Geburtshilfe Frauenheilkd 1983; 43(11): 701-709
DOI: 10.1055/s-2008-1036740
Geburtshilfe

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Pränatale und perinatale Virusinfektionen aus gynäkologisch-geburtshilflicher Sicht*

Gynaecologic and Obstetric Aspects of Prenatal and Perinatal Virus InfectionsK. Knörr
  • Ulm/Donau
* Erweiterte Fassung eines auf der Tagung der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e.V. am 25.5.1981 in München gehaltenen Referates.
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Publication Date:
19 March 2008 (online)

Zusammenfassung

Viruserkrankungen in der Schwangerschaft weisen je nach Erregerart ein unterschiedliches embryo-fetales Risiko auf. Es reicht von der hohen pränatalen Gefährdung durch Röteln- und Cytomegalie-Viren und perinatal auch durch Hepatitis-B-Viren bis zum geringen oder fehlenden Risiko bei Mumps, Masern oder Hepatitis A. Konnatale Röteln sind heute bei Beachtung aller diagnostischen und prophylaktischen Maßnahmen vermeidbar. Es muß alles getan werden, um die vollständige Immunisierung und Immunitätskontrolle aller Frauen im gestationsfähigen Alter zu erreichen.

Dagegen bestehen keine prophylaktischen Möglichkeiten zur Verhinderung einer Cytomegalie in graviditate; dies ist um so schwerwiegender, als die Häufigkeit einer prä oder perinatalen Schädigung des Kindes durch Cytomegalie-Viren auf 1 : 1000 Geburten geschätzt wird.

Den Herpes-simplex-Virusinfektionen beim Herpes genitalis müssen wir künftig mehr Aufmerksamkeit widmen: Einerseits nimmt die Infektionshäufigkeit zu; es sind vor allem junge Mütter mit Promiskuität betroffen. Andererseits haben sich die diagnostischen (Vaginalcytologie) und therapeutischen Möglichkeiten (neue antivirale Substanzen) gebessert.

Während eine Hepatitis A-Virusinfektion kein Risiko für die Fruchtentwicklung bedeutet, besteht eine Infektionsgefahr für das Kind bei einer Hepatitis B, und zwar vor allem dann, wenn die Mütter perinatal HBsAg- und HBeAg-positiv sind. In diesen Fällen ist beim Neugeborenen eine Prophylaxe mit Hepatitis B-spezifischen Hyperimmunglobulinen erforderlich. Diese Maßnahme wird sicherheitshalber auch bei den Neugeborenen HBsAg-positiver Mütter empfohlen, wenn das e-Antigen nicht nachgewiesen wird. Diese Prophylaxe senkt die Infektionsrate der Säuglinge, verhindert schwere Ver laufsformen und in den meisten Fällen die Viruspersistenz. Neuerdings können Neugeborene nach Einführung des Hepatitis B-Impfstoffes durch die gleichzeitige aktive Immunisierung noch effektiver geschützt werden. Auf die Besonderheiten der Geburtsleitung bei HBsAg-positiven Müttern und die hygienischen Maßnahmen wird hingewiesen.

Varizellen-Infektionen in der Frühschwangerschaft ber gen kein nennenswert erhöhtes Risiko für die Frucht. Jedoch ist das Kind stark gefährdet, wenn die Mutter kurz vor oder um den Zeitpunkt der Geburt an Windpocken erkrankt. In diesem Falle sind Varizellen-Hyperimmunglobulin-Gaben beim Kind notwendig.

Bei Mumps, Masern, Poliomyelitis und Influenza besteht nur eine geringe Gefährdung der Frucht; trotzdem sollten bestimmte prophylaktische Maßnahmen eingehalten werden.

Abstract

Virus infections in pregnancy cause a varying risk of embryopathy or fetopathy according to the type of causative virus. The spectrum encompasses the high prenatal risk of rubella or cytomegaly and perinatally, also hepatitis B to the low or absent risk of mumps, measles, or hepatitis A.

If all preventive and diagnostic measures are observed prenatal rubella infection can today be prevented. All women in the reproductive age group require testing of the rubella titre or rubella immunization.

Cytomegaly in pregnancy can neither be diagnosed nor prevented. This is very unfortunate since the incidence of prenatal or perinatal damage to the fetus by cytomegaly is estimated to be 1:1000 births.

More attention needs to be payed to herpes simplex type II infections during pregnancy because of its increasing frequency especially in young promiscuous mothers and because of the improved diagnosis by vaginal cytology and the improved treatment by new antiviral agents. Whereas hepatitis A poses no risk to the fetus, there is a risk of infection of the infant in cases of hepatitis B especially when the mother is perinatally HBsAg and HBeAg positive. In these cases the newborn requires preventive treatment with hepatitis B specific hyperimmunoglobulin. In HBsAg-positive mothers without e-Antigen hyperimmunoglobulin treatment of the newborn is also recommended as prophylaxis. This prophylaxis reduces the infection rate of the newborn, prevents serious manifestations of infection and prevents persistence of the virus. Prevention of infection of the newborn has recently been further improved by concomittant active immunization for hepatitis B. Isolation techniques and special considerations for the conduct of labour in HBsAg-positive mothers are mentioned.

Chickenpox infections in early pregnancy do not increase the risk for the fetus. However, the risk for the fetus is high if the mother contracts varicella just prior or during labour. In these cases the newborns require injections of varicella hyperimmunoglobulin.

Mumps, measles, poliomyelitis and influenca only cause a minor risk to the unborn. Nevertheless, certain preventive measures need to be observed.