Diabetologie und Stoffwechsel 2008; 3 - A258
DOI: 10.1055/s-2008-1076405

Die retrograd venöse Perfusion zur Therapie der diabetischen Gangrän

A Nour-el-Din 1, S Kommissari 1, A Konrad 1, C von Ritter 1
  • 1Kreisklinik Prien, Prien, Deutschland

Zielsetzung: Die diabetische Gangrän ist mit einer hohen Therapieresistenz gegenüber etablierten Behandlungsmethoden behaftet. Um Major Amputationen zu verhindern, wurde von uns erstmals 1998 die retrograd venöse Perfusionstherapie (RVP) eingesetzt. Die Wirksamkeit dieser Methode konnte 2002 in einer retrospektiv durchgeführten Studie belegt werden. Ziel dieser Arbeit war es nun in einer prospektiv durchgeführten Studie kontrolliert Einflussgrößen auf die Effektivität der RVP in der Behandlung der diabetischen Gangrän zu untersuchen.

Material und Methoden: Am sedierten Patienten wurde an der betroffenen Extremität über 20min eine komplette Blutsperre angelegt. Über eine Vene am Fußrücken erfolgte zu Beginn der Blutsperre eine Injektion von 100ml 0.9% NaCl mit keimspezifischen Antibiotikum, 150mg Pentoxyphyllin und 100mg Prilocain.. Zur standardisierten Erfassung und Auswertung von Daten und Bildmaterial wurde eine spezialisierte Computersoftware entwickelt. Es wurden die Wundausdehnung nach Wagner-Armstrong, Polyneuropathie, peripheren arteriellen Verschlusskrankheit sowie aktuelle Entzündungsaktivität und Blutzuckereinstellung dokumentiert und ausgewertet. Prospektiv wurden insgesamt 28 Patienten mit therapierefraktärer diabetischer Gangrän ausgewertet. Die Behandlung erfolgte in Zyklen zu je 8 RVP-Sitzungen. Bei 20 Patienten war nur ein, bei 7 zwei und bei 1 Pat. 4 Zyklen notwendig.

Ergebnisse: Die RVP erzielte bei 24 Patienten (85.7%) ein gute Abheilung der Gangrän: komplette Abheilung (n=10) bzw. oberflächliche Restwunde (n=14). Dieses Ergebnis war unabhängig von Geschlecht, Alter, Polyneuropathie sowie dem initiale Infektionsgrad. Interessanterweise waren auch die Blutzuckereinstellung (HbA1c), Wagner Stadium 1–3 sowie eine pAVK I-III ohne Einfluss auf die Effektivität der RVP. Bei 3 Patienten (10.7%) war eine Minor Amputation notwendig (2 Zehenamputationen, eine tiefe Unterschenkelamputation). Hier war eine signifikante Korrelation zur Ausdehnung der Gangrän (4B-D nach Wagner-Armstrong) sowie zu einer pAVK Grad IV nachweisbar (p<0.05, Fisher Test). Abgebrochen werden musste die Behandlung bei einem Patienten mit pAVK IV und ausgeprägter Mediasklerose wegen einem Verschluss der A. femoralis, der gefäßchirurgisch versorgt wurde. Andere Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet.

Schlussfolgerung: Die RVP-Therapie zeigt bei der Behandlung des therapierefraktären diabetischen Fußsyndroms unabhängig von Alter, Geschlecht, Polyneuropathie oder Blutzuckereinstellung eine gute Verträglichkeit und Wirksamkeit. Nur bei Patienten mit einem Wagner Stadium 4 und pAVK Grad IV wurde eine schlechte Heilungstendenz mit der Notwendigkeit von Minor Amputationen beobachtet. Major Amputationen konnten in allen Fällen verhindert werden. Die vorliegenden Daten rechtfertigen den Einsatz der RVP bei therapierefraktärer diabetischer Gangrän.