Aktuelle Dermatologie 2008; 34(4): 135-142
DOI: 10.1055/s-2007-995775
Tagungsbericht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Dresdner Dermatologische Demonstration 2008 -
zugleich Tagung der Sächsischen Dermatologischen Gesellschaft am 12. April 2008

Dresden Dermatology Demonstration 2008 - Meeting of the Saxonian Society of Dermatology, April 12, 2008 Vorsitz:U.  Wollina, Berichterstatter:G.  Hansel, A.  Koch, U.  Wollina, Histopathologie:J.  Schönlebe, G.  Haroske, Klinische Photodokumentation: Frau R.  Herz
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Publication Date:
05 May 2008 (online)

Chronisch vegetierende Pyodermie Azúa mit monoklonaler Gammopathie unklarer Signifikanz

G. Hansel, U. Schadeberg

Eine 46-jährige Patientin stellt sich mit einem seit Febuar 2007 bestehenden und progredienten Ulcus an der Dorsalseite des rechten Unterschenkels vor. In einem auswärtigen Krankenhaus war die Wunde nach diagnostischer Sicherung als Pyoderma gangraenosum gewertet worden. Eine Lokalbehandlung mit Steroiden und Desinfizenz sowie Kompressionsbandagierung hatten zu einer deutlichen Besserung des Lokalbefundes geführt. Später war die Wunde abgeheilt. Einige Wochen darauf war ein neues Ulcus direkt über der Ferse entstanden.

Hautbefund: An der Dorsalseite des rechten Unterschenkels fand sich unmittelbar im Bereich der Achillessehne ein lividrotes bis bräunliches papillomatös schwammiges Areal mit Ulzerationen, Fistulationen und entzündlichem Randsaum. Auf Druck entleerte sich stellenweise Pus aus den Fisteln. Proximal davon bestand ein flaches, partiell abgeheiltes fistelnd erodiertes Areal ([Abb. 1]).

Abb. 1 Chronisch vegetierende Pyodermie Azúa.

Laborbefunde: CRP 26,4 mg/l, α2-Globulin 12,5 %, γ-Globulin 20,8 %, IgG 16,2 g/l, ASAT 0,82 μkat/l, ALAT 1,22 μkat/l, LDH 4,80 μkat/l, Albumine 53,1 %. In Serum und Urin wurde monoklonales IgG Typ Kappa nachgewiesen.

Mikrobiologische Untersuchung Wundabstrich: Hautnormalflora; Gewebestückchen: kulturell steril; Tb-Kultur vom Gewebestückchen negativ.

Mykologische Untersuchung Wundabstrich: mikroskopisch keine Pilzelemente, Kultur steril; Gewebestückchen: Kultur negativ.

Histologie Haut: Mäßige bis schwere granulierende, abszedierende und phlegmonöse Dermatitis mit pseudoepitheliomatöser Epidermishyperplasie.

Knochenmarkpunktion: Normalbefund.

Bildgebende Diagnostik: Steatosis hepatis, geringgradige Splenomegalie sowie Cholezystolithiasis.

Therapie und Verlauf: Unter konsequenter Feuchtbehandlung der Wunden mit Octenidinhydrochlorid-(Octenisept®)Lösung und Therapie mit 0,7 mg Prednisolon/kg KG kam es zu einer deutlichen Befundbesserung. Die Kortisondosis wurde im weiteren Verlauf langsam auf eine Erhaltungsdosis von 5 mg täglich reduziert. Wegen eines Rezidivs erfolgte die Wiederaufnahme bei fistelndem Wundareal am Malleolus medialis rechts. Erneut besserte sich der Befund unter Lokalbehandlung mit Octenidinhydrochlorid-Lösung. Es erfolgte eine systemische Therapie mit Rifampicin 300 mg 2 × tgl. für 8 Wochen. Darunter stellte sich eine Defektheilung mit postinflammatorischer Hyperpigmentierung ein.

Kommentar: Chronisch vegetierende Pyodermien sind abszedierende Entzündungen unklarer Ätiologie. Es werden 3 Formen unterschieden: der ulzeröse, der verruköse und der papillomatöse Typ. Letzterer wurde 1894 erstmals als chronisch vegetierende Pyodermie von Azúa beschrieben.

Oft, jedoch nicht immer, lassen sich in den Wunden Staphyloccocus aureus, Streptokokken oder Enterokokken nachweisen, deren Rolle in der Pathogenese der Erkrankung jedoch umstritten ist. Das Auftreten dieser Pyodermien wird bei Patienten mit Immunsuppression aber auch bei primärer oder sekundärer Immundefizienz beobachtet. Häufig gehen dem Auftreten der Wunden banale Hautinfektionen oder Traumen voraus. Klinisch sehen wir auf lividroten Infiltraten Pustulationen, kleinere und größere Nekrosen und Ulzerationen, Unterminierungen, Fisteln und Gänge sowie verruziforme und papillomatöse Vegetationen [1]. Im histologischen Befund imponieren eine pseudoepitheliomatöse Hyperplasie und dermale, phlegmonöse Abszesse. Je nach mikrobiologischem Untersuchungsbefund sollte eine gezielte antibiotische Therapie mit Kortikosteroiden oder/und anderen Immunsuppressiva kombiniert werden. Eine alleinige Antibiose führt in der Regel nicht zur Abheilung. Für die lokale Behandlung haben sich desinfizierende Lösungen (feuchte Umschläge) bewährt. Eine chirurgische Abtragung der Vegetationen ist möglich, jedoch nicht immer erfolgreich. Der Einsatz von TNF-alpha-Hemmern kann im Einzelfall erwogen werden [2]. Differenzialdiagnostisch ist an tiefe Mykosen, Aktinomykose, Nokardiosen zu denken [3]. Die klare Abgrenzung zum Pyoderma gangraenosum ist schwierig und im Einzelfall nicht immer möglich.

Literatur

1 Armbruster M, Schimmer M, Sander CA. Chronisch vegetierende Pyodermie Typ Azúa bei Plasmozytom Typ IgA/kappa. J Dtsch Derm Ges 2007; 5: 89

2 Carrera C, Mascaró JM Jr, Moreno-Romero JA, Iranzo P, Palou J, Zamora E, Herrero C. Pyoderma vegetans associated with severe psoriatic arthritis: good response to etanercept. Dermatology 2007; 214: 77 - 81

3 Dissemond J, Körber A, Grabbe S. Differentialdiagnosen des Ulcus cruris. J Dtsch Derm Ges 2006; 4: 627 - 634

Prof. Dr. Uwe Wollina

Klinik für Dermatologie und Allergologie am Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt

Städtisches Klinikum

Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden

Friedrichstraße 41

01067 Dresden

Email: wollina-uw@khdf.de

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