neonatal outcomes: A systematic review.  Am J Obstet Gynecol. 2002;  186 69-77
  • 3 Task Force on Obstetrical Anesthesia. Practice guidelines for obstetrical anesthesia.  Anesthesiology. 1999;  90 600-11
  • 4 Cohen SE, Yeh JY, Riley ET, Vogel TM. Walking with labor epidural analgesia: the impact of bupivacaine concentration and a lidocaine-epinephrine test dose.  Anesthesiology. 2000;  92 387-92
  • 5 Calimaran AL, Strauss-Hoder TP, Wang WY, McCarthy RJ, Wong CA. The effect of epidural test dose on motor function after a combined spinal-epidural Technique for labor analgesia.  Anesth Analg. 2003;  96 1167-72
  • 6 Columb MO, D'Angelo R. Up-down studies: responding to dosing!.  Int J Obstet Anesth. 2006;  15 129-36
  • 7 Schneider MC. Analgesie unter der Geburt: vom Tabu zur Evidence based medicine.  Anaesthesist. 2002;  51 959-72
  • 8 Mardirosoff C, Dumont L, Boulvain M, Tramer MR. Fetal bradycardia due to intrathecal opioids for labour analgesia: a systematic review.  Br J Obstet Gynaecol. 2002;  109 274-81
  • 9 Chiari A, Lorber C, Eisenach JC, Wildling E, Krenn C, Zavrsky A, Kainz C, Germann P, Klimscha W. Analgesic and hemodynamic effects of intrathecal clonidine as the sole analgesic agent during first stage of labor: a dose-response study.  Anesthesiology. 1999;  91 388-96
  • 10 Roelants F, Lavand'homme PM, Mercier-Fuzier V. Epidural administration of neostigmine and clonidine to Induce labor analgesia. Evaluation of efficacy and local anesthetic-sparing effect.  Anesthesiology. 2005;  102 1205-10
  • 11 Rane K, Sollevi A, Segerdahl M. A randomised double-blind evaluation of adenosine as adjunct to sufentanil in spinal labour analgesia.  Acta Anaesthesiol Scand. 2003;  47 601-03
  • 12 Tucker AP, Mezzatesta J, Nadeson R, Goodchild CS. Intrathecal midazolam II: combination with intrathecal fentanyl for labor pain.  Anesth Analg. 2004;  98 1521-7
  • 13 Comparative Obstetric Mobile Epidural Trial (COMET) Study Group UK. . Randomized controlled trial comparing traditional with two "mobile" epidural techniques: anesthetic and analgesic efficacy.  Anesthesiology. 2002;  97 1567-75
  • 14 Vyver M Van der, Halpern S, Joseph G. Patient-controlled epidural analgesia versus continuous infusion for labour analgesia: a meta-analysis.  Br J Anaesth. 2002;  89 459-65
  • 15 Bartusseck E, Fatehi S, Motsch J, Grau T. Umfrage zur aktuellen Situation der Regionalanästhesie im deutschsprachigen Raum. Teil 3: Verfahren der geburtshilflichen Anästhesie.  Anaesthesist. 2004;  53 993-1000

Prof. Dr. med. Markus C. Schneider

Email: mschneider@uhbs.ch

    >