Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 1997; 32(1): 4-20
DOI: 10.1055/s-2007-995001
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Lagerungsschäden in Anästhesie und operativer Medizin (Teil 1)

Positioning Trauma in Anaesthesia and Surgery (Part 1):W. Ullrich, E. Biermann1 , F. Kienzle, C. Krier
  • Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin Katharinenhospital Stuttgart
  • 1Justitiar des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten, Nürnberg
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Publication Date:
22 January 2008 (online)

Zusammenfassung

Die Lagerung des Patienten für einen chirurgischen Eingriff stellt eine wichtige und verantwortungsvolle Tätigkeit dar. Die richtige Lagerung ermöglicht dem Chirurgen eine guten operativen Zugang, minimiert den Blutverlust und schützt den Patienten vor Schädigungen der Nerven, Weichteile, Muskellogen und des kardiopulmonalen Systems. Jede spezielle Lagerung hat ihre spezifischen Risiken. Diese müssen gegen den zu erwartenden Nutzen kritisch abgewogen werden. Soweit möglich sollte immer nahe der physiologischen Neutralstellungen gelagert werden. An den Extremitäten sind hauptsächlich der N. ulnaris, sowie der Plexus brachialis lagerungsgefährdet. Durch eine genaue Kenntnis der Anatomie können glücklicherweise meist wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Kommt es trotz optimaler Lagerung zu einer N. ulnaris-Schädigung, so konnten von einzelnen Autoren bei bis zu 30 % der betroffenen Patienten bisher asymptomatische, präexistende ulnare Dysfunktionen nachgewiesen werden. Insbesondere Patienten mit einer peripheren Gefäßkrankheit werden durch eine erhöhte Lagerung einzelner Extremitäten (z.B. Steinschnittlage), sowie aufgrund der Anwendung eines Tourniquets dem Risiko ausgesetzt, akute Ischämien, im Extremfall Rhabdomyolysen mit konsekutivem Kompartmentsyndrom zu erleiden. Neben anderen Faktoren scheint der Operationsdauer hier eine besondere Wertigkeit zuzukommen. Liegt das Operationsgebiet oberhalb der Herzebene besteht in allen Lagen das Risiko der venösen Luftembolie. Hier sollte ein entsprechendes Monitoring großzügig angewandt werden. Eine glücklicherweise seltene, aber fatale Komplikation der Lagerung ist der Verlust der Sehfähigkeit. Am größten scheint die Gefahr bei der Bauchlagerung zu sein, doch auch im Zusammenhang mit anderen Positionen ist postoperative Blindheit beschrieben. Hier muß insbesondere jeglicher Druck auf den Bulbus vermieden werden. Ebenso wie für operative Eingriffe gilt für die Lagerung, daß die indizierte und korrekt durchgeführte Lagerungsmaßnahme, in die der Patient wirksam eingewilligt hat, rechtmäßig ist und bleibt, auch wenn es zur Schädigung kommt. Kommt es zum Schadenersatzprozeß, so hängt die Verteilung der Beweislast wesentlich von der Genauigkeit der Dokumentation ab. Sind hier Mängel augenscheinlich, so können dem Kläger vom Gesetzgeber Beweislasterleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zugebilligt werden. Anders im Strafprozeß - hier muß die schuldhafte ärztliche Fehlleistung nachgewiesen werden, andernfalls gilt der Grundsatz „in dubio pro reo”. Neben genauer interdisziplinärer Absprachen der Verantwortlichkeiten bei der Lagerung kommen sowohl der Dokumentation der Lagerung, als auch der Dokumentation der Lagerungskontrollen eine wichtige Bedeutung zu. Eine gute Lagerung kann die Operation entscheidend erleichtern. Wird eine schlechte Lagerung (z.B.) aus Eile akzeptiert, so ist der Patient in besonderem Maße gefährdet, einen Lagerungsschaden zu erleiden.

Summary

Positioning a patient for surgery requires great care and caution. Correct positioning provides the surgeon with good access to the site, minimizes blood loss and reduces the risk of damage to nerves, soft tissue, compartments and the cardio-pulmonary system. Each position has its specific risks. These have to be evalued against the benefits. Extreme positions of the joints should be avoided whenever possible. The ulnar nerve or the plexus brachialis are at highest risk in the positioning of extremities. Good anatomical comprehension makes it possible to take effective counter-measures. In the case of damage to the ulnar nerve in spite of optimal positioning, some authors found pre-existent non-symptomatic dysfunction in up to 30 % of the cases. Patients suffering from peripheral vascular disease are usually at higher risk to suffer acute ischaemia, or, in the extreme, rhabdomyolysis with compartment syndrome, when positioned with elevated extremities (as in lithotomy position) or when a tourniquet is applied. Next to other factors, the duration of surgery seems to be of some importance. Operation sites above the heart carry a higher risk of venous air embolism unrelated to the positioning. In these cases adequate monitoring should be generously applied. Loss of visus is a rare but very severe complication most often seen in connection with the prone position. Still, postoperative blindness has occurred in all positions. It is absolutely imperative to avoid all pressure to the bulbus. The same law applies to surgery and positioning: indicated and correctly executed positioning, to which the patient has effectively consented, is legal, even if damage should occur. If the plaintiff demands compensation for damage, the distribution of onus of proof depends essentially on the accuracy of documentation. If documentation is faulty, the plaintiff may be granted relief or even shift of the onus of proof. This does not apply to a criminal lawsuit; in that case, culpable medical fallibility must be proven, since otherwise, the principle of „in dubio pro reo” applies. The interdisciplinary responsibilities concerning the positioning must be clearly defined and it is essential that the documentation of positioning as well as the documentation of positioning control is carried out as accurately as possible. Correct positioning can effectively aid surgery. Slovenly positioning should not be accepted, as there is a high probability of ill effects, possibly of permanent damage.

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