Geburtshilfe Frauenheilkd 1983; 43: 93-98
DOI: 10.1055/s-2008-1036603
Inhalt

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Geburtshilfe bei schwerer fetaler Wachstumsretardierung

Diagnostik, Geburt und Prognose der NeugeborenenObstetrics in Severe Foetal Growth Retardation - Diagnosis, Birth and Prognosis of NewbornA. Bolte, K.-H. Schlensker, K. H. Breuker, F. Wolff
  • Universitäts-Frauenklinik Köln (Direktoren: Prof. Dr. R. Kaiser, Prof. Dr. A. Bolte)
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
19. März 2008 (online)

Zusammenfassung

Am Beispiel des Geburtengutes der Universitäts-Frauenklinik Köln der Jahrgänge 1970 bis 1982 wird über die Auswirkungen der Diagnostik bei schwerer fetaler Wachstumsretardierung (≤3. Gewichtsperzentile) auf die Geburtsleitung, die Neugeborenen und die Entwicklung der Kinder berichtet. Um die Entscheidungshilfen durch die sonografische Diagnostik der fetalen Mangelentwicklung zu ermitteln, werden die Jahrgänge 1971 bis 1975 und 1976 bis 1982 gegenübergestellt, wobei im Kollektiv 1976 bis 1982 die Ultraschallvorhersagen für die geburtshilfliche Entscheidung maßgeblich waren.

Bei etwa gleich großem Geburtengut war die Häufigkeit mit 1,58% und 1,66% schwer entwicklungsretardierter Neugeborener in beiden Zeitabschnitten vergleichbar. Die Rate der Totgeborenen mit mehr als 1000 g Geburtsgewicht nahm als Folge der pränatalen Diagnostik ab. Bei unverändert hoher Häufigkeit nicht lebensfähiger Mißbildungen nahm die perinatale Mortalität als Folge der 1976 bis 1982 häufiger lebend geborenen (24,4%), aber in der Postnatalperiode bis auf 7,3% verstorbenen Kinder mit Geburtsgewichten zwischen 500 und 1000 g scheinbar zu. Wurden aber die 1970 bis 1975 fast ausschließlich totgeborenen Feten dieser Gewichtsklasse mitberücksichtigt, waren die geburtshilflichen Resultate im zweiten Zeitabschnitt doch wesentlich optimiert. Die verbesserte Überlebensrate schwer dystropher Kinder war mitbedingt durch die wesentlich häufigere Anwendung der abdominalen Schnittentbindung (45%). Gleichzeitig wurde eine Verminderung der Asphyxierate von 59% auf 23% bei unreifen und von 16% auf 9% bei reifen dystrophen Neugeborenen beobachtet. Die neonatalen Komplikationen schwer dystropher Neugeborener nahmen mit dem unvermeidlichen Anstieg der zusätzlichen Frühgeburtlichkeit zu, ihre Mortalität und Morbidität waren weitgehend abhängig von der Qualität der Intensivbetreuung. Während der Wachstumsrückstand meist im Säuglings- und frühen Kindesalter kompensiert wurde, waren visomotorische Störungen, neurologische Auffälligkeiten, pathologische Hirnstrombilder und minimale zerebrale Dysfunktionen gegenüber reif-eutrophen Neugeborenen häufiger und bisher auch unvermeidbar. Offen blieb die Frage, wie weit der Entbindungstermin unter Inkaufnahme einer hohen Sektiorate vorverlegt werden sollte, da die Prognose des schwer dystrophen Neugeborenen mit weniger als 800 g Geburtsgewicht von zukünftigen fundierten Aussagen über Überlebensrate und Entwicklung dieser Kinder abhängig zu machen ist.

Abstract

The effects of diagnosis of severe fetal growth retardation (3rd weight percentile) on the delivery management, the neonates and the development of the babies are reported. The report is illustrated by the deliveries in the Cologne University Department of Gynecology and Obstetrics from 1970 to 1982. In order to establish the aid to diagnosis resulting from sonography of fetal retardation, the years 1971 to 1975 are contrasted with 1976 to 1982. In the group 1976 to 1982, the ultrasound predictions were major factors in making the obstetric decision.

In a roughly equally large group of patients, the incidence of neonates with severely retarded development (1.58% and 1.66%) was comparable in the two time periods. The incidence of stillbirths with more than 100 g birthweight decreased as a result of the prenatal diagnostics. With an unchanged high incidence of nonviable malformations, the perinatal mortality apparently increased as a result of the more frequent live births (24.4%). It increased in the postnatal period to 7.3% babies who died with birthweights between 500 and 100 g. However, if the fetuses which were almost exclusively stillborn from 1970 to 1975 were considered with the weight class, the obstetric results in the second period were appreciable optimized. The improved survival of severely dystrophic babies was partly due to the very much more frequent application of cesarian section (45%). At the same time, a reduction of the rate of asphyxia from 59% to 23% in immature and from 16% to 9% in mature dystrophic neonates was observed. The neonatal complications of severely dystrophic neonates increased with the unavoidable rise of the additional prematurity; their mortality and morbidity were largely dependent on the quality of the intensive care. Whereas the growth retardation was mostly compensated in babyhood and early infancy, vasomotor disorders, neurological abnormalities, pathological electroencephalograms and minimal cerebral dysfunctions were more frequent than in mature eutrophic neonates and are so far also unavoidable. The question remained open as to how far the delivery date should be brought forward with acceptance of a high rate of cesarian section, since the prognosis of the severely dystrophic neonates with a birthweight of less than 800 g depends on future well-founded appraisals of the survival rate and development of these babies.

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