Aktuelle Dermatologie 2018; 44(06): 256-259
DOI: 10.1055/a-0596-3447
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Pemphigoid gestationis

Pemphigoid gestationis
M. Chapsa
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
,
S. Heyne
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
,
S. Schneiderat
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
,
S. Beissert
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
,
C. Günther
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
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Korrespondenzadresse

Maria Chapsa
Klinik und Poliklinik für Dermatologie
Universitätsklinikum Dresden
Fetscherstr. 74
01307 Dresden

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
08. Juni 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Das Pemphigoid gestationis (PG) ist eine seltene und chronische bullöse Autoimmundermatose, die vorwiegend in der 2. Schwangerschaftshälfte oder postpartal auftritt und durch Ausbildung großer, meist erheblich juckender, entzündlicher, erythematöser Infiltrate und Blasen gekennzeichnet ist. Außerhalb der Schwangerschaft wurde die Erkrankung in Assoziation mit trophoblastischen Tumoren (Chorionkarzinom, Blasenmole) beschrieben. Wir berichten über ein Pemphigoid gestationis bei einer 30-jährigen Patientin in der 33. Schwangerschaftswoche ihrer 2. Schwangerschaft. Nach der 1. Schwangerschaft zeigte sich anamnestisch die Erstmanifestation der Erkrankung mit selbstständiger Abheilung. Bei erneuter Exazerbation in der 2. Schwangerschaft erfolgte nach Diagnosestellung die Einleitung einer topischen und systemischen Prednisolontherapie, welche eine zügige Besserung erbrachte.


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Abstract

Pemphigoid gestationis (PG) is a rare autoimmune bullous dermatosis of pregnancy, which occurs mainly either in the second half of the pregnancy or post partum. It is clinically characterised by a blistering rash, plaques and pruritus. We report a case of a 30-year-old woman in the 33. pregnancy week of her second pregnancy. After the first pregnancy the first manifestation of a blistering rash was described, which regressed after a few weeks without therapy. In the third trimester of the current pregnancy a new exacerbation of the itchy blistery rash occurred and pemphigoid gestationis was diagnosed. The patient was treated successfully with prednisone.


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Einleitung

Das Pemphigoid gestationis ist eine sehr seltene autoimmune, blasenbildende Hauterkrankung, welche in der Schwangerschaft auftritt, meist im zweiten oder dritten Trimenon [1] [2]. Sie wurde früher wegen der teils gruppierten Blasenbildung auch als Herpes gestationis bezeichnet, allerdings sind Herpes-Viren nicht an der Erkrankung beteiligt. Mit einer Inzidenz von 1/2000 – 1/50 000~60 000 Schwangerschaften pro Jahr ist die Erkrankung sehr selten [3].

Der Erkrankung liegt eine Autoantikörperbildung gegen das 180-kDa-Protein (bullöses Pemphigoid-Antigen 180, PB 180) und in etwa 20 % der Fälle gegen das 230-kDa-Protein (bullöses Pemphigoid-Antigen 230) im Bereich der Hemidesmosomen der dermoepidermalen Junktionszone [3] zugrunde.

Klinisch zeigt sich eine pralle Blasenbildung auf stark juckendem Exanthem mit gruppierten oder disseminierten, 0,2 – 4,0 cm großen, intensiv roten, urtikariellen Papeln und Plaques. Vereinzelt bilden sich kokardenförmige Formationen.


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Kasuistik

Anamnese

Wir berichten über eine 30-jährige Patientin in der 33. Schwangerschaftswoche ihrer 2. Schwangerschaft, welche seit ca. 6 Wochen beginnend an den Händen und Füßen und im Anschluss am gesamten Körper fortschreitende, stark juckende Hautveränderungen angab. Der Juckreiz entsprach 9 von 10 Punkten auf der visuellen Analogskala. Unter ambulanter Lokaltherapie mit potenten Glukokortikosteroiden Klasse III zeigte sich keine wesentliche Besserung.

Die Patientin berichtete über eine ähnliche Episode von Hautveränderungen, beginnend 2 – 3 Tage postpartal nach der 1. Schwangerschaft, die nach 6 Wochen selbstständig abheilten. Die letzte gynäkologische Untersuchung vor 2 Wochen ergab einen unauffälligen Schwangerschaftsverlauf. Bei massivem Juckreiz, hohem Leidensdruck und reduziertem Allgemeinzustand wurde die Patientin stationär in unserer Klinik unter dem Verdacht auf Erythema exsudativum multiforme aufgenommen.


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Befund

Bei der Untersuchung der Hautbefunde zeigten sich vor allen im Bereich des Stammes, des Gesäßes und des Unterarmes rechts erythematöse, konfluierend stehende Papeln und Maculae, zum Teil girlandenförmig angeordnet. Am rechten Unterarm zeigten sich ebenfalls randständige, bis zu 5 mm große Bläschen. An der Brust und am oberen Rücken befanden sich disseminierte, erythematöse Papeln ([Abb. 1]). Die Lebensqualität der Patientin war stark eingeschränkt (Dermatology Quality of Life Index: 30/30).

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Abb. 1 Es zeigen sich girlandenförmige, erythematöse Infiltrate am Abdomen und an den Extremitäten mit vorwiegend randständiger Blasenbildung.

Laborchemisch fiel eine Eosinophilie (1,84 GPt/L (Referenzbereich [RB] 0,00 – 0,49 GPt), eine Erhöhung des C-reaktiven Proteins (18,2 mg/dl [RB < 5,0 mg/dl] und der alkalischen Phosphatase: 1,87 mmol/[s*L] (RB 0,58 /1,75 mmol/[s*L]) auf. Die übrigen Blutbildparameter, Leber- und Nierenwerte waren im Normbereich. Die HLA-Typisierung zeigte das Vorliegen von HLA-DRB1*13 bei der Mutter und HLA-DR2 beim Vater.

In der indirekten Immunfluoreszenz zeigte sich nach Serumzugabe als Komplementquelle eine lineare Fluoreszenz von Antikörpern der Klasse IgG und von C3 am Blasendach der Basalmembranzone auf NaCl-separierter Spalthaut. In der direkten Immunfluoreszenz konnten lineare Komplement- (C3) und IgG-Ablagerungen an der dermoepidermalen Junktionszone nachgewiesen werden ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Direkte Immunfluoreszenz mit linearer Ablagerung von Komplement (C3) und Antikörpern der Klasse IgG an der periläsionalen Hautbiopsie der Patientin.

Die diagnostische Exzision vom Unterarm rechts wies eine subepidermal blasenbildende Dermatose mit Eosinophilen auf und war damit mit einem Pemphigoid gestationis vereinbar ([Abb. 3]).

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Abb. 3 Die Hematoxylin-Eosin-Färbung läsionaler Haut zeigt eine subepidermale Blasenbildung mit eosinophilenreichem Entzündungszellinfiltrat.

Zusammenfassend konnte aufgrund der autoimmunologischen und histologischen Untersuchung sowie des typischen klinischen Bildes die Diagnose eines Pemphigoids gestationis gestellt werden.


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Therapie und Verlauf

Nach aktueller Studienlage leiteten wir in Rücksprache mit den Gynäkologen eine Prednisolontherapie mit 20 mg/d in absteigender Dosierung in Kombination mit einer glukokortikoidhaltigen Lokaltherapie ein. Die Entbindung erfolgte in einer Klinik mit pädiatrischer Intensivversorgung auf natürlichem Weg ohne Komplikationen. Der gesunde Junge wurde normalgewichtig geboren und zeigte keine Blasenbildung. Nach Entbindung zeigte sich die Blasenbildung der Mutter komplett rückläufig und die Prednisolontherapie konnte innerhalb der nächsten drei Monate ausgeschlichen werden. Nach einem halben Jahr waren lediglich postinflammatorische Hyperpigmentierungen sichtbar.


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Diskussion

Die bullöse Dermatose Pemphigoid gestationis ist eine äußerst seltene schwangerschaftsassoziierte Autoimmunerkrankung, bei der Antikörper gegen Strukturen der Plazenta produziert werden, die mit dem BP 180 der mütterlichen Haut kreuzreagieren und schließlich zur Blasenbildung führen [1] [2] [3] [11]. Dieser Prozess wird von der abnormen Expression von HLA-Klasse II-Antigenen in der Plazenta gefördert [7]. Die Aktivierung von eosinophilen Granulozyten, die über Eotaxin-vermittelte Chemotaxis in die Haut einwandern können, unterstützt durch Sekretion gewebezerstörender Proteasen die Blasenbildung [13].

Pathogenetisch relevant scheint weiterhin eine HLA-Assoziation der Eltern zu sein. Für Mütter ist insbesondere der HLA-DRB1*03/*04-Phänotyp und im Kollektiv der Partner der HLA-DR02-Phänotyp mit einem erhöhten Risiko assoziiert, die Erkrankung zu entwickeln [3] [8] [11]. Bei dem hier vorgestellten Fall hatte der Vater den Risiko-HLA-Typ HLA-DR02. Bei der Patientin lag HLA-DRB1*13 vor. Interessanterweise wurde dieser HLA-Typ auch bei 3 Patientinnen einer Kohorte von 36 Patientinnen mit Pemphigoid gestationis nachgewiesen. Aufgrund der geringen Fallzahl zeigte sich jedoch keine Signifikanz für eine Assoziation dieses Typs mit der Erkrankung [11].

Die Erkrankung wird durch C3- und gelegentlich IgG-Ablagerungen an der dermoepidermalen Juktionszone von läsionaler, periläsionaler und normaler Haut in der direkten Immunfluoreszenz sowie Nachweis von zirkulierenden IgG1-Antikörpern mit komplementfixierenden Eigenschaften gegen ein Hemidesmosomenkomponent der Basalmembran in der indirekten Immunfluoreszenz diagnostiziert [3]. Diagnostisch wegweisend kann der Nachweis von Autoantikörpern gegen die NC16A-Domäne des BP 180 sein. Die Sensitivität des ELISA wurde mit 97 % (95 % Konfidenzintervall 83 % – 100 %) und die Spezifität mit 100 % (95 % Konfidenzintervall 93 % – 100 %) angegeben [14].

Das Pemphigoid gestationis begünstigt die Entwicklung einer Plazentainsuffizienz und kann zur Entwicklung untergewichtiger Neugeborener führen (small-for-date babies). Auch besteht eine erhöhte Frühgeburtenrate [4] [5]. Deshalb ist eine sorgfältige Schwangerschaftsüberwachung erforderlich.

Ambulante gynäkologische Mitbehandlung sowie Einbindung in einer Klinik mit Säuglingsintensiveinheit sind zu empfehlen. Bei etwa 10 % der Neugeborenen kommt es infolge passiven transplazentaren Antikörpertransfers zu milden Hautveränderungen, die innerhalb weniger Tage abklingen [3]. Das Pemphigoid gestationis neigt zu Rezidiven bei den nächsten Schwangerschaften mit üblicherweise früherem Auftreten und ansteigendem Schweregrad. Selten (5 %) kann die nächste Schwangerschaft rezidivfrei sein (“skip pregnancies”) [4].

Therapeutisch reichen zumeist lokale Glukokortikosteroide der Klasse III oder IV in Kombination mit einer mittelhoch (20 – 40 mg/d) dosierten systemischen Gabe von Prednisolonäquivalent. Wenn dies zu keiner Besserung führt, kann die Immunadsorption zu einer raschen Senkung der Autoantikörper und klinischen Besserung führen. Auch Gaben von intravenösen Immunglobulinen und Rituximab sind therapeutische Optionen, die jedoch schweren Verläufen vorbehalten bleiben [2] [3] [12].


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Maria Chapsa
Klinik und Poliklinik für Dermatologie
Universitätsklinikum Dresden
Fetscherstr. 74
01307 Dresden


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Abb. 1 Es zeigen sich girlandenförmige, erythematöse Infiltrate am Abdomen und an den Extremitäten mit vorwiegend randständiger Blasenbildung.
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Abb. 2 Direkte Immunfluoreszenz mit linearer Ablagerung von Komplement (C3) und Antikörpern der Klasse IgG an der periläsionalen Hautbiopsie der Patientin.
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Abb. 3 Die Hematoxylin-Eosin-Färbung läsionaler Haut zeigt eine subepidermale Blasenbildung mit eosinophilenreichem Entzündungszellinfiltrat.