Zeitschrift für Phytotherapie 2007; 28(6): 263-264
DOI: 10.1055/s-2008-1032213
Gasteditorial

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Kooperation Phytopharmaka - ein Erfolgsmodell wird 25 Jahre alt

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Publication Date:
18 June 2008 (online)

Man kann sich die dramatische Situation der Phytopharmaka in der Zeit ab etwa 1975 heute nicht mehr vorstellen. Die EG verlangte, dass alle Arzneimittel individuell ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand nachweisen müssen, auch die »Altpräparate«. Die Forderung nach Studien für jedes einzelne Präparat drohte. Das neue Arzneimittelgesetz von 1976 war schon ein Erfolg politischer Überzeugungsarbeit. Um das Unmögliche möglich zu machen, hatte man sich politisch auf ein Verfahren geeinigt: Aufbereitung und Nachzulassung. Denn gerade für Phytopräparate der überwiegend mittelständisch strukturierten Hersteller gab es in vielen Fällen keine umfassenden Dokumentationen für Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der entsprechenden Präparate. Mit Aufbereitung und Nachzulassung nach dem Vorbild des AMG 1976 wurde auf gesetzgeberischer, regulativer Seite der Kooperationsgedanke geboren. Aufbereitung war die Bündelung aller Erkenntnisse in einer Aufbereitungsmonographie. Entsprechende Präparate sollten dann in der Nachzulassung am Raster der Monographie gemessen werden - individuelle Dokumentationen für Wirksamkeit und Unbedenklichkeit waren dann nicht vorzulegen (davon unberührt blieben natürlich die Unterlagen zur pharmazeutischen Qualität, die jeder Hersteller für sein jeweiliges Präparat einreichen musste). Bereits nach kurzer Zeit konnte man erkennen, dass das Bundesgesundheitsamt und die für die Aufbereitung gegründete Kommission E diese Arbeit von sich aus alleine nicht leisten konnte. Eine Initiative, die damals von Prof. Dr. Günter Vogel aus dem Hause Madaus und den Verbänden BAH, BPI und VRH mit wissenschaftlicher Unterstützung und Aufsicht durch die Gesellschaft für Phytotherapie ausging, hatte zum Ziel: Wir wollen Erkenntnismaterialien sammeln, und zwar alle verfügbaren, von unterschiedlichen Häusern, für unterschiedliche Präparate und aus unterschiedlichen Quellen, um sie zusammenzuführen, zu ordnen, vorzubewerten und zur Unterstützung der Kommission E beim Bundesgesundheitsamt einreichen.

Diese Zusammenarbeit nannten wir Kooperation Phytopharmaka. Nahezu alle Hersteller pflanzlicher Arzneimittel in Deutschland sind ihr beigetreten. Der große Enthusiasmus war auch berechtigt: Die wissenschaftlichen Erkenntnismaterialien zur Erstellung der über 300 Monographien der Kommission E kamen größtenteils oder ausschließlich von der Kooperation Phytopharmaka. Wahrlich ein Erfolgsmodell, das seinesgleichen sucht. Das besonders Faszinierende an Idee und insbesondere Ausgestaltung war: die beteiligten Mitgliedsfirmen - so unterschiedlich sie auch damals schon waren - zogen alle nicht nur an einem Strick, sondern auch in dieselbe Richtung.

1994 beendete Bundesgesundheitsminister Seehofer die Aufbereitungsarbeit, nach seinem Urteil waren »90 %« der Aufgaben erledigt. Die Zusammenarbeit war aber eingespielt, das gute Image der Kooperation war aufgebaut und ein weiterer Bedarf zur wissenschaftlichen Kooperation innerhalb der Phytohersteller war zweifellos vorhanden: Erkenntnismaterialien für Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zur Zulassung waren nötig für die weitere, noch einmal 10 Jahre dauernde Arbeit an der Nachzulassung (erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Pflicht zur Vorlage der ex-ante-Unterlagen). Und immer häufiger gab es Spezialthemen, die bearbeitet werden mussten. Die Kooperation machte also weiter, verstärkte noch ihre Anstrengungen und gründete deshalb Arbeitsgruppen. Wichtige Themen sind:

Die wertvolle Sammlung von wissenschaftlichen Erkenntnismaterialien zu Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von pflanzlichen Arzneimitteln wird nach Auswahl von Schwerpunkten systematisch aktualisiert, um sie auch weiterhin verwenden zu können. Die neue Richtlinie zur Registrierung traditioneller Arzneimittel erfordert gutachterliche Stellungnahme und Literatursammlungen zur Unbedenklichkeit traditioneller pflanzlicher Arzneimittel; dies wird in der Kooperation bearbeitet. Dazu kommen aktuelle Themen, die sowohl im Sinne wissenschaftlicher Exaktheit als auch eines angemessenen und pragmatischen Vorgehens bearbeitet werden, wie zum Beispiel Fragen der Genotoxizität und von Wechselwirkungen zwischen pflanzlichen Arzneimitteln und anderen Mitteln. Bei gemeinsamem Interesse erfolgt die Durchführung von Studien, z.B. die Äquivalenzprüfung von Sabal-Extrakten. Fragen zur Qualität und Biopharmazie. Auch das Feld der Verwendung von Pflanzenstoffen in Nahrungsergänzungsmitteln wird von der Kooperation bearbeitet, hier insbesondere im Sinne von Sicherheitsbewertungen sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe.

Der Erfolg der Kooperation Phytopharmaka hängt auch heute natürlich an der Initiative von Individuen, insbesondere am Fleiß und der Sachkunde der Mitglieder der Arbeitsgruppen. Mit großem Dank möchte ich hier stellvertretend Frau Professorin Dr. Hilke Winterhoff nennen.

Kurzum: Die Kooperation Phytopharmaka ist 25 Jahre alt, sie ist jung, dynamisch und wird mehr denn je gebraucht. Gedanken über einen Ruhestand machen wir uns dann nach 50 Jahren.

Bernd Eberwein, Bonn

Über Rückblicke und Ausblicke anlässlich des Jubiläums wird ein Supplement der Zeitschrift für Phytotherapie im Januar berichten.

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