Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - P355
DOI: 10.1055/s-2007-983325

Verdacht auf Kindesmisshandlung: Zystische pulmonale Malformation vom Typ I als seltene Differenzialdiagnose

N Bachmaier 1, M Schuldt 2, T Howell 1, S Otto 3, JP Haas 1, RD Stenger 1
  • 1Kinderklinik, Ernst-Moritz-Arndt Universität, Greifswald
  • 2Klinik für Kinderchirurgie, Universitätsklinikum Greifswald, Greifswald
  • 3Abt. für Diagnostische Radiologie, Ernst-Moritz-Arndt Universität, Greifswald

Hintergrund: Mangelgedeihen und psychomotorische Retardierung können auch den Verdacht einer Kindesvernachlässigung nahelegen, insbesondere wenn schwierige soziale Verhältnisse vorliegen. Zur Vermeidung falscher Vorwürfe und einer unnötigen Verunsicherung der Eltern muss in der Abklärung eines derartigen Sachverhaltes auch an seltene Differenzialdiagnosen gedacht werden. Kasuistik: Die Patientin wurde bei mangelnden Geburtsbestrebungen am Termin durch Sectio caesarea (GG: 2700g, Länge: 50cm) entbunden. Anamnestisch waren ein mütterlicher Nikotinabusus und ungünstige soziale Verhältnisse bekannt. Im Laufe des ersten Lebensjahres wurden bei fortbestehendem Mangelgedeihen und Entwicklungsrückstand eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung festgestellt und der Verdacht auf eine Kindesvernachlässigung geäußert. Im Alter von einem Jahr erfolgte eine erneute Diagnostik bei fortbestehender Symptomatik und jetzt zusätzlich beginnender Thoraxdeformierung mit Überblähung des linken Unterlappens und einer Mediastinalverlagerung nach rechts. Eine mögliche Fremdkörperaspiration wurde bronchoskopisch ausgeschlossen. Die nachfolgende Lungenperfusionsszintigraphie ergab einen Perfusionsausfall im anterolateralen Mittel – und Unterfeld links entsprechend der Hälfte des Perfusionsvolumens der linken Lunge. Das Thorax-CT unterstützte den Verdacht eines raumfordernden kongenitalen lobären Emphysems des linken Unterlappens. Bei der nachfolgenden Lobektomie wurde eine seltene zystische Malformation der Lunge vom Typ I diagnostiziert und histologisch bestätigt. Die weitere Dystrophiediagnostik (Echocardiographie, Sonographie des Abdomens, cMRT, Schweißtest u.a.) war ohne pathologische Befunde. Postoperativ erholte sich die Patientin rasch und zeigte jetzt ein Aufholwachstum von Gewicht und Länge. Physio- und Ergotherapie wurden zur Entwicklungsförderung fortgesetzt. Schlussfolgerungen: Kinder mit dem Verdacht auf Kindesmisshandlung bei fragwürdigem familiären und/oder sozialem Umfeld bedürfen einer umfangreichen Ausschlussdiagnostik, die auch die gezielte Abklärung unklarer Begleitsymptome miteinschließt.