Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2007; 39(3): 121
DOI: 10.1055/s-2007-985981
Forschung
Neues aus der Onkologie
Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Akute lymphatische Leukämie: Risiko von Zweittumoren höher als erwartet

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Publication Date:
28 September 2007 (online)

Akute lymphatische Leukämie: Risiko von Zweittumoren höher als erwartet

Bei pädiatrischen Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL) wird 10-15 Jahre nach Therapie von einem Gesamtrisiko für das Auftreten einer Zweitneoplasie von 1,2-3,3 % ausgegangen. Ob die Inzidenz 15-20 Jahre nach Therapie ein Plateau erreicht oder weiter ansteigt, ist unklar. N. Hijiya et al. (JAMA. 2007; 297: 1207-1215) untersuchten nun die Inzidenz von Sekundärneoplasien in diesem Patientenkollektiv über einen Zeitraum von 30 Jahren und charakerisierten die spät auftretenden Tumoren.

In ihrer retrospektiven Untersuchung haben pädiatrische Onkologen in Memphis/Tennessee 2169 pädiatrischen Patienten nachbeobachtet, die zwischen 1962 und 1998 an ALL gelitten und nach der Therapie eine komplette Remission hatten. Um ein erhöhtes Risiko für Zweittumoren zu erfassen, wurden die Inzidenzzahlen mit denjenigen der US-Bevölkerung verglichen.

Während einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 18,7 Jahren (2,4-41,3 Jahre) entwickelten 168 Patienten einen Zweittumor (7,7 %). Bei den 1290 Patienten, die weiterhin in Remission geblieben waren, wurde in 123 Fällen (9,5 %) ein Zweittumor als erstes Ereignis diagnostiziert. Am häufigsten waren myeloische Malignome wie akute myeloblastische Leukämie (ngesamt = 45 bzw. 37 bei den Patienten, die in kompletter Remission geblieben waren), gefolgt von ZNS-Tumoren (Meningeome n = 24 bzw. 16, andere n = 24 bzw. 22). Basalzellkarzinome waren die häufigsten Zweittumoren bei Patienten mit ALL-Rezidiven (n = 10). 18 Patienten entwickelten Drittmaligome.

Die kumulative Inzidenz für Zweittumore bei Patienten in Komplettremission lag nach 15 Jahren bei 4,17 %, stieg nach 20 Jahren auf 5,37 % und nach 30 Jahren auf 10,85 % Werden im letzten Zeitintervall Basalzellkarzinome und Meningeome als langsam wachsende Tumoren herausgenommen, zeigte sich bei den ZNS-Tumoren nach 15 Jahren ein Plateau - für alle übrigen Neoplasien zusammen zeigte sich ein langsamer Anstieg. 41 Patienten in Komplettremission entwickelten erst spät ein Zweitmalignom, hier waren im Mittel fast 24 Jahre vergangen. Basalzellkarzinome und Meningeome ausgenommen lag die kumulative Inzidenz nach 15 Jahren bei 3,99 und nach 30 Jahren bei 6,27. Dies entspricht einem 13,5-fach erhöhten Gesamtrisiko gegenüber der Normalbevölkerung.

Fazit: Die kumulative Inzidenz von Zweittumoren bei ALL-Patienten in Komplettremission erreicht nach 20 Jahren kein Plateau, sondern steigt weiter an. Die Mehrzahl dieser Spättumoren sind zwar als „low-grade”-Tumoren einzustufen (Meningeome und Basalzellkarzinome), zu einem großen Prozentsatz handelt es sich aber auch um aggressivere solide Tumoren. Verglichen mit dem altersadjustierten Risiko in der Normalpopulation berechneten die Autoren auch nach 20 Jahren ein 2,4-fach höheres Risiko für die Entstehung solider Tumoren bei den ehemaligen ALL-Patienten. Eine lebenslange sorgfältige Kontrolle ist deshalb im Interesse der Patienten notwendig.

Dr. med. Renate Leinmüller

Wiesbaden

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