Fortschr Neurol Psychiatr 1992; 60(1): 8-16
DOI: 10.1055/s-2007-999120
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Östradiol hemmt Dopamin-vermittelte Verhaltensweisen bei Ratten - ein Tiermodell zur Untersuchung der geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Schizophrenie

Oestradiol Inhibits Dopamine-Mediated Behaviour in Rats - An Animal Model to Examine Sex-Specific Differences in SchizophreniaW. F. Gattaz1 , St.  Behrens1 , J.  De Vry2 , H.  Häfner1
  • 1Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim
  • 2Neurobiologische Forschung der Troponwerke GmbH & Co. KG, Köln
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Publication Date:
10 January 2008 (online)

Abstract

We found in a representative sample of 392 first hospital admissions for schizophrenia a higher mean age at onset in females by 3.2 to 3.9 years, whereas the lifetime risk was equal for both sexes. In males the rates of onset show a steep increase reaching the maximum value in the age group 15-24 years, followed then by a steady decrease. Females reach the first peak with a clear delay between 20 and 29 years. After the decrease a second smaller peak is observed consistently in females within the age group 45-49 years and over. After having excluded alternative explanations for this gender differences (for example, diagnosis artefacts, sociocultural factors), we hypothesized that the effect of oestradiol on the dopaminergic system enhances the vulnerability threshold for schizophrenia, which is lowered again during the menopause. Alternatively we assumed that testosterone reduces the vulnerability threshold and thus furthers the earlier onset of schizophrenia in males. We tested these hypotheses in animal models by investigating the effects of the gonadal hormones on haloperidol-induced catalepsy and on apomorphine-induced stereotypies in both neonatal and adult rats. Testosterone, showed no clear influence on the tested doparmne-mediated behaviour. Oestradiol caused a significant reduction on both dopamineagonist and dopamine-antagonist induced behaviour. These effects were stronger in neonatal animals. Since oestradiol caused a 2.8-fold reduction of dopamine receptor affinity for sulpiride, we assumed that the behavioural changes caused by oestradiol were accounted for by a down-regulation of the dopaminergic system. The results from our animal experiments suggest that in schizophrenia the higher age at onset and the second peak of onset after menopause in females may be due to functional and possibly also to structural effects of oestrogens on the dopaminergic system.

Zusammenfassung

An einer repräsentativen Population von 392 erstaufgenommenen Schizophrenen wird zunächst auf der epidemiologischen Ebene gezeigt, daß Männer bei gleicher Lebenszeitprävalenz im Mittel 3,2 bis 3,9 Jahre früher erkranken als Frauen. Der Anstieg der Ersterkrankungsraten mit dem Alter erfolgt bei Frauen im Vergleich zu Männern bereits vor und während der Geschlechtsreife verzögert, Beim männlichen Geschlecht sinken die Ersterkrankungsraten nach frühem Anstieg zum Höhepunkt zwischen 15 und 24 Jahren monoton bis zu Werten nahe Null ab, während Frauen einen späteren ersten Gipfel zwischen 20 und 29 Jahren und von der Altersgruppe 45-49 an einen stabilen, aber rasch wieder absinkenden zweiten Altersgipfel zeigen. Nach Ausschluß von Selektions- und Diagnosenartefakten und von soziokulturellen Erklärungen nahmen wir an, Östradiol führe durch seine Wirkung auf das dopaminerge System zu einer Erhöhung der Vulnerabilitätsschwelle, die in der Menopause wieder absinke. Als Alternativhypothese vermuteten wir, Testosteron senke die Vulnerabilitätsschwelle und begünstige so die vergleichsweise frühere Manifestation der Psychose bei Männern. Zur Prüfung der Hypothesen verwendeten wir Tiermodelle, in denen der Einfluß der Geschlechtshormone sowohl auf durch Dopaminantagonisten induziertes Verhalten (Haloperidol-induzierte Katalepsie) als auch auf durch Dopaminagonisten induziertes Verhalten (Apomorphin-induzierte Stereotypie) bei neonatal und adult behandelten Ratten untersucht wurde. Das Testosteron zeigte hierbei keinen eindeutigen Einfluß auf die induzierten Verhaltensweisen. Östradiol reduzierte signifikant sowohl die durch Haloperidol als auch die durch Apomorphin induzierten Verhaltensweisen, wobei diese Effekte bei den neonatal behandelten Ratten stärker ausgeprägt waren. Da Östradiol zu einer 2,8fachen Erniedrigung der DA-Rezeptoraffinität für Sulpirid führte, läßt sich vermuten, daß die durch Östradiol hervorgerufenen Verhaltensänderungen durch eine Herunterregulation des DA-Systems determiniert sind. Unsere Versuchsergebnisse legen nahe, daß Östradiol durch die Herunterregulation des dopaminergen Systems als ein möglicher schützender Faktor gegen die schizophrene Psychose wirken könnte. Solch ein Mechanismus könnte zur Erklärung der späteren Manifestation der schizophrenen Ersterkrankung bei weiblichen Patienten beitragen.

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