B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2008; 24(5): 179
DOI: 10.1055/s-2008-1076980
Editorial

© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

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F. Baumann
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Publication Date:
10 October 2008 (online)

Das Feld der Bewegungstherapie steht im Wandel. Denn entgegen der lange geläufigen Meinung, dass körperliche Aktivität eine nicht zu kontrollierende und damit negative Wirkung auf den an Krebs erkrankten Organismus hat, fasst zurzeit die Bewegungstherapie in der Onkologie mehr und mehr Fuß. Dies ist nicht zuletzt auf aufschlussreiche Studien zurückzuführen, die in den vergangenen Jahren generiert wurden. Aber auch die Erfahrungen im Umgang mit Tumorpatienten schenken den Therapeuten und verantwortlichen Ärzten vermehrt Klarheit darüber, dass Bewegung unter Ausschluss der Kontraindikationen immer möglich ist. Nur welche Art körperlicher Aktivitäten dies sein können, ist die notwendige Frage, und da stehen wir noch am Anfang der Wissenschaft. Vermehrt wird auch deutlich, dass nicht nur die Methode das entscheidende Kriterium ist, sondern v. a. die differenzierte Betrachtung der charakteristischen Krebserkrankung vor dem Hintergrund von mehr als 200 verschiedenen malignen Tumoren. Denn diese Entitäten mit ihren spezifischen medizinischen Therapien und Nebenwirkungen haben äußerst unterschiedliche Auswirkungen auf die Patienten. Man spricht heute in der onkologischen Medizin von „Target Therapy”, wenn eine Therapie den Tumor mit möglichst wenigen Nebenwirkungen zerstören soll. Für die Bewegungstherapie benötigen wir eine ähnliche Maxime, indem mittels körperlicher Aktivität individuell und zielgerichtet angesetzt werden muss, und zwar im bio-psycho-sozialen Kontext.

Wenn heute, nach nur zwei Jahren, bereits ein weiteres Schwerpunktheft der Bewegungstherapie bei Krebs gewidmet ist, zeugt es von der Aktualität und dem Interesse, dass dieser zweithäufigsten Todesursache gewidmet wird. Standen in der B & G-Ausgabe 5 / 2006 die Leukämie- und Lymphomerkrankungen bei Erwachsenen und Kindern im Vordergrund, liegt mit diesem Heft der Schwerpunkt bei der häufigsten Todesursache der Frau (Mammakarzinom) und dem Prostatakarzinom beim Mann. 28 % aller an bösartigen Neubildungen betroffenen Frauen erkranken an Brustkrebs, das bedeutet, dass bei jeder neunten Frau in Deutschland im Laufe ihres Lebens diese Tumorentität diagnostiziert wird. Ähnlich liegen die Verhältnisse beim Mann, bei dem mit 25 % das Prostatakarzinom dominiert.

Mit den vorliegenden Beiträgen ist es uns gelungen, Autoren zu gewinnen, die sowohl die engere Wissenschaft im Zeichen der Primär- und Tertiärprävention bei Brustkrebs (Christine Graf) als auch die Praxisrelevanz und Wirksamkeit von gezieltem Beckenbodentraining nach Prostatektomie (Birgit Schulte-Frei) berücksichtigen. Schließlich freuen wir uns über einen Praxisartikel aus unserem Nachbarland Österreich, wo Ingeborg Bort-Martin und Markus Martin bereits seit Jahren bewegungstherapeutische Erfahrungen mit inkontinenten Menschen und damit auch Patienten nach Prostatakrebs sammeln konnten.

Wir hoffen, dass wir mit dieser Beitragsauswahl dem Ruf nach Aufklärung und Neuerung aus dem Feld der onkologischen Bewegungstherapie gerecht werden, damit möglichst schnell das „Heilmittel” Bewegung so effektiv und wirksam dort genutzt werden kann, wo es notwendig ist: beim Patienten!

Ihr

Dr. Freerk Baumann