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DOI: 10.1055/s-2007-999092
Prosodische Störungen bei neurologischen Erkrankungen - eine Literaturübersicht
Disturbances of Speech Prosody in Neurological Diseases - A ReviewPublication History
Publication Date:
09 January 2008 (online)

Abstract
The prosodic quality of speech comprises intonation, accent pattern, and rhythm. Among others, these dimensions contribute to the linguistic structure of an utterance and subserve emotional behaviour. Both cortical and subcortical dysfunctions can give rise to impaired speech prosody. The present paper reviews the clinical and linguistic features of the various dys- and aprosodic syndromes as well as their neuroanatomic substrates.
1. Sporadically, lesions of the left hemisphere present with dysprosody in terms of
a ''foreign accent''. In most instances this syndrome seems to be due to apraxia of
speech.
2. Some authors consider dysprosodic speech a characteristic feature of Broca 's aphasia.
The dysprosody of these patients predominantly reflects disturbed temporal organisation
of speech utterances. Altered intonation contours, presumably, result from disordered
sentence planning rather than from deficits of pitch processing. Wernicke aphasics
may show increased variability of intonational patterns.
3. Impaired discrimination and identification of affective prosody has been observed
in patients with temporoparietal lesion of the right hemisphere ("auditory affective
agnosia"). With respect to linguistic prosody, controversial findings are reported
on. Besides pitch extraction from acoustic signals the right hemisphere seems to provide
categorical representations of emotional behaviour required for the "Interpretation"
of perceived Intonation.
4. Damage to the right hemisphere can give rise to monotonous speech devoid of affective
modulation ("motor aprosodia"). It is unsettled to which extent linguistic suprasegmental
features are also distorted. The available data indicate an underlying dysfunction
of basal ganglia loops and/or transcallosal projections.
5. Both Parkinson's and Huntington's disease may present with reduced prosodic modulation
of speech. Probably, these deficits reflect disordered motor control of articulatory
and phonatory functions. At least with respect to Parkinsonian patients perceptual
and acoustic studies have so far failed to provide sufficient evidence of impaired
prosodic planning.
Zusammenfassung
Unter dem Begriff ,,Prosodie" werden Intonation, Akzentuierung und Rhythmus sprachlicher Äußerungen zusammengefaßt. Prosodische Komponenten können u. a. linguistische Information vermitteln (linguistische Prosodie), z. B. Wort- und Satzakzent indizieren, als auch Stimmungen zum Ausdruck bringen (affektive Prosodie). Veränderungen der Prosodie (Dysprosodie, Aprosodie) wurden bei kortikalen und subkortikalen Dysfunktionen beschrieben. Der vorliegende Literaturüberblick soll die klinischen und linguistischen Merkmale der verschiedenen dys-bzw. aprosodischen Syndrome darstellen und die für die Verarbeitung prosodischer Merkmale relevanten neuroanatomischen Strukturen herausarbeiten.
1. Insbesondere nach einer Läsion der vorderen Sprechzentren ist gelegentlich ein
"foreign accent Syndrome" zu beobachten, gekennzeichnet u. a. durch Artikulationsstörungen
und ein verändertes Intonationsmuster. In den meisten Fällen dürfte es sich um eine
in Rückbildung befindliche bzw. residuale Sprechapraxie handeln.
2. Manche Autoren zählen eine dysprosodische Sprechweise zu den charakteristischen
Merkmalen der Broca-Aphasie. Die Dysprosodie dieser Patienten ist wohl in erster Linie
durch Veränderungen der Zeitstruktur sprachlicher Äußerungen bedingt. Abweichungen
der Intonation lassen sich, zumindest teilweise, als eine Folge gestörter Satzplanung
deuten. Bei Wernicke-Aphasikern wurde eine erhöhte Variabilität der Grundfrequenzbewegung
beschrieben.
3. Temporoparietale Läsionen rechts können mit einer Beeinträchtigung von Diskrimination
und Identifikation affektiver Prosodie einhergehen ("auditory affective agnosia"),
Somit scheint der rechten Hemisphäre eine wesentliche Rolle bei der Verarbeitung affektiv-prosodischer
Merkmale zuzukommen. Möglicherweise ,,verwaltet" diese Hirnhälfte die zur Identifikation
der affektiven Tönung sprachlicher Äußerungen erforderlichen Repräsentationen emotionalen
Ausdrucksverhaltens. Hinsichtlich des Beitrags der rechten Hemisphäre zur Perzeption
linguistischer Prosodie liegen uneinheitliche Befunde vor.
4. Rechtshemisphärische Schädigungen können eine monotone Sprechweise hervorrufen
(,,motorische Aprosodie"). Noch nicht ausreichend geklärt ist, inwieweit in diesem
Zusammenhang neben einer fehlenden affektiv-prosodischen Modulation die Implementierung
linguistisch relevanter suprasegmentaler Merkmale mitbetroffen ist. Die vorliegenden
Untersuchungen lassen sich dahingehend deuten, daß einerseits Bahnen vom anterioren
Zingulum zu den Basalganglien und andererseits transkallosale Projektionen temporoparietaler
Strukturen für die affektiv-prosodische Ausgestaltung sprachlicher Äußerungen von
Bedeutung sind.
5. Die prosodischen Auffälligkeiten im Rahmen von Basalgangliendysfunktionen sind
am ehesten auf Defizite der motorischen Kontrolle artikulatorischer und phonatorischer
Leistungen zurückzufuhren. Wahrnehmungsexperimente und akustische Analysen ergaben
zumindest im Falle des Parkinsonsyndroms keine sicheren Hinweise auf eine Beeinträchtigung
der kognitiven Verarbeitung, d. h. der Planung prosodischer Merkmale.