Phlebologie 2013; 42(06): 301-307
DOI: 10.12687/phleb2165-6-2013
Originalarbeit
Schattauer GmbH

Kompressionstherapie in der Schwangerschaft: Fluch oder Segen?

Article in several languages: deutsch | English
A. Adamczyk
1   Universitäts-Hautklinik Tübingen, Germany
,
M. Krug
1   Universitäts-Hautklinik Tübingen, Germany
,
S. Schnabl
1   Universitäts-Hautklinik Tübingen, Germany
,
H.-M. Häfner
1   Universitäts-Hautklinik Tübingen, Germany
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Eingereicht: 07 August 2013

Angenommen: 09 August 2013

Publication Date:
04 January 2018 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund: In der Schwangerschaft kommt es bedingt durch verschiedene Faktoren zur Ausbildung peripherer Ödeme im Bereich der unteren Extremität. Des Weiteren stellt die Schwangerschaft einen Risikofaktor für die Entstehung einer Varikose sowie thrombembolischer Ereignisse dar. Eine prophylaktische Versorgung schwangerer Frauen mit Kompressionsstrümpfen erfolgt häufig nur in Risikosituationen, jedoch noch nicht flächendeckend. Ziel der Studie war es, den Effekt einer optimal angepassten Kompressionstherapie im Hinblick auf die Ödemreduktion und subjektive Beschwerdesymptomatik in der Schwangerschaft zu untersuchen.

Patienten und Methoden: In einer randomisierten, prospektiven Studie wurden 21 schwangere Frauen (33,4 Jahre (SD 4,4 Jahre)) in den klinischen Stadien C0 (3), C1 (11), C2 (6) und C3 (1) untersucht. 13 Frauen erhielten eine Kompressionsstrumpfhose, 8 Frauen keine Kompression. In 4-wöchigen Abständen wurden die Patientinnen bezüglich des Beinumfanges und der Beinvolumina mittels Wasserplethysmographie und berührungsloser Image 3D untersucht. Parallel dazu wurde die Lebensqualität und subjektive Beschwerdesymptomatik mittels Patientenfragebögen evaluiert. Die digitale Photoplethysmographie, doppler- und duplexsonographische Untersuchungen der Beinvenen wurden zu Beginn, kurz vor Geburt sowie 3 Mona-te postpartal vorgenommen.

Ergebnisse: In beiden Gruppen kam es im Verlauf der Schwangerschaft zu einer linear zum Körpergewicht ansteigenden Beinvolumenzunahme. Allerdings zeigte sich in der Wasserplethysmographie ein deutlich geringerer Anstieg des Unterschenkelvolumens in der Patientengruppe mit Kompressionsstrümpfen (p<0,05). Die Lebensqualität sowie die subjektive Beschwerdesymptomatik waren bereits bei Untersuchungsbeginn in der Gruppe mit Kompressionsstrümpfen schlechter bewertet, als in der Gruppe ohne Kompressionsstrümpfe. Es zeigte sich aber im Verlauf der Schwangerschaft keine Verschlechterung, sondern eher eine Verbesserung. Dabei wurden die negativen Trageeigenschaften der Kompressionsstrümpfe als sehr gering eingestuft, was sich auch in der hohen Compliance bezüglich der Tragedauer der Strümpfe widerspiegelte.

Schlussfolgerung: Die Kompressionstherapie bei Schwangeren wird gut toleriert und wirkt einer schwangerschaftsbedingten Unterschenkelvolumenzunahme entgegen und sollte daher in die generelle Empfehlung zur Gesundheitsvorsorge bei Schwangeren aufgenommen werden.

 
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