Psychother Psychosom Med Psychol 2008; 58 - S77
DOI: 10.1055/s-2008-1061583

Psychologische und beziehungsdynamische Langzeitfolgen für Organempfänger und -spender vor und nach medizinisch gelungener Transplantation mittels Lebendorganspende–eine kritische Untersuchung

G Greif-Higer 1, P Dobe-Tauchert 2, PR Galle 3, U Eckart 4, G Otto 5, W Söllner 2, M Beutel 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Mainz
  • 2Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, Klinikum Nürnberg
  • 3I.Medizinische Klinik und Poliklinik, Universitätsklinik Mainz
  • 4Medizinische Klinik IV, Universitätsklinik Erlangen- Nürnberg
  • 5Abteilung für Transplantationschirurgie Universitätsklinik Mainz

In der Transplantationsmedizin stellt die Lebendorganspende (LOS) eine wichtige Methode dar, schwer erkrankte Patienten schnell und mit gutem Erfolg mit einem Spenderorgan zu versorgen. In den Transplantationszentren Mainz und Erlangen-Nürnberg wurden in den letzten 5 Jahren 251 Empfänger(E)-Spender(S)-Paare vor der geplanten Transplantation psychosomatisch evaluiert, bei 123 Fällen wurde eine Transplantation realisiert. Bereits in der diagnostischen Phase vor Transplantation ergaben sich in 38 E- S- Paaren (15%) Belastungen, die sich 1. durch Beziehungskonflikte, 2. Rücktritt eines Beteiligten von der Spende u.a. entwickelten und sich auf die seelische Befindlichkeit und die Beziehung der Beteiligten auswirkte. Im Langzeitverlauf ergaben sich bei 31 der E- S- Paaren trotz gelungener Transplantation 1. gravierende seelische Belastungen von Empfänger und Spender, 2. beziehungsdynamische Konflikte zwischen Empfänger und Spender und der erweiterten Familie bis hin zu aggressiven Übergriffen. 3. In einigen Fällen, bei denen E und S nach der Transplantation dauerhaft zusammenlebten, nahm das gespendete Organ im Laufe der Zeit eine bedeutende Rolle im Beziehungsgefüge ein mit erheblichen Folgeproblemen. Zusammengefasst ist bei mindestens 25% der Empfänger-Spenderpaaren mit psychologischen Konfliktlagen im Langzeitverlauf zu rechnen, die einer weiterführenden Behandlung bedürfen. Die dominierenden Befunde werden dargestellt und anhand von Fall-Vignetten exemplarisch analysiert.