Dtsch Med Wochenschr 2007; 132(37): 1908-1910
DOI: 10.1055/s-2007-985619
Korrespondenz | Correspondence
Erwiderung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wasserfilter zur Prävention nosokomialer Legionellosen? Erwiderung

I. Kappstein
Further Information

Publication History

Publication Date:
07 September 2007 (online)

Der Kern der Diskussion ist die Frage, ob die klinische Effektivität der endständigen Wasserfilter belegt ist. Herr Caspari schreibt hierzu, die klinische Effektivität von Wasserfiltern habe sich ‚im historischen Vergleich’ gezeigt. Mit Evidence-based Medicine verbindet man jedoch etwas anderes als den ‚historischen Vergleich’ von Ergebnissen [1]. Für keine Ethikkommission spräche bei der gegebenen Datenlage etwas gegen eine pro-spektive randomisierte kontrollierte Studie zur Überprüfung der Effektivität von Wasserfiltern für die Prävention der Legionellose im Vergleich zur Nutzungseinschränkung von Leitungswasser, wie ich es in meinem Beitrag dargestellt habe [2]. Wegen der Seltenheit der Legionellose müsste eine solche Studie jedoch über einen langjährigen Zeitraum angelegt und zudem in verschiedenen Kliniken durchgeführt werden.

Die Aussagen des Filter-Herstellers waren Anlass für meinen Kommentar [1]. Es handelte sich nicht etwa um Aussagen eines einzelnen regional tätigen Außendienstmitarbeiters, sondern der überregional zuständigen Produktmanagerin. Der Firma werden nach deren Aussage häufiger Legionellosen bei Verwendung endständiger Wasserfilter berichtet, aber es könnten bei Wasseruntersuchung in der Patientenumgebung durch firmeneigene Untersucher regelmäßig andere Wasserquellen (nämlich die in meinem Beitrag [2] genannten) als Reservoir für den Legionellenkontakt der Erkrankten ausgemacht werden.

Diese Darstellungen erhalten eine besondere Qualität dadurch, dass die wissenschaftlich nicht fundierte Darstellung der Legionellenproblematik durch die Trinkwasserkommission (TWK) [3] die filterherstellende Industrie in die komfortable Lage versetzt, ihre Produkte mit Nachdruck auf dem großen Markt der medizinischen Einrichtungen in Deutschland anzubieten. Da die Firma bundesweit in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens aktiv ist und aggressiv für Filter wirbt, indem sie den jeweils Verantwortlichen gegenüber darstellt, dass nur durch endständige Wasserfilter das Risiko von Legionelleninfektionen beseitigt werden könne, ist m. E. bei der Thematisierung der Wasserfilterproblematik auch die Erwähnung nicht zitierfähiger Verlautbarungen in einer Publikation zu rechtfertigen. In Kliniken ohne einen Krankenhaushygieniker, der die internationale Fachliteratur kennt, erhalten die Verantwortlichen zu Fragen der Prävention von nosokomialen Infektionen häufig nur Informationen durch Mitarbeiter von Firmen. Mein Beitrag bezweckte u. a., diese Einrichtungen und auch die Mitarbeiter des Öffentlichen Gesundheitsdienstes darauf aufmerksam zu machen, dass die Firmeninformationen zu endständigen Wasserfiltern einer Überprüfung mit den anerkannten wissenschaftlichen Methoden nicht standhalten.

Eben diese wissenschaftliche Basis liefern auch beide Leserbriefautoren nicht, denn: Mikrobiologische Arbeiten (Nr. 18 und 22 in [2]) können klinische Studien nicht ersetzen, die ausdrücklich von Sheffer et al. (Nr. 18 in [2]) gefordert werden. Die Übersichtsarbeit aus dem Hause des US-amerikanischen Herstellers (Ortolano et al.) lässt jeden fundierten Beleg für die Effektivität der Filter vermissen. Sie verweist nämlich nur auf die Empfehlungen der deutschen TWK, die jedoch keine Belege vorgelegt hat [3]. Der von Caspari zitierte Artikel von Campins et al. ist eine retrospektive Untersuchung von fünf Legionellenfällen; endständige Filter werden darin nicht erwähnt. Ein Abstract von 1999 (Hummel et al.), dem bisher keine wissenschaftliche Publikation folgte, ist als Beleg inakzeptabel.

Eine Publikation wie [2] fördert den öffentlichen Diskurs über ein in Deutschland geradezu tabuisiertes Thema (denn viele Kliniken haben sogar Angst, über den Nachweis von Legionellen im Wasser zu sprechen, von Infektionsfällen gar nicht zu reden). Zudem wird dadurch verhindert, dass einzelne Themen nur von Interessengruppen besetzt werden, zu denen im Übrigen nicht nur die einschlägige Industrie, sondern auch Krankenhaushygieniker und mikrobiologische Labore gehören, die in den von ihnen beratenen Kliniken die (in dieser Weise durch die TrinkwV nicht gedeckte, aber von der TWK empfohlene) Beprobung sämtlicher Wasserleitungen (inkl. Feuerlöschleitungen) fordern, um Legionellen zu suchen und, wenn sie dann, wie in den meisten Fällen, gefunden werden, dies zum Anlass nehmen, die Leitungen wiederholt zu beproben. Diese Laboruntersuchungen kosten die Kliniken sehr viel Geld.

Für die Prävention von Legionellosen sind aber weder häufige Wasseruntersuchungen, die immer nur eine ‚Momentaufnahme’ wiedergeben, noch Grenzwerte für Legionellen erforderlich, die (siehe DVGW bzw. TWK) willkürlich - und nicht auf der Basis epidemiologischer Studien - festgesetzt wurden, sondern das Wissen, dass Legionellen nun einmal im Wasser vorkommen (können), weshalb man 1) Risikopatienten vor einem Kontakt mit Leitungswasser im Bereich der oberen Atemwege schützen muss und 2) insbesondere bei diesen Patienten Legionellen immer sofort in das diagnostische und therapeutische Spektrum bei Pneumonie einbeziehen muss [2].

Viele meiner Aussagen seien ‚weltfremd’ und gingen ‚an der Realität vorbei’, meint Herr Popp und bezieht sich dabei beispielhaft auf meine Empfehlung, beim Duschen das Wasser nicht über Mund und Nase laufen zu lassen, um einen Kontakt des Wassers mit den oberen Atemwegen und damit die Aspiration zu verhindern. Dass es möglich ist, auf diese Weise zu duschen, selbst wenn es sich um eine fest an der Wand installierte Dusche handeln sollte, kann z. B. jede Frau bestätigen, die zwar duschen, aber dabei ihre Frisur und vielleicht auch ihr Make-up erhalten will, und selbstverständlich kann man einem verständigen Patienten klar machen, dass er diesen Wasserkontakt, z. B. auch beim Haarewaschen, vermeiden sollte.

Bei bestimmten Patienten aber kann man nicht sicher gehen, dass derartige Hinweise verarbeitet werden können. Weil diese Personen aber häufig zu dem besonders gefährdeten Personenkreis gehören, leisten Wasserfilter in diesen Ausnahmefällen möglicherweise [2] einen Beitrag zur Reduktion des Legionelloserisikos. Eine konkrete Empfehlung für Filter bei diesen Patienten habe ich nicht ausgesprochen. Verwirrte Patienten im häuslichen Bereich habe ich nicht angesprochen, also auch keine Filter empfohlen.

Wenn aber Caspari hervorhebt, dass durch mechanische Maßnahmen (z.B. Duschköpfe) legionellenhaltige Aerosole entstehen und zu Infektionen führen können, dann kann nur nochmals betont werden, dass diese Darstellung durch nichts belegt ist und schon gar nicht durch das Zitat von Knirsch et al., eine Ausbruchsuntersuchung, die zu der grundlegenden Frage der Akquisition von Legionellen überhaupt keine Stellung nimmt. Caspari hat - ebenso wie die TWK - ganz offensichtlich den nach heutiger Auffassung (Literaturangaben in [2]) vorrangigen Übertragungsweg der Aspiration nicht akzeptiert, auf den allein ich abhebe, wenn ich von Wasserkontakt im Bereich der oberen Atemwege beim Duschen spreche. Ich habe daher also keineswegs das Risiko durch Aerosolentstehung beim Duschen bestätigt

Ich habe mich in meinem Beitrag [2] der von der Arbeitsgruppe um V.L. Yu empfohlenen Nutzungseinschränkung von Leitungswasser für Risikopersonen angeschlossen und dafür als eine Möglichkeit Mineralwasser vorgeschlagen, weil damit ein Kontakt mit Legionellen nicht zu befürchten ist. Im Gegensatz zu Wasserleitungssystemen finden Legionellen weder im Grundwasser, wo sie in geringer Zahl vorhanden sein können [4], noch nach der Abfüllung in der Mineralwasserflasche Gelegenheit, sich relevant zu vermehren. Insofern ist mit der Nutzung von Mineralwasser für gefährdete Patienten (zu Hause auch abgekochtes Wasser) kein Risiko für eine Legionellenexposition zu erwarten.

Wenn Primärprävention in Hinsicht auf die Prävention von Legionellosen bedeuten soll, dass man die Legionellen aus den Leitungsnetzen eliminieren könnte, dann muss man einwenden, dass dies aller Erfahrung nach nicht möglich ist, auch nicht mit Umsetzung der von der DVGW empfohlenen Maßnahmen. ‚Primärprävention’ erschöpft sich dann lediglich 1) in der wiederholten Beprobung von Leitungswasser, von der die krankenhaushygienischen Labore profitieren, sowie ggf. 2) in der kostenträchtigen Installation zentraler Anlagen, die an den Zapfstellen keine Wirkung zeigen, weil sie nicht in der Lage sind, die in den Leitungen vorhandenen Biofilme abzubauen, sowie 3) in der äußerst kostenintensiven Installation endständiger Wasserfilter, die doch nur ein falsches Gefühl von Sicherheit vermitteln. Medizinische Entscheidungen müssen sich allerdings am Stand der medizinischen Wissenschaft orientieren, und danach gibt es keine Grundlage für die Empfehlung endständiger Wasserfilter. Insgesamt gilt auch für Maßnahmen der Primärprävention, dass sie in ihrer Wirksamkeit belegt sein müssen.

Die Frage ist, wodurch die klinische Effektivität von Wasserfiltern belegt sein soll. Vor diesem Hintergrund geben die erwähnten Aussagen des Herstellers über die diversen Möglichkeiten einer retrograden Kontamination der Filter Anlass, die Frage der praktisch-klinischen Brauchbarkeit von Wasserfiltern zu betrachten. Zu einer Antwort trägt eine Diskussion über die Qualifikation von Reinigungspersonal aber nicht bei. ‚Einschlägige Richtlinien’, in denen Schulungen für das Reinigungspersonal ‚gefordert (!)’ werden, gibt es im Übrigen nicht.

In der aktuellen RKI-Empfehlung werden an keiner Stelle Wasserfilter erwähnt, demzufolge wird auch keine Empfehlung dafür gegeben. Auch in der Schrift des französischen Gesundheitsministeriums oder der WHO (Leserbrief 2: Nr. 4 und 8 Literaturliste) werden endständige Wasserfilter zur Prävention von Legionellosen nicht thematisiert. Zustimmen kann ich der Darstellung von Herrn Popp, dass sich Gerichte gelegentlich in unverständlicher Weise medizinischen Gutachtern anschließen, obwohl deren Ausführungen ‚von erstaunlicher Einfachheit’ sind. Daraus jedoch muss folgen, dass die Vertreter der einzelnen Fachgebiete, wie z. B. der Krankenhaushygiene in der Frage der Prävention von Legionellosen, nicht undifferenziert eigene Anschauungen als in ihrer Wirksamkeit erwiesene Maßnahmen in die Öffentlichkeit tragen (und bei Nicht-Beachtung haftungsrechtliche Relevanz bemühen), sondern dies nur auf der Basis fundierter Erkenntnisse in der Fachliteratur tun. Im Übrigen kann ich zur Frage des Haftungsrechts auf einen (juristischen) Artikel von Prof. Ulsenheimer verweisen [5].

Der von Popp zitierte Fall von Beweislast-umkehr nach schweren krankenhaushy-gienischen Mängeln bei der Injektionsbehandlung in einer Arztpraxis ist für den hier diskutierten Zusammenhang zwischen dem Vorkommen von Legionellen im Wasser und der Prävention von Legionelleninfektionen durch endständige Wasserfilter unpassend, denn es fehlt ja gerade der Beleg für die klinische Effektivität von Wasserfiltern.

Warum kann es ethisch fragwürdig sein, darauf hinzuweisen, dass wegen der prinzipiell immer möglichen oder auch angesichts einer bekannten Legionellenkontamination der Wasserleitungen diese potenziellen Pneumonieerreger in die differentialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden müssen, weil die Legionellenpneumonie gut zu behandeln ist und bei frühzeitiger effektiver Therapie schwere Verläufe vermeidbar sind? Dies ist die internationale Empfehlung, z. B. sowohl von den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) als auch von V.L. Yu (Nr. 17, 20, 21 in [2]). Ich habe nicht geschrieben, dass eine wirksame Antibiotikatherapie ‚letztlich ausreiche’. Ich möchte nicht tatenlos zusehen, ob vielleicht (Risiko-)Patienten mit Legionellen in Kontakt kommen, sondern ich vertrete sogar einen geradezu radikalen Ansatz, indem ich eine einfache, kostengünstige und sichere Legionellenprävention auf rationaler Basis für alle Risikopatienten innerhalb wie außerhalb von Krankenhäusern fordere - allerdings ohne Verwendung von endständigen Wasserfiltern.

Ich bedanke mich bei beiden Leserbriefverfassern, dass eine öffentliche Diskussion über den Sinn der verschiedenen Maßnahmen zur Prävention von Legionellosen - und dabei speziell über endständige Wasserfilter - zustande gekommen ist.

Literatur

  • 1 Greenhalgh T. Einführung in die Evidence-based Medicine. Kritische Beurteilung klinischer Studien als Basis einer rationalen Medizin. Verlag Hans Huber, Bern 2000
  • 2 Kappstein I. Wasserfilter zur Prävention nosokomialer Legionellosen?.  Dtsch Med Wochenschr. 2006;  131 2789-2792
  • 3 Umweltbundesamt . Empfehlung des Umweltbundesamtes nach Anhörung der Trinkwasserkommission des Bundesministeriums für Gesundheit. Periodische Untersuchung auf Legionellen (...).  Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz. 2006;  49 697-700
  • 4 Brooks T, Osicki R A, Springthorpe V S. et al . Detection and identification of Legionella species from groundwaters.  J Toxicol Environ Health, Part A. 2004;  67 1845-1859
  • 5 Ulsenheimer K. Haftungsrechtliche Bedeutung von Leitlinien.  Krankenhaushygiene up2date. 2006;  1 169-175

Prof. Dr. med. Ines Kappstein

Krankenhaushygiene, Kreiskliniken Traunstein-Trostberg GmbH

Cuno-Niggl-Straße 3

83278 Traunstein

Email: ines.kappstein@klinikum-traunstein.de

    >