van Ingen J.
et al.
Global outbreak of severe Mycobacterium chimaera disease after cardiac surgery: a
molecular epidemiological study.
Lancet Infect Dis 2017;
17: 1033-1041
Eingehende epidemiologische Untersuchungen identifizierten als wahrscheinliche Quelle
der Erreger bestimmte Temperaturregulierungseinheiten (Heater-Cooler Unit, HCU) der
Herz-Lungen-Maschine. Diese HCUs bieten Mikroorganismen ausgezeichnete Wachstumsbedingungen,
und da sie nicht luftdicht abgeschlossen sind, können die Ventilatoren der Einheiten
erregerhaltige Aerosole in die Umgebung verbreiten. Um herauszufinden, wie die Erreger
in die HCUs gelangt sind, hat eine europäische Arbeitsgruppe eine umfangreiche Detektivarbeit
unternommen.
Dazu haben die Wissenschaftler um Jakko van Ingen Isolate von Mycobacterium chimaera
verschiedener Herkunft gewonnen:
-
von den europäischen Patienten mit Infektion nach kardiochirurgischen Eingriffen (24
Isolate von 21 Patienten),
-
von unterschiedlichen HCU-Typen in Krankenhäusern und von den Produktionsstätten von
2 Herstellern (181 Isolate),
-
Isolate von Patienten mit pulmonalen Mycobacterium-chimaera-Infektionen, ohne Beziehung
zur Kardiochirurgie,
-
Isolate aus der Umwelt in den teilnehmenden Krankenhäusern, z. B. aus Leitungswasser,
Trinkwasserspendern und der Luft, ohne Beziehung zur Kardiochirurgie, und
-
Isolate von Mycobacterium intracellulare, das genetisch Mycobacterium chimaera am
nächsten steht.
Insgesamt 250 Proben wurden dann mittels Whole Genome Sequencing analysiert und die
Ergebnisse untereinander und mit denen veröffentlichter Genome von Mycobacterium chimaera
verglichen.
Dabei fanden die Forscher 2 Hauptgruppen von Mycobacterium chimaera: Bis auf 1 Ausnahme
gehörten alle Isolate der kardiochirurgischen Patienten zur Gruppe 1 und zeigten nur
eine geringe genetische Diversität. In diese Untergruppe ließen sich auch die Ergebnisse
von 11 Patienten aus den USA einordnen, die bereits veröffentlicht waren. Und schließlich
befanden sich in dieser Gruppe die meisten Isolate von HCUs eines der beiden Hersteller
sowie 1 Isolat von einer Produktionsstätte des gleichen Herstellers. Die Isolate der
HCUs des anderen Herstellers ebenso wie die der Patienten mit pulmonalen Infektionen
unterschieden sich dagegen deutlich stärker voneinander.
Der oft schleichende Verlauf der Endokarditiden lässt es möglich erscheinen, dass
zukünftig noch weitere Infektionen diagnostiziert werden könnten – Stichtag für die
hier vorgestellten Daten war der 1. Juli 2015. Kliniker sollten bei Patienten mit
anamnestisch bekannten kardiochirurgischen Eingriffen und eingeschränktem Immunstatus
diese Möglichkeit in Betracht ziehen.
Die Ergebnisse dieser umfassenden epidemiologischen molekulargenetischen Untersuchung
lassen vermuten, dass die große Mehrzahl der Mycobacterium-chimaera-Infektionen auf
eine Verunreinigung schon bei der Herstellung der verwendeten HCUs an einem Produktionsort
zurückgeht, so die Autoren. Allerdings fanden sich auch lokale HCU-Kontaminationen,
und 1 Patient hat sich vermutlich auf diesem Weg infiziert.
Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim