Aktuelle Dermatologie 2008; 34(6): 236-239
DOI: 10.1055/s-2007-995730
Kasuistik

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sepsis mit Purpura Fulminans nach Hundebiss[*]

Septic Shock and Purpura Fulminans after a Dog BiteK.  Völl1 , G.  Haase2 , H.  Fritz1 , J.  Riebe3 , C.  Huszka4 , J.  Kindler1
  • 1Klinik für Innere Medizin, Medizinisches Zentrum Kreis Aachen gGmbH
  • 2Institut für Medizinische Mikrobiologie, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
  • 3Praxis für Laboratoriumsmedizin, Aachen
  • 4Institut für Pathologie, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
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Publication Date:
07 July 2008 (online)

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Zusammenfassung

Anamnese und klinischer Befund: Ein 61-jähriger Patient stellte sich mit seit 4 Tagen zunehmenden Rückenschmerzen und abdominellen Beschwerden vor. Seit dem Vortag sei es zu einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes mit Schwächegefühl und Dyspnoe gekommen. Bei Aufnahme war der Patient tachykard und tachypnoeisch mit Lippen- und Akrozyanose bei einer Körpertemperatur von 39,1 °C. Bis auf eine epigastrische Druckdolenz war der abdominelle Untersuchungsbefund unauffällig. Die gesamte Haut des Patienten verfärbte sich livide, und es entwickelten sich zunehmende Einblutungen mit zentralen Nekrosen. Fremdanamnestisch war eine Hundebissverletzung einige Wochen vor Aufnahme eruierbar.

Untersuchungen: Laborchemisch zeigte sich eine deutliche Entzündungskonstellation und Thrombozytopenie. Als Hinweis auf eine systemische bakterielle Infektion war die Procalcitonin-Konzentration im Serum signifikant erhöht. Röntgen-Thorax- sowie CT-Untersuchungen des Abdomens und der basalen Lungenabschnitte erbrachten keine richtungsweisenden Befunde. Im transösophagealen Echokardiogramm konnte eine Endokarditis ausgeschlossen werden, die Pumpfunktion war jedoch global stark reduziert. Die anaerobe Blutkultur ergab das Wachstum eines gramnegativen, pleomorphen Stäbchenbakteriums, das sich durch weitere molekulargenetische Untersuchungen als Capnocytophaga canimorsus identifizieren ließ.

Diagnose, Therapie und Verlauf: Der Patient wurde auf die Intensivstation aufgenommen. Bei einer Sepsis zunächst ohne eindeutigen Erreger oder Fokus begannen wir eine intravenöse Behandlung mit Piperacillin/Tazobactam. Im Verlauf wurde die Antibiose bei fraglicher meningealer Beteiligung um Ceftriaxon erweitert. Im Rahmen der Verbrauchskoagulopathie wurden Blutprodukte und Plasmabestandteile transfundiert. Trotz supportiver Maßnahmen starb der Patient nach 4 Tagen im Multiorganversagen.

Folgerung: Nach Hunde- und Katzenbissverletzungen sollte als Auslöser einer Sepsis, vor allem bei Patienten mit Splenektomie oder Alkoholabusus, eine Capnocytophaga canimorsus-Infektion in Betracht gezogen werden. Ein mikroskopischer Direktnachweis eines gramnegativen Stäbchenbakteriums im Blutausstrich kann diesen Verdacht erhärten, bevor dieser langsam wachsende Erreger kulturell gezüchtet worden ist. Bei der beschriebenen hohen Mortalität ist eine frühzeitige spezifische antibiotische Therapie von entscheidender Bedeutung für den weiteren Verlauf. Das Bewusstsein von Ärzten und Patienten sollte hinsichtlich der Infektionsgefährdung durch Bissverletzungen geschärft werden. Wie dieser Fall belegt, sollte nicht nur bei Risikopatienten eine Antibiotikaprophylaxe erfolgen.

Abstract

History and clinical findings: A 61-year-old man presented with a four-day history of back pain and nonspecific abdominal pain. His condition had significantly worsened since the day before admission with generalized weakness and dyspnea. His temperature was 39.1 °C, he had tachycardia and was tachypneic. Peripheral cyanosis was noted. The abdomen was soft with mild epigastric tenderness. A diffuse skin rash developed with increasing petechial bleeding and central necrosis. It was revealed that he had been bitten by a dog several weeks before admission.

Investigations: Laboratory data indicated an acute inflammatory process with a marked increase in white blood cells and C-reactive protein. An elevated procalcitonin level suggested a systemic bacterial infection. Chest X-ray and abdominal CT scan were unremarkable. Echocardiography revealed a globally hypokinetic heart with no evidence of valvular vegetations. One set of blood cultures grew micro-aerophilic, Gram-negative rods. Gene sequencing identified the slow growing, fastidious bacillus as Capnocytophaga canimorsus.

Treatment and course: The patient was admitted to the intensive care unit and initially treated with intravenous piperacillin/tazobactam and hydrocortisone for septic shock. Transfusions of platelets and blood products were given because of disseminated intravascular coagulation. The patient developed multi-organ failure requiring ventilation and hemodialysis; he died four days after admission.

Conclusions: As a rare cause of septicemia, especially in immunocompromised patients, Capnocytophaga canimorsus infection should be considered after an animal bite. Given the slow growth of this bacterium in culture, Gram-staining of a peripheral blood smear may provide an early diagnosis and avoid delay before appropriate antibiotic therapy, which may favorably influence the potentially fatal course, if started.

1 Erstveröffentlichung in: Dtsch Med Wochenschr 2007; 132: 1321 – 1324.

Literatur

1 Erstveröffentlichung in: Dtsch Med Wochenschr 2007; 132: 1321 – 1324.

Prof. Dr. med. Joachim Kindler

Chefarzt Klinik für Innere Medizin, Medizinisches Zentrum Kreis Aachen gGmbH

Mauerfeldchen 25

52146 Würselen

Email: joachim.kindler@mz-ac.de