Dtsch Med Wochenschr 2007; 132(37): 1905-1906
DOI: 10.1055/s-2007-985616
Kommentar | Commentary
Hochschulpolitik
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Blockpraktikum, Wahlpflichtfach, Querschnittsfach. Welche Auswirkungen hatte die neue Ärzte-Approbationsordnung für die rheumatologische Ausbildung von Medizinstudenten?

How has the new regulation for the licensing to practice medicine („Approbationsordnung”) affected the teaching of rheumatology to medical students?G. Keyßer1
  • 1Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Kröllwitz, Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU)
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Publication Date:
07 September 2007 (online)

Einleitung

Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems nehmen in der Krankheitsstatistik der Bundesrepublik einen vorderen Rang ein (www.destatis.de). Dennoch weist die Ausbildung der Studierenden auf dem Gebiet der Rheumatologie signifikante Defizite auf. Bereits im Jahre 2002 hat die Kommission für studentische Ausbildung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) eine Untersuchung der rheumatologischen Lehre in der Bundesrepublik durchgeführt und dabei Unzulänglichkeiten nachgewiesen [1]: Die RISA-Studie (Rheumatologie: Integration in die studentische Ausbildung) belegte, dass an sechs Fakultäten keine, an zwölf Einrichtungen keine habilitierte Rheumatologen in der Lehre beschäftigt waren. An elf Fakultäten erhielten die Studenten weniger als 6 Stunden rheumatologische Vorlesung, an sechs Universitätsklinika fehlte diese komplett. Ein schwerwiegendes Defizit fand sich in der praktischen Ausbildung. Die mediane Praktikumszeit für Rheumatologie betrug 6 Stunden. In zwölf Fakultäten befassten sich die Studenten höchstens 4 Stunden mit rheumatologischen Patienten, in fünf Universitätskliniken fand kein rheumatologisches Praktikum statt. Die beschriebenen Mängel waren v. a. auf Defizite in der internistischen Rheumatologie zurückzuführen und wurden durch Angebote der orthopädischen Rheumatologie nicht ausgeglichen.

Im Juni 2002 läutete das Bundesministerium für Gesundheit mit der neuen Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) eine Umstrukturierung des Medizinstudiums ein. Das Besondere dieser Verordnung ist die stärkere Betonung der ärztlichen Praxis und größerer Patientennähe. Studenten sollen fächerübergreifend lernen und ihr Wissen anhand konkreter Fallsituationen festigen.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurden neue Elemente in das Studium aufgenommen. Innere Medizin, Chirurgie, Gynäkologie und Kinderheilkunde führen Blockpraktika auf ihren Krankenstationen durch. Dazu kommt ein Blockpraktikum der Allgemeinmedizin. Die Vorgabe eines Zahlenverhältnisses zwischen Studierenden und Lehrenden (z. B. 3:1 für den Unterricht am Krankenbett) ermöglicht effektive Kleingruppenarbeit. Die Einrichtung von vorklinischen und klinischen Wahl-Pflichtfächern bietet die Chance, sich frühzeitig für eine Facharztrichtung oder ein Teilgebiet zu entscheiden. Diese Wahlpflichtfächer haben ein Zeitvolumen von 15 Unterrichtsstunden und werden mit einer benoteten Leistungskontrolle abgeschlossen. In Querschnittsfächern können Problemsituationen des Alltags aus der Sicht verschiedener Fachvertreter aus dem klinischen und vorklinischen Bereich bearbeitet werden. Der neue gesetzliche Rahmen gibt somit den Fakultäten ein größeres Maß an Freiheit, um attraktive Lehrangebote zu schaffen und setzt einen Anreiz für leistungsstarke Studenten, Universitäten mit einem hohen Niveau auf dem Gebiet der Lehre zu wählen.

Vor diesem veränderten gesetzlichen Hintergrund beschloss die DGRh im Jahre 2006 eine Neuauflage der RISA-Studie (RISA-II), um die rheumatologische Lehre unter den Bedingungen der neuen ÄAppO zu erfassen. Die Datenerhebung erstreckte sich von April bis Juli 2006. Für die internistische Rheumatologie antworteten 26 von 34 Internistischen Universitätskliniken. Bei den Nicht-Einsendern ergab die Nachfrage in zwei Fällen ein laufendes Berufungsverfahren einer W2-Stelle für Rheumatologie, in den übrigen Häusern meldete sich auch nach zweitem Anschreiben kein rheumatologischer Ansprechpartner für die Lehre.

Im Vergleich zum Jahr 2002 hat sich die Zahl von W3 bzw. C4-Lehrstühle für die Rheumatologie in der Inneren Medizin von sieben auf fünf vermindert. Dafür gab es im Jahre 2002 noch fünf statt aktuell acht W2 bzw. C3-Positionen. An sechs weiteren Universitätsklinika waren Rheumatologen als außerplanmäßige Professoren bzw. in zwei Fällen als Privatdozenten an der Lehre beteiligt.

Nach den Ergebnissen der RISA-II-Studie ist der Umfang der theoretischen und praktischen Ausbildung in der internistischen Rheumatologie zwischen 2002 und 2006 annähernd konstant geblieben. Die Zahl der Vorlesungsstunden nahm leicht von 14 Stunden (davon 10 Stunden obligatorisch, 4 Stunden fakultativ) auf 13 Stunden ab (alles Medianwerte), die ganz überwiegend als obligatorische Vorlesung angeboten wurden. Ebenso blieb der Umfang der Praktikumsstunden im Wesentlichen bei 6 Stunden (maximal 48 Stunden), wobei allerdings im Vergleich zu 2002 weniger Patienten gesehen wurden: im Median 3 - 5 Patienten gegenüber 6 - 10 bei der ersten Umfrage.

Ein Wahlpflichtfach Rheumatologie wurde an 13 Fakultäten angeboten. Daran nahmen im Median 3 Studenten teil (1 - 11 Studenten). Drei Einrichtungen gaben an, dabei mit angeworbenen Stammpatienten - z. B. im Rahmen eines „Patient-Partner-Projekts” zusammen zu arbeiten. In einem Fall wurden Schauspieler herangezogen, die ein rheumatologisches Krankheitsbild charakteristisch darstellen sollten.

Die Frage, in welche Richtung die neue ÄAppO die Bedingungen für die rheumatologische Lehre verändert habe, wurde am häufigsten mit „keine Veränderung” beantwortet. Allerdings gaben Lehrverantwortliche aus insgesamt 10 Fakultäten geringe oder stärkere Verbesserungen der Ausbildungsmöglichkeiten an (Abb. [1]). Begründet wurde dies in zwei Fällen mit der Einrichtung von Querschnittsfächern. Vier Klinika signalisierten verschlechterte Lehrbedingungen und begründeten dies mit Personalmangel und dem Wegfall von Praktikums- und Vorlesungsstunden. Außerdem kennzeichneten 14 Einrichtungen die zur Verfügung stehende Ausbildungszeit als zu kurz, verglichen mit 8, die sie als ausreichend beschrieben.

Abb. 1 Ergebnis einer Umfrage zum Einfluss der neuen Approbationordnung (ÄAppO 2002) auf die Lehre in der Rheumatologie (RISA-II-Studie).

Literatur

  • 1 Keyßer G, Zacher J, Zeidler H. Rheumatologie: Integration in die studentische Ausbildung - die RISA-Studie. Ergebnisse einer Datenerhebung zum aktuellen Stand der studentischen Ausbildung im Fach Rheumatologie an den deutschen Universitäten.  Z Rheumatol. 2004;  63 160-166

Prof. Dr. med. habil. Gernot Keyßer

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Kröllwitz, Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU)

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