Dtsch Med Wochenschr 2007; 132(42): 2195
DOI: 10.1055/s-2007-991625
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prävention: Theorie und Praxis

Prevention: theory and practiceN. M. Schmitt1 , W. Kirch1
  • 1Forschungsverbund Public Health Sachsen und Sachsen-Anhalt e.V., Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden
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Publication Date:
10 October 2007 (online)

Gesundheit ist weniger ein Zustand als eine Haltung, und sie gedeiht mit der Freude am Leben.

Thomas von Aquin (1225 - 1274)

Der 2. Nationale Präventionskongress findet vom 24. - 27. Oktober 2007 wieder in Dresden statt, diesmal in Verbindung mit dem 6. Deutschen Kongress für Versorgungsforschung. Erneut sind die relevanten Interessenten, wie Kliniker, der öffentliche Gesundheitsdienst, Arbeits- und Sozialmediziner und die Sozialversicherungsträger, mit einbezogen. Wir freuen uns auf das Fortführen des breiten wissenschaftlichen Dialogs zum Status quo und dem Entwicklungsbedarf von Prävention in Deutschland, der vor zwei Jahren an derselben Stelle anlässlich des 1. Nationalen Präventionskongresses angestoßen wurde.

Das vorliegende Schwerpunktheft beschäftigt sich sowohl mit theoretischen als auch mit praktischen Aspekten der Prävention. W. Slesina bestimmt die Begriffe „primordiale”, „primäre”, „sekundäre” und „tertiäre Prävention” und geht kritisch auf dieses Vier-Kategorien-Schema der Prävention ein. Die Abgrenzung der Begriffe in der Praxis ist oft nicht ganz einfach. Deshalb rät der Autor, sich bei der Zuordnung zu den vier Präventionsstufen nicht an den konkreten Maßnahmen, sondern an den unterschiedlichen Zielgruppen zu orientieren.

Neben der verhaltensbezogenen Prävention sind auch Arzneimittel Bestandteil präventiver Maßnahmen. P. Bramlage et al. beschreiben in ihrem Beitrag aktuelle Beispiele von Arzneimitteln in der primären, sekundären und tertiären Prävention. Fünf der neun Faktoren, die 90 % des Risikos für einen akuten Myokardinfarkt ausmachen, können medikamentös beeinflusst werden: Dyslipidämie, Rauchen, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie und Adipositas.

In Japan leistete die jahrzehntelange erfolgreiche Präventionspolitik einen wesentlichen Beitrag zu hoher Lebenserwartung bei relativ geringen Gesundheitsausgaben. Nach Böcking et al. scheint die japanische Präventionspolitik durchaus auf Deutschland übertragbar. Primär- und sekundärpräventive Maßnahmen müssen aber vor allem langfristig angelegt und konsequent umgesetzt werden.

Prävention bei Kindern und Jugendlichen ist ein unverzichtbarer Baustein auf dem Weg zu einem verbesserten Ernährungs- und Bewegungsverhalten und damit der Prävention von Übergewicht und auch psychischen Störungen in der ganzen Gesellschaft. Der Beitrag von Nicole Wolfram et al. beschreibt eine Analyse der Verpflegungssituation 4- bis 6-jähriger Kinder in Kindertageseinrichtungen. Es ergeben sich wichtige Schlussfolgerungen, die eine gute Basis für Interventionen hin zu einer ausgewogeneren Ernährung im Kindesalter darstellen.

Vor dem Hintergrund der steigenden Inzidenz und Prävalenz psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen und, als Konsequenz, der Belastungen für das Gesundheitssystem mit Lücken in der medizinischen und psychotherapeutischen Versorgung sind Maßnahmen der primären Prävention essentiell. Nina Heinrichs und K. Hahlweg geben in ihrem Artikel eine Übersicht zu diesem Thema.

Ein weiteres aktuelles und sehr wichtiges Thema wird von Carola Schreckenberger et al. beleuchtet: die Implementierung der HPV-Impfung in Deutschland. Seit Mitte März 2007 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts die Einführung einer Impfung gegen humane Papillomaviren für alle Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren. Die Autoren stellen in einem Modell den Einfluss des Impfens auf die Inzidenz des Zervixkarzinoms anschaulich dar.

Natürlich dürfen in diesem Schwerpunktheft auch Stellungnahmen von Gesundheitswissenschaft und gesetzlichen Krankenkassen nicht fehlen. R. Rosenbrock und Gudrun Eberle beleuchten unterschiedliche Sichtweisen zum Präventionsgesetz, dessen Entwurf im Jahre 2005 im Bundesrat gescheitert ist. Noch in diesem Jahr soll eine revidierte Version formuliert werden, so dass das Gesetz in 2008 realisiert werden könnte.

Gezielte Prävention und Gesundheitsförderung sind unschätzbare Voraussetzungen eines funktionierenden Gesundheitswesens. Ihre Bedeutung für die Steigerung der Versorgungs- und Lebensqualität sowie für die Senkung der Kosten im Gesundheitssystem ist unbestritten. Aber auch die Abwägung „utilitaristischer”, bevölkerungsbezogener Ziele mit individuellen Freiheiten im Bereich Prävention sowie Nutzen-Risiko-Bewertungen von präventiven Maßnahmen sind immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Wegen der hohen Relevanz des Themas wurde das Schwerpunktheft Prävention zum 2. Nationalen Präventionskongress zusammengestellt.

Wir freuen uns auf unsere gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe, die Gesundheit der Menschen zu fördern, Krankheiten vorzubeugen und Patienten zu begleiten.

Dr. med. Natalie M. Schmitt, MPH
Prof. Dr. Dr. Wilhelm Kirch

Forschungsverbund Public Health Sachsen und Sachsen-Anhalt e. V., Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden

Fiedlerstraße 27

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