Psychiatrie und Psychotherapie up2date 2008; 2(06): 365-388
DOI: 10.1055/s-2008-1067521
Schizophrenien und andere psychotische Störungen

Pharmakodynamik und klinisches Wirkprofil antipsychotischer Substanzen

Ingo Vernaleken
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Kernaussagen
  • Alle derzeit auf dem Markt befindlichen Antipsychotika weisen hinsichtlich ihres Wirkmechanismus einen D2-Rezeptor-Antagonismus auf. Die Affinität der meisten antipsychotischen Substanzen steht in einem log-linearen Verhältnis zur üblichen antipsychotischen Dosis.

  • Im Rahmen einer Schizophrenie ist der striatale dopaminerge Umsatz deutlich erhöht. Demgegenüber findet sich eine präfrontale Leistungsminderung. Einigen Hypothesen zufolge führen unterschiedliche glutamaterge Projektionen rückkoppelnd zu einer verminderten mesokortikalen dopaminergen Aktivierung und zu einer destabilisierten bzw. erhöhten mesolimbischen Aktivierung, worin ein möglicher Ansatzpunkt D2-antagonistischer, primär antipsychotischer Wirkungen liegen kann.

  • Antipsychotikainduzierte D2-Rezeptor-Besetzungen sollten bei vollen Antagonisten mindestens 60 % betragen, um eine antipsychotische Wirkung zu ermöglichen. Ab 80 %iger Rezeptorbesetzung verstärkt sich das Risiko von extrapyramidalmotorischen Nebenwirkungen.

  • Die sog. Atypika stellen keine klar definierte und einheitliche Substanzgruppe dar. Nach enger Definition ist ein Atypikum eine Substanz mit antipsychotischer Wirkung in Abwesenheit von EPMS (nur Clozapin). Alle anderen Substanzen versuchen über unterschiedliche Mechanismen, ein hinsichtlich EPMS, Kognition, Negativsymptomatik und / oder Prolaktinerhöhung verbessertes Wirkungs-Nebenwirkungs-Verhältnis zu erzielen.

  • Folgende Eigenschaften scheinen diesbezüglich hilfreich zu sein: hohes 5-HT2A- / D2-Affinitäts-Verhältnis, niedrige absolute D2-Rezeptor-Affinität, präferenziell mesolimbische Wirkung, präferenziell präsynaptische Wirkung, anticholinerge Effekte, partieller Agonismus.

  • Atypika sind hinsichtlich Wirkungen, Nebenwirkungen, Wirkmechanismen / Rezeptorprofil und klinischen Eigenschaften hoch unterschiedlich.

  • Stark in den Vordergrund der Diskussion geraten sind kardiale und metabolische Nebenwirkungen antipsychotischer Substanzen. Der unreflektierte Einsatz von Substanzen mit solchen Nebenwirkungen kann die ohnehin ungünstige Ausgangssituation bei Patienten mit einer Schizophrenie in relevanter Weise verschlechtern.

  • Die Auswahl der Substanz ist grundsätzlich in Hinblick auf das individuelle Risikoprofil des Patienten sowie dessen persönliche Präferenzen zu treffen.



Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
19. September 2008 (online)

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