Zeitschrift für Phytotherapie 2007; 28(4): 159
DOI: 10.1055/s-2007-986456
ZPT | Editorial

© Sonntag Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Editorial

Further Information

Publication History

Publication Date:
18 June 2008 (online)

Kinder im Fokus der Gesundheitspolitik

Wir wissen heute, dass Konrad Adenauer sich gründlich irrte, als er sagte »Kinder bekommen die Leute immer«. Tatsächlich liegt der »Nutzen« für einen gesunden Kindersegen, falls dieser denn überhaupt quantifizierbar sein sollte, in unserer Gesellschaft vorwiegend in psychologischen Bereichen, wie der persönlichen Elternfreude. Die Geburtenrate sinkt, weil das einzelne Kind als Individuum und Arbeitskraft wertvoller wird - eine recht schnöde Kosten- Nutzen-Rechnung. Dies ist letztlich auch der Hintergrund für das - für meine Begriffe allerdings sehr späte - große Interesse der Politik am Kind. Dass nicht nur die Zahl der Geburten seit Jahren in Deutschland sehr niedrig ist, sondern dass es mit der Gesundheit der Kinder in den industrialisierten Ländern nicht sehr gut bestellt ist, ist seit einigen Jahren Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Untersuchungen und steht auch im Mittelpunkt vieler Präventivprojekte, die in Deutschland an Kindergärten, Schulen und Einrichtungen für Jugendliche inzwischen initiiert wurden. Hauptsächlich geht es hier um die Prävention und die Bekämpfung von Bewegungsarmut und Fehlernährung sowie um Essstörungen.

Betrachtet man diese Entwicklung aus dem ärztlichen Blickwinkel, insbesondere unter dem Aspekt der Phytotherapie bzw. insgesamt der Naturheilkunde, fällt auf, dass sich hier viele Gruppierungen engagieren, z.B. Laienorganisationen wie die Kneipp- Vereine oder der Deutsche Naturheilbund, ärztliche Netzwerke der Kinder- und Jugendärzte, bei denen insbesondere die Traditionelle Chinesische Medizin einschließlich deren Phytotherapie propagiert wird, und schließlich nichtärztliche Berufe wie Apotheker, Psychologen, Physiotherapeuten, Hebammen, Diätassistenten oder Heilpraktiker. Viele Angebote sind dabei eher dem alternativmedizinischen Bereich zuzuordnen. So wird Phytotherapie zur Wiedererlangung des »energetischen Gleichgewichtes« eingesetzt, oder es wird nicht sorgfältig zwischen Phytotherapeutika im Sinne des Deutschen Arzneimittelgesetzes, Nahrungsergänzungsmitteln, Diätetika, Homöopathika und ätherischen Ölen zur Aromatherapie unterschieden. Tatsächlich führt dieses ausufernde, unübersichtliche Angebot zu einer tiefen Verunsicherung bei den Eltern, die in der Regel nicht in der Lage sind, diesen Markt zu durchschauen. Hier sind insbesondere die Apotheker, die Kinder- und Jugendärzte und die Hausärzte zur Hilfestellung aufgefordert. Zum Glück sind nicht verschreibungspflichtige, apothekenpflichtige Arzneimittel wie die Phytopharmaka für Kinder bis 12 Jahren Kassenleistung, dies stärkt ihre Position und hilft bei den Bemühungen um Transparenz. Allerdings können in einigen europäischen Ländern rezeptfreie Arzneimittel schon außerhalb der Apotheke abgegeben werden. Wenn dies irgendwann auch für Deutschland gälte, würde die Situation für die Patienten bzw. deren Eltern wieder unübersichtlicher.

Es ist allgemeiner Konsens, dass viele Arzneimittel, d.h. auch Phytopharmaka, die bei Kindern eingesetzt werden, nicht ausreichend an Kindern geprüft und deshalb auch nicht für sie zugelassen sind. Zudem ist die wirksame und sichere Dosierung häufig nicht bekannt. Der Absatz 7a des § 25 (Entscheidung über die Zulassung) des 12. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 30. Juli 2004 sieht deshalb vor, dass beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Kommission für Arzneimittel für Kinder und Jugendliche bei den Zulassungsentscheidungen eingerichtet wird. Im Falle der Phytotherapie wird diese Aufgabe von der Kommission E wahrgenommen. Diese soll u.a. bei Phytopharmaka, die nicht für die Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen zugelassen sind, den anerkannten Stand der Wissenschaft dafür feststellen, unter welchen Voraussetzungen diese erfolgen kann. Auf europäischer Ebene sorgt die Verordnung EG 1902/2006 dafür, dass für jedes neu zuzulassende Arzneimittel ein pädiatrisches Prüfkonzept vorgelegt werden muss, in dem das geplante Entwicklungsprogramm für eine Anwendung an Kindern beschrieben wird. Generika, Arzneimittel mit mindestens 10-jähriger allgemeiner medizinischer Verwendung in der EU (»well-established use«), Homöopathika und traditionelle pflanzliche Arzneimittel sind davon jedoch ausgenommen.

Der Gesetzgeber ist somit im Bereich der Arzneimittel speziell mit dem Fokus »Kinder« aktiv geworden. Es ist ganz wichtig, diese Bestrebungen, die der Erhöhung der Therapiesicherheit und der Transparenz dienen, auch in die Bevölkerung zu transportieren. Die phytotherapeutischen Kompetenzen in den genannten Berufsgruppen müssen deshalb weiterhin durch Fort- und Weiterbildung gestärkt werden, damit kranke Kinder eine wirksame und möglichst nebenwirkungsarme Therapie erhalten. Dafür werde ich mich auch in Zukunft einsetzen.

Karin Kraft, Rostock

    >