Zusammenfassung
Die vorliegende Studie beschreibt Eigenheiten des zeitlichen Ablaufs der vestibulären
Kompensation am Menschen. An 55 Patienten mit akut aufgetretenen Schwindelbeschwerden
wurden aus mehr als 450 Vestibularis-Untersuchungen mit zahlreichen Untertests, wie
Prüfung auf Spontan-, Lage- und Lagerungsnystagmus unter der Frenzelbrille, Drehpendel-
und thermiher Prüfung unter elektronystagmographischer Registrierung sowie Unterberger-Tretversuch,
definierte und quantifizierbare Befundparameter erhoben. Unter Einsatz elektronischer
Datenverarbeitung wurden Individualverläufe ermittelt, in ihrem zeitlichen Verlauf
dokumentiert und graphisch dargestellt, so dass der Einfluß der Kompensation auf die
untersuchten Merkmale intraindividuell und interindividuell abgeschätzt werden konnte.
Auffallend war bei 71% der 55 Patienten eine mehrfache Richtungsänderung der Untersuchungsbefunde.
So wechselten Spontannystagmus, Seitendifferenz und Richtungsüberwiegen der thermisch
induzierten Nystagmen, Drehtendenz im Unterberger-Tretversuch sowie Ergebnis der Drehpendelprüfung
im Kompensationsverlauf mehrfach ihr Überwiegen von rechts nach links und umgekehrt.
Ein stereotyper Zeitablauf der vestibulären Kompensation war aus den vorliegenden
Daten nicht ersichtlich. Die gewonnenen Untersuchungsdaten dienen als Grundlage für
die quantitative klinische Vestibularisdiagnostik bei Patienten mit akuten Schwindelbeschwerden.
Die Ergebnisse sind für die topische Zuordnung von Vestibularisaffektionen vor allem
bei der Indikation zur operativen Therapie am Labyrinth entscheidend. Ein abgestufter
Zeitplan für Verlaufskontrollen bei Vestibularis-Funktionsstörungen wird vorgestellt.
Summary
This study discusses early vestibular compensation in man. Fifty-five patients suffering
from acute vestibular lesions were clinically followed up over six months. More than
450 examinations were carried out, using several subtests such as observation of spontaneous,
position, and positional nystagmus with Frenzel's glasses, and registrations of pendular
rotation test and bilateral bithermal calorics using electrooculography. The results
were calculated and recorded on graphs to permit estimation of the influence of vestibular
compensation on the features examined. In 71%, i.e., in 39 of the 55 patients, the
side of hypoexcitability, the direction of spontaneous nystagmus, direction of preponderance,
and deviation in Unterberger's stepping test changed from left to right and vice versa
during compensation. It was not possible to discover a homogeneous time-course of
compensation. The results have to be considered with respect to the evaluation of
vestibular findings, especially in preoperative examinations to locate vestibular
disturbances. The article proposes a graduated time schedule for follow-up examinations.