DO - Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2008; 6(02): 4-5
DOI: 10.1055/s-2008-1077202
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Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Im Gespräch mit...John Jones

Richard Weynen
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Publication Date:
29 April 2008 (online)

Wie kamen Sie zur Osteopathie?

Ich begann als Lehrer. Ursprünglich hatte ich meinen Abschluss in Theologie gemacht. Ich studierte also erst die Seele, dann den Verstand, um schließlich mit dem Unterrichten zu beginnen. Ich unterrichtete von der Grundschule bis zur Mittelstufe. In dieser Zeit passierten mir einige Dinge: Ich legte eine ziemlich üble Landung bei einem Fallschirmsprung hin. Davon bekam ich heftige Kopfschmerzen. Dann hatte ich einen Unfall. Mein Auto hatte einen Totalschaden, ich verbeulte die Tür mit meiner Schulter und flog mit dem Kopf durch die Scheibe. Ich suchte deshalb einen Chiropraktiker auf. Einiges von dem, was er mit mir machte, tat weh, aber manches half auch. So weckte er mein Interesse an Manipulationen.

Drei Jahre lang unterrichtete ich Schüler mit Lernschwierigkeiten. Einige von ihnen hatten ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom und waren hyperaktiv, etliche litten an Wahrnehmungsstörungen. So lernte ich viel über Wahrnehmung. Ich hatte genug physische Probleme, um mich auch für Untersuchungsmethoden und manuelle Behandlungen zu interessieren. Später erkrankte mein jüngerer Bruder sehr schwer. Er war über drei Wochen auf der Intensivstation und insgesamt 40 Tage im Krankenhaus. Dann wurde er entlassen, um nach einem Monat wieder eingeliefert zu werden. Das machte mich neugierig auf alles, was Medizin mit Menschen anstellt. Ich wollte aber nicht immer nur kranke Menschen behandeln, sondern mit Menschen arbeiten, die Schmerzen oder Bewegungsprobleme hatten. Das war es, was mich besonders anzog - Menschen zu helfen, ihr Potenzial auszuschöpfen.

Wie alt waren Sie damals?

Als ich 21 war, sagte mein Onkel, der ein Osteopath war - allerdings einer von den amerikanischen DOs, die nicht manuell arbeiten: „Du bist doch ein gescheiter Bursche. Hast du schon einmal daran gedacht, Arzt zu werden?” Ich lachte und sagte zu ihm, dass ich Lehrer werden wollte. Aber er hatte mich auf den Geschmack gebracht und ich begann mit dem Medizinstudium. Von meinen Kommilitonen schlug niemand die Richtung Osteopathie ein, sie wollten alle klassische Ärzte werden. Aber ich dachte, das ist eine der wichtigsten Entscheidungen in meinem Leben. Richte ich mich nach dem, was andere Menschen denken, oder folge ich dem, was mir mein Gefühl sagt? So folgte ich meinem Herzen und entschied mich für die Osteopathie. Mit der Ausbildung begann ich erst mit 32.

Wann waren Sie damit fertig?

Die theoretische Ausbildung beendete ich mit 36, dann folgten die Praxissemester am Phoenix General Hospital. Natürlich durchlief ich Fächer wie Neurologie, Chirurgie, Geburtshilfe, Hausarztwesen, Sportmedizin, Orthopädie, Innere Medizin usw. Danach begann ich zu praktizieren.

In einer Hausarztpraxis?

So etwas Ähnliches. Es war im Grunde eine Allgemeinpraxis, aber damals bezeichnete es fast jeder als Hausarztpraxis. Ich arbeitete in der Wüste von Arizona, etwa zwei Stunden westlich von Phoenix. Wir nannten es damals „mitten im Nirgendwo und einen Schritt vor der Hölle”, weil es dort so heiß werden konnte. Ich arbeitete dort für ein Jahr in einer allgemeinen Hausarztpraxis, aber eigentlich wollte ich immer osteopathisch manipulieren und so fragten mich zwei Kollegen, ob ich nicht in ihre Abteilungen wechseln wollte. Eine davon war in Kalifornien. Dort herrschte damals eine ungewöhnliche Situation, weil die Professoren mit dem Dekan gestritten hatten und gegangen waren. Und so bot mir der Dekan eine Stelle als amtierender Vorsitzender an und ich konnte mit Unterstützung das gesamte Programm neu gestalten und ganz von vorn beginnen. Ich war zehn Jahre an der Western University of Health Sciences Fachbereichsleiter und schließlich stellvertretender Dekan.

Waren Sie damals mit der manuellen Osteopathieausbildung (OMM-Ausbildung) zufrieden oder mussten Sie vieles ändern?

Ich habe mir verschiedene Leute genau angesehen. Den ursprünglichen Vorsitz hatte Viola Frymann, aber Viola und ich kannten uns damals noch nicht gut. Dafür hatte ich in Carlisle Holland einen sehr charismatischen Professor, der an den Treffen des Educational Council on Osteopathic Principles teilgenommen hatte. Der Gruppe gehörten sämtliche OMM-Vorsitzende der USA an. Er hat mir vieles beigebracht, was ich mit meinem Lehrplanwissen kombinierte, um daraus ein besseres Curriculum zu erstellen. Ich sprach auch mit Jerry Dickey, dem Vorsitzenden meiner Universität in Texas. Ich probierte zwei oder drei Jahre lang mit dem Curriculum herum, bis es in etwa dem entsprach, was ich mir vorgestellt hatte. Dann habe ich es einfach noch etwas abgerundet und es in den weiteren sieben Jahren, die ich dort verbrachte, eingesetzt.

Arbeiten Sie noch mit demselben Team?

Nein, eigentlich war ich auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Im allerersten Jahr nahm die American Osteopathic Association Kontakt zu mir auf. Ich hatte ihnen einen Brief geschrieben, in dem ich ihnen empfohlen hatte, ein Textbuch zur Osteopathie zu erstellen und sie nahmen mich in die Liste derjenigen auf, die sie als Mitherausgeber im Auge hatten. Mir schwebte nicht einfach ein Buch vor, sondern ich wollte ein Multimediaprojekt, das in eine dreidimensionale Struktur eingebettet war, die man an jeder Stelle betreten und befragen konnte. Das alles hätte sich als große Datenbank zusammen mit einer DVD digitalisieren lassen. Aber wir haben das nie umgesetzt. Stattdessen haben wir ein Buch gemacht, an dem wir sechs Jahre lang gearbeitet haben. Mein ursprünglicher Ansatz war es, ein Lehrbuch zu schaffen, stattdessen wurden die „Foundations for Osteopathic Medicine” mehr ein Nachschlagewerk. Derzeit arbeite ich mit einem meiner Studenten an einem Grundlagenbuch zur OMT, OMT-Grundlagen für Geburtshelfer und Gynäkologen.

Sind Sie berufspolitisch aktiv?

Ja, ich war 2000 und 2001 Präsident der American Academy of Osteopathy. Einer der Punkte, um die ich mich bemüht habe, war die Tatsache, dass es zwischen den diplomierten Osteopathen und den osteopathischen Ärzten Gemeinsamkeiten gibt wie Ausbildung, Terminologie und Forschung. Hier sollte kooperiert werden. Also versuchte ich diese Idee zu verbreiten. Ich traf mich z.B. mit französischen Ärzten und DOs, denn bis zu diesem Zeitpunkt hatten Erstere versucht, die DOs wegen der Ausübung medizinischer Tätigkeit ohne Approbation anzuklagen. Ich habe mich bemüht, diese Menschen an einen Tisch zu bringen, damit sie miteinander reden, und das hat mehr als einmal funktioniert. Im Laufe der Jahre hat dies zu einer viel engeren Kooperation geführt. Man muss also eine Möglichkeit der Zusammenarbeit finden. Diese Art von Themen wollte ich mit meiner Präsidentschaft verbunden wissen und fördern, wie auch die Arbeit mit der AAO, um dies zu entwickeln. Ich glaube, dass sich bis heute vieles davon erfüllt hat.

Wurden Ihre Bemühungen um eine internationale Zusammenarbeit von anderen Präsidenten aufgegriffen?

Unbedingt! Und zwar von denjenigen, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Thomas Crow war einer meiner Mitschüler. Hollis King war ein guter Freund von mir und Professor in meinem Fachbereich. Mit Michael Kuchera arbeitete ich sowohl in Kirksville als auch in zahlreichen Gremien zusammen. Jane Carreiro hat offenkundig sehr viel für die Akademie getan. Boyd Buser ist ein alter Freund von mir und war eigentlich der erste amerikanische DO, der ein internationales Forum in Atlanta organisierte. Nun stehen wir hier, nur knappe zehn Jahre später, und gewaltige Entwicklungen haben stattgefunden, und damit meine ich nicht nur die Ausbildung, sondern die Menschen sprechen miteinander und kooperieren auch in der Forschung. In Eu-ropa wird sehr viel geforscht und das In-teressante ist, dass es in den USA nie genügend Wissenschaftler gab. Heute dagegen gibt es durch einige Schulen weltweit nicht nur gute Forschung abseits der amerikanischen Schulen, sondern auch bei uns, was eine enorme Entwicklung darstellt.

Das heißt, es gibt eine internationale Forschungsarbeit?

Richtig, weil wir alles teilen, und genau das war das Ziel. Wir sollten alle dieselbe Sprache sprechen. Damit meine ich nicht Englisch, sondern Osteopathie. Wir sollten die Begriffe so definieren, dass wir genau verstehen, was ein anderer sagt. Wir arbeiten an einer internationalen Nomenklatur, damit alle Osteopathen auf der Welt die gleiche Sprache sprechen können. Wir arbeiten auch an einer einheitlichen Ausbildung und sind derzeit mit einer Arbeit über die Prinzipien der osteopathischen Ausbildung befasst. Denn ich möchte das, was ich in meiner Ausbildung selbst erfahren habe, mit meiner jahrelangen Erfahrung als Ausbilder verbinden, um es für die nächste Generation von Ausbildern in einer möglichst hilfreichen Form zusammenzufassen.

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Abb. 1
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Abb. 2 Dr. John Jones ist Professor und Lehrstuhlinhaberdes College of Osteopathic Medicine der Tuoro University, Nevada.In seiner Zeit als Präsident der American Academyof Osteopathy (AAO) setzte er sich maßgeblich für die Zusammenarbeit zwischen diplomierten und ärztlichen Osteo-pathen in Europa ein.