Rofo 2008; 180(7): 667-669
DOI: 10.1055/s-2008-1027403
Der interessante Fall

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Symptomatische endovaskuläre Aortenmetastase eines Mammakarzinoms - Therapie mittels Stentgrafting

M. Müller, M. Lachat, T. Pfammatter
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eingereicht: 7.2.2008

angenommen: 2.4.2008

Publication Date:
24 April 2008 (online)

Endovaskuläre Metastasen oder Metastasen in Arterienwänden sind sehr selten, vor allem in der Aorta stellen sie wegen der hohen Flussgeschwindigkeit eine Rarität dar.

Eine 71-jährige Patientin wurde wegen progredienter Verkürzung der Gehstrecke zur weiteren Abklärung zugewiesen. Unter Vollantikoagulation aufgetretene rezidivierende thromboembolische Verschlüsse der A. femorales superficiales und popliteae beidseits waren jeweils mit lokaler Aspiration und Thrombolyse behandelt worden, was aber nur zu einem kurzfristigen Erfolg mit einem erneuten Verschluss innert kurzer Zeit führte. Vor 5 Jahren war bei der Patientin ein invasiv-lobuläres Karzinom der rechten Brust (pT2 pN0 G 2) mit Quadrantektomie, Radiotherapie und Chemotherapie behandelt worden, bis anhin bildgebend ohne Hinweis auf Rezidiv.

Eine thorakoabdominale CT-Angiografie mit einem Dual-Source-Gerät (Somatom Definition, Siemens AG, Erlangen DE) und mit 150 mL eines nichtionischen iodhaltigen Kontrastmittels mit 270 mg I/ml (Visipaque 270®, GE Healthcare AG, Wädenswil ZH) mit einer Zeitverzögerung von 10 s und einem Fluss von 4 mL/min zeigte einen großen irregulär konfigurierten flottierenden Thrombus in der distalen thorakalen Aorta mit einer Einengung des durchflossenen Lumens von ca. 75 % sowie einen weiteren Thrombus in der abdominalen Aorta oberhalb der Aortenbifurkation ([Abb. 1]). Außerdem zeigten sich Thromben in den Aa. iliacae internae bds. mit konsekutivem Verschluss des linken und subtotaler Stenose des rechten Gefäßes sowie bilaterale thromboembolische Verschlüsse der Poplitealgefäße.

Abb. 1 Die curved-MPR der thorakalen Aorta descendens basierend auf DSCT-Daten zeigt die volle Ausdehnung des irregulären Thrombus (Stern) und einen zweiten Thrombus unmittelbar oberhalb der Aortenbifurkation (Pfeil).

Zur Exklusion der stenosiernden aortalen Emboliequelle wurde ein thorakaler selbstexpandierender Stentgraft (GoreTAG 28 mm/ 15 cm prosthesis; WL Gore Inc, Flagstaff, AZ; [Abb. 2] [3]) gewählt, der sich in Sekundenschnelle von zentral her hin zu den den beiden Enden entfaltet, sodass das Risiko einer periinterventionellen Embolie minimiert werden konnte. Um bei diesem ausgedehnten Thrombus eine ausreichende Abdeckung zu erreichen, erachteten wir die gewählte Länge als geeignet. Die Intervention wurde mit der im Hause üblichen Technik in lokaler Anästhesie (Arteriotomie der A. femoralis communis sinstra zur Einführung der 20 F-Schleuse) durchgeführt. Bei der Intervention bestand das Risiko einer Embolisation von Material auch aus dem Thrombus oberhalb der Aortenbifurkation. Klinisch kam es nach der Intervention zu keiner Verschlechterung der Extremitätenischämie und im Anschluss wurde wie geplant eine bilaterale perkutane lokale Thrombolyse und Aspirationsthrombektomie der Poplitealgefäße durchgefürt. Allfällige embolische Komplikationen der thoraklaen Endoprotheseneinlage hätten also gleichzeitig behandelt werden können. Nach der Intervention wurde die schon vorher etablierte Antikoagulation mit Phenoprocoumon (Marcoumar®, Ziel-INR 2 - 3) und 100 mg Acetylsalicylsäure/d weitergeführt. Die histologische Aufarbeitung des aspirierten poplitealen Thrombusmaterials zeigte überraschenderweise östrogenrezeptor-positive maligne Zellen, entsprechend einem Tumorembolus. Ein anschließend durchgeführtes 18FDG-PET zeigte eine isolierte Anreicherung im Thrombus in der thorakalen Aorta ([Abb. 4]), ansonsten keine weiteren malignitätssuspekten Läsionen. In Korrelation mit der erhöhten 18FDG-Aktivität wurde die Diagnose einer endovaskulären Metastase in der thorakalen Aorta gestellt. Im Verlauf nahmen die peripheren Ischämiesymptome deutlich ab. Komplikationen traten nicht auf. In der Folge wurde eine palliative Chemotherapie mit einem Aromatasehemmer (Arimidex®) begonnen, die Antikoagulation blieb unverändert. Bisher (6 Monate) traten keine weiteren thromboembolischen Gefäßverschlüsse oder Tumormanifestationen auf.

Abb. 2 Die pa-21° LAO DSA-Aufnahme zeigt die über der thrombosierten Läsion (Stern) zentrierte Position des Stentgrafts (Pfeile) vor der Expansion.

Abb. 3 Die pa-21° LAO Durchleuchtungskontrolle nach Expansion zeigt den Stentgraft (Pfeile) über der thrombotischen Läsion zentriert mit einer leichten Eindellung am Ort der Läsion (Stern).

Abb. 4 Der axiale 18FDG-PET-Schnitt zeigt eine isolierte starke Anreicherung im Thrombusmaterial dorsal des expandierten Stents (Pfeil).

90 % der Mammakarzinommetastasen finden sich in Lunge, Leber, Knochen, Nebennieren, Haut und ZNS (Amer MH., J Surg Oncol 1982; 19: 101). Eine Per-continuitatem-Infiltration der Aorta kann durch Lungenmetastasen eines Mammakarzinoms erfolgen (Klepetko W et al., Ann Thorac Surg 1999; 67: 340). Bis jetzt wurde erst ein Fall einer endovaskulären Mammakarzinommetastase post mortem beschrieben (Giagounidis AN et al., Onkologie 2005; 28: 369). Im vorgestellten Fall war die Diagnose unerwartet und konnte erst nach der histologischen Untersuchung in Zusammenschau mit der PET-Untersuchung gestellt werden. Endovaskuläre Tumormanifestationen sollten bei Kontrastmittel- oder 18FDG-anreichernden endovaskulären Läsionen in die Differenzialdiagnose miteinbezogen werden, insbesondere wenn klinisch Zeichen rezidivierender Embolien vorliegen. Endovaskuläre oder Gefäßwandmetastasen führen zu einer exzessiven lokalen Thrombosierung und gleichzeitig zu einer Schwächung der Wand und erhöhen somit das Risiko sowohl für eine Stenose als auch für eine Ruptur. Eine potenziell kurative chirurgische Resektion wurde bei selektierten Patienten mit isolierten endovaskulären Melanommetastasen in der V. cava superior beschrieben (Blanco P et al., Dermatology 1999; 199: 156); Untersuchungen zum Einsatz von Stentgrafts fehlen bisher. Eine endovaskuläre Therapie mittels Stentgrafting kann sowohl die Stenose als auch die Rupturgefahr vermindern und ist mit einem geringen Interventionsrisiko behaftet (Chu MW et al., Vasc Endovasc Surg 2007; 41: 186).

Dr. Mathias Andreas Müller

Universitätsspital Zürich

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