NOTARZT 2008; 24(3): 85-89
DOI: 10.1055/s-2007-986344
Berufspolitik

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Der notärztliche Behandlungsfehler im Strafrecht

Medical Error of Emergency Physicians from a Criminal Law PerspectiveK.  Fehn1
  • 1Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, Köln[1]
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Publication Date:
16 May 2008 (online)

Zusammenfassung

Behandlungsfehler haben nicht nur zivilrechtliche, sondern auch erhebliche strafrechtliche Bedeutung. Im Strafrecht wie im Zivilrecht gilt für die Beurteilung der vom Notarzt einzuhaltenden Sorgfalt gleichermaßen nicht der individuelle, sondern der objektiv-typisierende Sorgfaltsmaßstab, d. h. der handelnde Notarzt wird stets an einem durchschnittlich qualifizierten, erfahrenen und besonnenen Notarzt gemessen, nicht aber an seinen persönlichen Fähigkeiten. Behandlungsfehler können durch aktives Tun oder durch Unterlassen verwirklicht werden und sind in verschiedene Fallgruppen zu unterscheiden. Die Vielzahl der zu beachtenden Aspekte offenbart eine entsprechende Vielzahl an Präventionsmöglichkeiten im Vorfeld, aber auch an Verteidigungs- bzw. Anklageansätzen in einem späteren Strafverfahren, das im Einzelfall für den betroffenen (Not-)Arzt existenzbedrohend sein kann.

Abstract

A medical error is of relevance not only in civil law but also in criminal law. The standard of care which has to be obeyed by the physician is not an individual one but a standardized and objective one in civil law as well as in criminal law. That means the acting emergency physician will always be measured against an averaged skilled, experienced and calm acting emergency physician and not against his individual skills. Medical errors can be committed by action or omission. Several categories of medical errors have to be differentiated. The variety of ascpects demonstrates the variety of possible measures of prevention as well as of possible defense strategies in case of a criminal trial which might lead into a loss of livelihood in a given case.

1 Der Autor ist Partner der Sozietät Dr. Schneider & Partner, Frankfurt/Main, Köln, Koblenz. Schwerpunkte sind das Medizinstrafrecht und das Wirtschaftsstrafrecht. Der Verfasser ist zudem ordentl. Professor für Strafrecht an der Fachhochschule Köln.

2 Ärztekammer Nordrhein, www.aekno.de → BürgerInfo → Behandlungsfehler; dort findet sich auch eine Aufschlüsselung nach Facharztgruppen.

3 Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 3. Aufl., S. 1.

4 Zu den Ursachen vgl. Ulsenheimer, a. a. O., S. 9.

5 Vgl. ausführlich hierzu Fehn, Der richtige Anspruchsgegner bei Behandlungsfehlern im klinischen Bereich, Medizin im Dialog, Heft 2/2002, S. 1ff.; Fehn/Lechleuthner, Amtshaftung bei notärztlichem Behandlungsfehler, MedR 2000, 114ff.; BGHZ 120, 184; BGH, 153, 268; 160, 216; BGH, NJW 1991, 2954; NJW 1997, 2109, 2110; OLG Schleswig, OLGR Schleswig 2007, 17 - 19.

6 Diese Erkenntnis ist aus rechtlicher Sicht althergebracht, vgl. z. B. Ebermeyer, Der Arzt im Recht, Leipzig 1930, S. 117: „Die Haftung des Arztes erschöpft sich nicht in der Verpflichtung, den angerichteten Schaden zu ersetzen, vielmehr haftet der Arzt für seine Verfehlungen auch strafrechtlich.”

7 Vgl. BGH, NStZ 1982, 296; Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 223, Rz. 13.

8 Z. B. aufgrund eines Strafantrags, einer Strafanzeige oder eines Todesermittlungsverfahrens (§ 159 StPO).

9 Das Behandlungsverhältnis ist nach zutreffender h. M. i. d. R. kein Werkvertrag (§§ 631ff. BGB), sondern ein unabhängiger Dienstvertrag i. S. d. § 611 BGB; vgl. hierzu BGHZ 63, 306 (309); 76, 249 (261); 97, 273; BGH, NJW 1981, 2002; Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl., § 39 Rz. 10, § 100, Rz. 16 m. w. N.

10 So zu Recht Ulsenheimer, a. a. O., S. 18; s. auch Deutsch, NJW 1984, 650; Schünemann, JA 1975, 149; vgl. auch Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 276, Rz. 15 m. w. N.

11 BGH, NJW 2000, 2754 (2758); vgl. auch BGHSt 6, 282 (288).

12 Ausführlich hierzu Fehn, Medizin im Dialog. Richtlinien, Leitlinien, Empfehlungen und Stellungnahmen - Zur Verbindlichkeit verschiedener Rechtssätze in der Medizin, Heft 4/2002, S. 9ff.

13 Ulsenheimer, a. a. O., S. 20.

14 Die praktische Bedeutung einer Verurteilung wegen Unterlassens folgt aus § 13 Abs. 2 i. V. m. § 49 Abs. 1 StGB.

15 BGHSt 7, 211; Ulsenheimer, a. a. O., S. 49 m. w. N.

16 BGH, NJW 2000, 2754 (2755).

17 Tröndle/Fischer, a. a. O., Rz. 14 m. w. N.

18 Vgl. hierzu ausführlich Fehn, Strafrechtliche Bedeutung des ärztlichen Behandlungsfehlers, GesR 2007, S. 385ff.

19 BGH, VersR 1981, 1033; OLG Frankfurt, VersR 1997, 1358; OLG Nürnberg, VersR 1993, 104; OLG Bamberg, VersR 1992, 831; OLG Köln, VersR 1991, 1288.

20 BGH, VersR 1995, 46; BGH, VersR 1994, 52; OLG Celle, VersR 1994, 1237; OLG Oldenburg, VersR 1994, 1241; OLG Düsseldorf, VersR 1987, 994.

21 Vgl. BGH, MedR 1991, 137 (insoweit liegt eine Überschneidung mit einem Organisationsfehler vor).

22 Hierzu Fehn, Organisationsverschulden des Aufgabenträgers und der Einsatzleitung, in: Lipp (Hrsg.), Forum Rettungsdienst + Leitstelle 2002 (Tagungsband), S. 26ff.

23 BGH, NJW 1994, 1594; Laufs/Uhlenbruck, a. a. O., § 102, Rz. 3.

24 Vgl. Mertens in Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl., § 823, Rz. 394; Laufs/Uhlenbruck, a. a. O.; Geiß/Greiner, Arzthaft - Pflichtrecht, 5. Aufl. 2006, B, Fn. 18.

25 Vgl. BGH, NJW 1986, 776.

26 OLG Schleswig, VersR 1997, 69.

27 Geiß/Greiner, a. a. O., Rn. 18ff. m. w. N.

28 BGH, NJW 1983, 2080; BGH, NJW 2001, 2792 (2794ff.) m. w. N.; vgl. auch Ulsenheimer, a. a. O., S. 46.

29 Ausführlich hierzu Müller, NJW 1997, 3049ff.

Prof. Dr. Karsten Fehn

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