Zeitschrift für Phytotherapie 2008; 29 - V30
DOI: 10.1055/s-2008-1047835

Arzneipflanzen und deren Zubereitungen: Woher und von wem erhalten Verbraucher und Verordner ihre Informationen?

H Schilcher 1
  • 1Immenstadt

In ihrem „Elfenbeinturm“ sitzend, wissen die wenigsten Wissenschaftler (Universitätsdozenten, Universitätskliniker, Industriepharmazeuten, wissenschaftliche Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden etc.), von wem und woher die Mehrzahl der Bevölkerung ihre Informationen über Arzneipflanzen und den daraus hergestellten Arzneimitteln erhält. Gleiches gilt für die Marketing-Abteilungen der einschlägigen Industrieunternehmen, die aufgrund unzulänglicher Publikumsbefragungen zu wissen meinen, was die Bevölkerung interessiert und bei welchen Beschwerden „man“ zu Naturheilmitteln greifen sollte.

Klinische Studien zum Nachweis der Wirksamkeit und Forderungen nach einer geeigneten pharmazeutischen Qualität als Grundvoraussetzung für eine reproduzierbare Wirksamkeit spielen leider eine untergeordnete Rolle, vielmehr scheint in vielen Fällen nur doch die Preisgestaltung das Handeln zu diktieren.

Der stagnierende Umsatz qualitativ hochwertiger Phytopharmaka in den Apotheken und der steigende Absatz von unseriös beworbenen und qualitativ minderwertigen pflanzlichen Produkten zeigt recht deutlich das Defizit einer flächendeckenden publikumsverständlichen seriösen Information mit wissenschaftlichem Hintergrund. Wenn in einer pharmazeutischen Fachzeitschrift nachzulesen ist, dass die Zeit der sog. „Kräuterweiblein“ vorbei sei, kennt der Verfasser dieses Artikels leider nicht die aktuelle Situation, denn nicht nur auf dem Land, sondern auch in den Städten empfehlen sich immer mehr nicht naturwissenschaftlich vorgebildete und mit Esoterik sympathisierende „Heilkräuter-Spezialisten“.

Es existieren zwar gewisse Unterschiede zwischen der Land- und Stadtbevölkerung, wobei bei der Stadtbevölkerung eher der Wunsch nach einer wissenschaftlich fundierten Information zu beobachten ist. Bei der Landbevölkerung steht mehr die Überlieferung der traditionellen Anwendung im Vordergrund und man steht dort jüngeren Forschungsergebnissen, wie z.B. gewissen Indikationseinschränkungen, Interaktionen, UAWs etc. eher skeptisch gegenüber.

Die Phytotherapieforschung wäre gut beraten, neuere Erkenntnisse, die aus Gründen des Verbraucherschutzes der Bevölkerung vermittelt werden müssen, sehr sensibel und unter Berücksichtigung der volksmedizinischen Anwendung zu publizieren. Ärzte, Apotheker, Universitätsdozenten etc. sollten – mehr als dies zurzeit geschieht – aus dem Elfenbeinturm herauskommen und mit allgemein verständlichen sachkundigen Informationen auf die Bevölkerung zugehen. Die Informationen über Heilkräuter und pflanzliche Arzneimittel sollten auf keinen Fall den akademisch nicht vorgebildeten „Freizeit-Kräuterspezialisten“ sowie unzulänglich ausgebildeten Marketing-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überlassen werden.

Außerdem erlaube ich mir, den Medien zu raten, ihre Beiträge vor der Veröffentlichung gründlich von einem sachkundigen Mediziner, zusammen mit einem ebensolchen Pharmazeuten redigieren zu lassen, damit die Bevölkerung ein ausgewogenes Verhältnis von tradiertem Wissen und jüngsten Forschungsergebnissen geboten bekommt.