Pneumologie 2018; 72(05): 335-336
DOI: 10.1055/a-0547-8984
Pneumo-Fokus
Sektion 3
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Arbeitsmedizin, Epidemiologie, Umwelt- und Sozialmedizin

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Publication Date:
14 May 2018 (online)

 

    Die Lungen- und Atemwegserkrankungen sind der wesentliche Berührungspunkt der Disziplinen Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin und Epidemiologie. Das Hauptziel unserer Sektion besteht deshalb darin, diese vier eigenständigen wissenschaftlichen Fachdisziplinen zusammenzuführen und im Hinblick auf das Organ Lunge im Dialog zu vereinen. Ob und in welchem Maße Luftverschmutzung in der allgemeinen Umwelt oder im Besonderen am Arbeitsplatz ursächlich für Lungen- und Atemwegserkrankungen ist, lautet eine unserer zahlreichen gemeinsamen Fragen.

    Die Diagnostik und Prävention arbeits- und umweltbedingter Erkrankungen sowie deren Versorgung, Rehabilitation und Begutachtung stehen in den Fächern im Vordergrund. Eine wesentliche Aktivität der Sektionsmitglieder ist hier die Mitwirkung an Leitlinien und Empfehlungen zu diesen Themen. Im Berufskrankheiten (BK)-Verfahren stellen diese Leitlinien und Empfehlungen die Grundlage für die Diagnostik und Beurteilung von Folgezuständen dar und dienen der Gleichbehandlung der Versicherten.

    In den kürzlich erschienenen Leitlinien zu Asthma bronchiale, COPD und Lungenkarzinom haben Herr Prof. Dr. med. X. Baur, Berlin, und Herr Prof. Dr. med. D. Nowak, München, von unserer Sektion die entsprechenden arbeits- und umweltmedizinischen Aspekte eingearbeitet und deren Bedeutung herausgestellt. Dafür ein herzliches Dankeschön der Sektion 3!

    Herr Prof. Dr. med. X. Baur, Berlin, und Herr Prof. Dr. med. D. Nowak, München, weisen in der im Oktober 2017 erschienen S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma bronchiale darauf hin, dass Asthmasymptome des Erwachsenen Anlass für eine eingehende Arbeitsanamnese sein sollten, da in 9 – 25 % der Fälle berufliche Auslöser vorliegen und deren Identifikation für die Therapie und Prävention bedeutsam ist. Es gibt über 550 verschiedene Auslöser des Berufsasthmas, wobei es sich in 2/3 der Fälle um Allergene, in 1/3 um Irritantien handelt.

    Die am 1.1. 2018 fertiggestellte S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD) enthält ein ausführliches Kapitel zu arbeitsmedizinischen Aspekten der COPD, das von Herrn Professor Dr. med. Nowak, München, erstellt wurde: „Berufliche Noxen können eine COPD verursachen, deshalb soll bei jedem Patienten mit einer COPD in der Arbeitsanamnese nach langjähriger hoher beruflicher Exposition gegenüber anorganischen Stäuben, organischen Stäuben und irritativ wirkenden Gasen, Dämpfen sowie Rauchen gefragt werden.“

    Die aktuelle Überarbeitung der S3-Leitlinie Lungenkarzinom umfasst ein ausführliches Kapitel über umwelt- und arbeitsmedizinische Risiken des Lungenkarzinoms von Herr Prof. Dr. med. D. Nowak, München: „Als erstes werden die wissenschaftlich nachgewiesenen und der Öffentlichkeit bekannten Risikofaktoren thematisiert: Rauchen, Passivrauchen, Ernährung, Radon und ionisierende Strahlung sowie partikuläre Luftverschmutzung und Dieselmotoremissionen. Anschließend folgt eine Kurzdarstellung der beruflichen Lungenkarzinogene, deren Kausalzusammenhang zum Lungenkrebs als gesichert gilt. Die berufliche Exposition gegenüber Kanzerogenen wird für ca. 9 – 15 % aller Lungenkrebsfälle verantwortlich gemacht. Die Latenzzeit liegt bei 30 bis 40 Jahren. Demzufolge ist es notwendig, bei jedem Lungenkarzinompatienten eine umfassende Arbeitsanamnese zu erheben Die Anamnese sollte chronologisch-tabellarisch erfolgen.“

    Die S2k-Leitlinie „Asbestbedingte Erkrankungen: Diagnostik und Begutachtung“ aus dem Jahr 2010 befindet sich unter Mitwirkung unserer Sektion derzeit in der Überarbeitung.

    Des Weiteren arbeiten Mitglieder unserer Sektion an der Neufassung der S2k-Leitlinie „Arbeitsplatzbezogener Inhalationstest (AIT)“ mit.

    Die „Empfehlung für die Begutachtung von Quarzstaublungenerkrankungen (Silikosen) – Bochumer Empfehlung – “ der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), an der unsere Sektion mitbeteiligt ist, steht kurz vor der Fertigstellung und wird dieses Jahr erwartet.

    Das Programm der DGUV „Früherkennung asbestverursachter Erkrankungen“, das heißt die nachgehende Vorsorge betroffener Versicherter, wird von Mitgliedern der Sektion wissenschaftlich geleitet und mitgestaltet. Durch das Angebot einer jährlichen arbeitsmedizinischen Untersuchung und Diagnostik mit einer Low-dose-Volumen HR-Computertomografie des Thorax bei Hochrisikopatienten (berufliche Asbestexposition über 10 Jahre und Rauchgewohnheit von mindestens 30 pack years) soll die Diagnostik von Lungenkarzinomen bei Hochrisiko-Patienten bereits im Frühstadium gelingen, in Anlehnung an die NSLT-Studie aus den USA (NEJM 2011).

    Die Planung und Durchführung des wissenschaftlichen Programms der Jahrestagung der DGP e. V. im März 2018 in Dresden stellten wiederum einen weiteren Schwerpunkt der Tätigkeit der Sektion dar. Das „Berufskrankheiten-Forum“ hat seine sehr erfolgreiche Tradition fortgesetzt. Neben Vorträgen zu „Aktuelles zum Frühmeldeverfahren Atemwege“ von Frau Priv. Doz. Dr. med. A. Heutelbeck, Göttingen und zu „Neuen Entwicklungen in der Begutachtung von Asbestose und Silikose“ mit ausführlichen Informationen über die aktuellen Leitlinien von Herrn Prof. Dr. med. T. Kraus, Aachen, lag dieses Jahr der Fokus auf der Diskussion über die Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts (BK-Recht). Frau Palfner, DGUV Berlin referierte über „Vorschläge der Sozialpartner in der DGUV zur Weiterentwicklung des Berufskrankheitenrechts". Wie eventuelle Änderungen des BK-Rechts von den Versicherten gesehen werden, wurde aus gewerbeärztlicher Seite von Herrn Dr. med. Frank Hittmann, Bremen, dargelegt.

    Ein besonderes Highlight in diesem Jahr war das klinische Symposium über „Kontroverse Gutachtenfälle aus der Arbeitsmedizin einschließlich TED-Abfrage“. Herr B. Bernd Mutschler, Richter am Bundessozialgericht Kassel, und Herr Prof. Dr. med. D. Nowak, München, moderierten die 4 hoch spannenden Fallvorstellungen von Frau Dr. med. U. Ochmann, München, Herrn Dr. med. A. Drews, Grimma, Frau Dr. med. N. Kotschy-Lang, Auerbach und Herrn Priv.-Doz. Dr. med. D. Koschel, Coswig aus höchstrichterlicher und medizinischer Sicht. Die große Teilnehmerzahl und die sehr lebhaften Diskussionen bestätigten wie schon vor 2 Jahren eindrucksvoll das sehr große Interesse an Gutachtenfällen aus der Praxis.

    Das 2. Klinische Symposium unserer Sektion „Fume event“ unter Vorsitz von Herrn Prof. Dr. med. Ulrich Bolm-Audorff, Wiesbaden und Dr. med. Frank Powitz, München, stellte einen weiteren Höhepunkt dar, das von sehr vielen interessierten Anwesenden verfolgt wurde. Im ersten Vortrag stellte Prof. Dr. Ing. Dieter Scholz, Hamburg, die technischen Grundlagen zur Belüftung einer Flugzeugkabine vor. Durch Öl-gelagerte Dichtungen in der Turbine kann es zu Öl-Kontaminationen im System kommen. Die Präsentationen mit weiterführenden Informationen zum Thema ist auf www.cabinair.ProfScholz.de eingestellt. Frau Priv. Doz. Dr. med. Astrid Heutelbeck, Göttingen, berichtete in ihrem Vortrag über Möglichkeiten, gesundheitliche Beeinträchtigungen durch „Fume Events“ zu objektivieren. Hierzu wurde eine spezielle Sprechstunde für „Fume Events“ eingerichtet (www.arbeitsmedizin.med.uni-goettingen.de/de/content/leistungen/188.html. Über moderne Methoden der Lungenfunktionsdiagnostik referierte Hans-Jürgen Smith, Würzburg. Bei der Evaluierung von Folgen eines Fume Events würde die Diagnostik der kleinen Atemwege im Vordergrund stehen. Während die Messung des Atemwiderstandes insbesondere die großen Atemwege widerspiegelt, werden Störungen im Bereich der kleinen Atemwege durch Veränderungen des thorakalen Gasvolumens bzw. des Gasaustausches geprägt. Abschließend stellte Dr. med. Frank van de Goot, Baarn, Niederlande, Daten zu einer möglichen Fume Event-assoziierten Pathologie dar. Er berichtete über insgesamt 5 Kasuistiken von Piloten und Kabinenpersonal, bei denen postmortal periphere Nervenentzündungen sowie lymphozytäre Myokarditiden gefunden wurden. Im Bereich der Lunge waren keine Veränderungen nachweisbar. Auf Nachfrage betonte er, dass es sich um 5 als Einzelfälle anzusprechende Todesfälle handelt.

    Sehr erfreulich waren die Sitzung freie Vorträge mit spannenden wissenschaftlichen Vorträgen und Diskussionen über „Aspekte der Arbeitsmedizin – Gesundheitsrisiken“ sowie die Posterbegehung über „Aktuelles aus der Arbeitsmedizin“.

    Im Postgraduiertenkurs Teil 1 und 2 in Zusammenarbeit mit der Deutschen Röntgengesellschaft, AG Draue: „Vernetzung Pneumologie – Arbeitsmedizin – Radiologie, ein Update“ referierten und diskutierten Experten über Aktuelles über Pneumokoniosen. Herr Prof. Dr. med. T. Kraus, Aachen, berichtete über die aktualisierte AWMF-S2k-Leitlinie Silikose. Anschließend stellten Frau Dr. med. B. Rehbock, Berlin, und Frau Priv. Doz. Dr. med. K. Hofmann-Preiß, Erlangen, die neuesten radiologischen Erkenntnisse über asbestbedingte Erkrankungen der Lunge und der Pleura sowie über berufsbedingte Tumorerkrankungen der Lunge dar. Der abschließende pathologische und radiologische Dialog von Herrn Prof. Dr. med. A. Gschwendtner, Bad Mergentheim, und Herrn Dr. med. A. Eisenkolb, Erlangen, über „Pneumokoniose – alles nur Fibrosen“ zeigte eindrucksvoll die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Am Nachmittag konnten die Teilnehmer CT-Fälle an Workstations selbst auswerten.

    Das Frühseminar in Zusammenarbeit mit der Deutschen Röntgengesellschaft, AG Draue über: „Radiologische Tumordiagnostik: Zeichen im Röntgenübersichtsbild mit Korrelation zur Computertomographie“ von Dr. med. M. Bornhof, Erlangen“ war erneut sehr gut besucht.

    Die satzungsgemäßen Neuwahlen unserer Sektionssprecher hat die Mitgliederversammlung am 16. 3. 2018 einstimmig auf das Jahr 2019 verschoben. Wir möchten Frau Dr. med. Cordula Bittner, Hamburg, die ihr Amt als stellvertretende Sektionssprecherin beendet hat, für ihr Engagement sehr herzlich danken!

    Dr. med. Nicola Kotschy-Lang, Auerbach
    Dr. med. Frank Hoffmeyer, Bochum


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