Einleitung
Die richtige Vorgehensweise bei der Wundversorgung ist hinsichtlich der unterschiedlichen
Erscheinungsmuster nicht immer einfach. Häufig sind Wundinfektionen die Ursache für
nicht heilende Wunden. Ein gezieltes und phasengerechtes Wundmanagement, vor allem
beim Nachweis von multiresistenten Keimen, ist hier besonders wichtig. Viele Patienten
erhalten wochenlang eine falsche Antibiose, ohne dass sich klinisch eine Besserung
zeigt. Tierärzte müssen sich bemühen den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren und
auf Antibiotikaalternativen zurückzugreifen.
Wundheilung [1], [2], [3]
Die Wundheilung ist ein dynamischer Prozess, der durch verschiedene Faktoren verzögert werden kann. Der Prozess der Wundheilung
wird in 3 Phasen unterteilt ([Tab. 1]), die zeitlich ineinander übergehen. Für einen durchdachten Ansatz der Wundversorgung
ist es wichtig, die Prozesse der Wundheilung zu verstehen.
Tab. 1 Pathophysiologie der Wundheilung.
Phase
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Dauer
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pathophysiologische Vorgänge
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inflammatorische Phase
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1. – 3. Tag
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proliferative Phase
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5. – 20. Tag
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Remodeling-Phase
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20. – 365. Tag
|
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Die inflammatorische Phase stellt eine äußerst wichtige Phase der Wundheilung dar.
Sie bildet die Grundlage für die weitere Wundheilung und ist sehr anfällig für Infektionen.
Ob es zu einer Wundinfektion kommt, hängt davon ab, welche therapeutischen Maßnahmen
in dieser Phase durchgeführt werden. Ziel sollte es sein, die Wunde so schnell wie
möglich von der inflammatorischen in die proliferative Phase zu überführen, da Granulationsgewebe
eine deutlich höhere Resistenz gegenüber Infektionen aufweist ([Abb. 1]).
Abb. 1 Wunde in der proliferativen Phase. Gesundes Granulationsgewebe ist rosarot, körnig
und leicht feucht im Aussehen. Es ist aufgrund seiner ausgezeichneten Vaskularität
sehr resistent gegen Infektionen.(© Oliver Ließ, Tierklinik Ahlen)
Ob eine Wunde primär verschlossen werden kann oder sekundär heilen muss, hängt von
verschiedenen Faktoren ab:
-
Lage und Grad der Kontamination
-
Zeitraum von der Verletzung bis zur Behandlung
-
prädisponierende Faktoren des Patienten: höheres Alter, Ernährungszustand, Allgemeinerkrankungen
(maligne Tumore, Infektionskrankheiten, Allergien, Anämie, Eiweißmangel, Diabetes
mellitus), herabgesetzte Immunitätslage (FeLV, FIV), Vitaminmangel, Medikamentengabe
(Kortison, Zytostatika, Antibiotika)
Eine primäre Wundheilung ist nur in gut durchbluteten, nicht verunreinigten bzw. infizierten Wunden möglich,
wo die Wundränder glatt, spannungsfrei und nicht zu weit auseinanderliegen. Dies ist
zum Beispiel bei einem chirurgischen Schnitt der Fall. Die sekundäre Wundheilung ist bei anhaltend infizierten, schlecht durchbluteten Wunden mit großflächigem Gewebeverlust
und Persistenz von nekrotischem Gewebe zu beobachten. Zu diesen gehören beispielsweise
Verbrennungen und Bissverletzungen, deren Reparationsvorgänge deutlich mehr Zeit in
Anspruch nehmen.
Wundinfektion [3], [5], [7], [8]
Als Wundinfektion wird jede Anwesenheit von replizierenden Organismen in einer Wunde verstanden, wenngleich zwischen Kontamination, Kolonisation und Infektion
unterschieden werden muss. Als Kontamination wird die bloße Anwesenheit von Mikroorganismen an der Wundoberfläche bezeichnet.
Kontamination kann zur Kolonisation, also zur Replikation der Keime an der Wundoberfläche führen. Kolonisation führt
wiederum zur Infektion, d. h. zur Invasion und Replikation der Keime in der Tiefe der Wunde, wodurch die
charakteristischen Anzeichen einer lokalen Entzündung sichtbar werden ([Abb. 2]). Ein Bakterienwachstum von > 100 000 Organismen/g Gewebe ist notwendig, um eine
Wundinfektion zu verursachen. Im Fall einer Infektion verzögert sich der Prozess der
Wundheilung signifikant. Infizierte Wunden weisen eine verminderte Fibroblastenaktivität
auf und Bakterien produzieren Kollagenasen, wodurch die Progression zum proliferativen
Stadium verhindert wird.
Abb. 2 Wunde in der inflammatorischen Phase. Es dominieren die typischen Entzündungsanzeichen
wie vermehrte Wärme, Rötung und Schwellung im Wundbereich.(© Oliver Ließ, Tierklinik
Ahlen)
Fremdkörper und nekrotisches Gewebe in Wunden sowie die Entwicklung eines Seroms oder
Hämatoms verringern die Anzahl der für eine Infektion benötigten Bakterien. Das Risiko
einer Wundinfektion ist im gleichen Maße von der Bakterienart und deren vorhandenen Virulenzfaktoren abhängig.
Problemkeime in der Veterinärmedizin [3], [5], [7], [8]
Ein Problemkeim ist ein Bakterium, das infolge einer Resistenzentwicklung nicht mehr mit Standardantibiotika behandelt werden kann. Dazu gehören v. a. die
multiresistenten Keime, die eine Resistenz auf mindestens ein Antibiotikum in 3 oder
mehr Antibiotikaklassen aufweisen.
Die meisten Bakterien, die im Zusammenhang mit Wundinfektionen nachgewiesen werden,
sind endogenen Ursprungs und treten häufig opportunistisch auf. Andere Keime werden durch Schmier- oder Kontaktinfektionen,
Aerosole oder Vektoren (Flöhe, Zecken) übertragen.
Merke
Hygienemaßnahmen (Handschuhe tragen, sauberer Behandlungstisch etc.) spielen bei der
Vermeidung von Infektionen eine wichtige Rolle.
Die bei Weichteilverletzungen am häufigsten nachgewiesenen Bakterienspezies sind:
-
Methicillin-resistente Staphylokokken (MRSP [Abb. 3], MRSI, MRSA)
-
Pseudomonas aeruginosa
-
Pasteurella multocida
-
Acinetobacter baumannii ([Abb. 3])
Abb. 3 Infizierte Wunde mit purulent-nekrotischen Arealen im inflammatorischen Stadium.
Mischinfektion mit Methicillin-resistentem Staphylococcus pseudintermedius und Acinetobacter
baumanii.(© Oliver Ließ, Tierklinik Ahlen)
Aus Wunden mit Beteiligung des Gastrointestinaltrakts können häufig ESBL (extended
spectrum beta-lactamase)-bildende Escherichia coli isoliert werden.
Die Ausbildung von Multiresistenzen gehört zu den speziellen Eigenschaften der oben genannten Erregergruppen und ist
häufig der Grund für einen mangelnden Therapieerfolg. Bei jeder Wunde sollte eine Tupferprobe aus der Tiefe genommen und zur bakteriologischen Untersuchung und Generierung eines Resistogramms
eingeschickt werden. Diese Probenentnahme sollte gegebenenfalls wiederholt werden,
beispielsweise wenn kein Erreger nachgewiesen wurde oder bei nicht heilenden Wunden.
Multiresistente Keime
Die antibiotikaresistente Variante eines Erregers ist weder aggressiver noch virulenter
als die antibiotikaempfindliche Variante desselben Erregers. Die Sterblichkeit bei
Infektionen mit multiresistenten Keimen ist nur erhöht, weil die anfänglich kalkulierte
Therapie nicht wirksam ist und die gezielte wirksame Antibiotikatherapie erst verspätet
begonnen werden kann.
Der Abstrich sollte möglichst aus der Tiefe des entzündlichen Prozesses entnommen
werden. Oberflächliche Sekrete werden zuvor mit einem sterilen Tupfer abgewischt.
Bei einem Verdacht auf anaerobe Keime stehen spezielle Transportmedien zur Verfügung
(z. B. mit Kohlepartikeln), in die der Abstrich nach der Probenahme überführt wird.
Das Transportgefäß muss anschließend gut verschlossen werden.
Merke
Die Anfertigung eines Resistenztests ist bei allen Wundheilungsstörungen mit Verdacht
auf Anwesenheit von multiresistenten Keimen obligatorisch.
Systemische antimikrobielle Therapie und „antibiotic stewardship“ [5], [9]
Die meisten akuten Wunden benötigen keine systemische antimikrobielle Therapie. Ein lokales Wundmanagement reicht häufig aus, um eine Wundinfektion zu verhindern. Selbst bei Bissverletzungen
ist das Débridement zur Verringerung der Infektionsrate wirksamer als die Verabreichung
von antimikrobiellen Mitteln.
Merke
Eine systemische antimikrobielle Therapie sollte nur dann erfolgen, wenn eine massive
Infektion oder Anzeichen einer Septikämie vorliegen.
Antimikrobielle Stewardship-Programme (ASP) sind eine Reaktion auf die weltweite Resistenzproblematik. Sie regeln den umsichtigen und vernünftigen Gebrauch von antimikrobiellen Mitteln, um die klinische Wirksamkeit von Antibiotika zu erhalten.
Sie besagen, dass vor dem Einsatz eines Antibiotikums die Notwendigkeit genauestens abgewogen und mögliche Alternativen in Betracht gezogen werden müssen. Eine antimikrobielle Therapie sollte, wenn möglich,
nur nach vorherigem Resistenztest erfolgen, da es ansonsten infolge des indizierten Selektionsprozesses zu einer Dominanz
der resistenten Keime kommt. Die genaue Dosierung sowie der vorgegebene Zeitraum der
Verabreichung sind strikt einzuhalten und die Compliance der Besitzer ist regelmäßig
zu kontrollieren.
Offenes Wundmanagement
Beim Management von offenen Wunden ist darauf zu achten, dass stets ein feuchtes Wundmilieu vorherrscht, um die Bildung von Granulationsgewebe und die Re-Epithelisierung der
Wunde zu fördern. Studien belegen, dass hydrophile Wundauflagen den besten Einfluss
auf die Wundheilung haben, da sie die in [Tab. 1] beschriebenen Stoffwechselprozesse unterstützen [4], [5], [6].
Lavage [11], [12], [13]
Die Wundspülung ist ein wichtiger Aspekt der Wundbehandlung. Sie hilft, die bakterielle
Kontamination zu verringern und entfernt Fremdkörper sowie anderes loses Material
aus der Wunde. Die Spülung sollte mit körperwarmer Ringer-Lösung oder Polyhexaniden (Prontovet®) durchgeführt werden. Eine In-vivo-Studie konnte zeigen, dass Leitungswasser und
sterile Kochsalzlösung zytotoxisch für Fibroblasten sind [11]. Antiseptika sollten vermieden werden, da sie ebenfalls zytotoxisch für das Wundbett
sind und den Heilungsprozess behindern [12]. Außerdem konnte nachgewiesen werden, dass die Verwendung eines Antiseptikums zur
Vorbeugung einer Wundinfektion keinen signifikanten Vorteil gegenüber der Verwendung
von Ringer-Lösung/Polyhexaniden aufweist [12].
Débridement [13], [14], [15], [16], [17], [18], [19]
Unter Débridement versteht man die Sanierung des Wundbetts durch Entfernung von Fremdmaterial
und kontaminiertem oder nekrotischem Gewebe aus der Wunde. Nekrotisches Gewebe stellt
die ideale Umgebung für ein Bakterienwachstum dar und verhindert das Eindringen von
antimikrobiellen Wirkstoffen in das Gewebe. Das Débridement ist ein essenzieller Schritt
der Wundversorgung zur Reduktion der Keimlast und Förderung der Wundheilung und muss gegebenenfalls mehrmals wiederholt werden. Die besten Ergebnisse liefert
zumeist das chirurgische Débridement, da nekrotisches Material schnell und vollständig entfernt werden kann.
Folgend sollen die gängigen nicht chirurgischen Débridement-Techniken während der inflammatorischen Phase der Wundheilung vorgestellt werden.
Mechanisches Débridement (wet to dry)
Nass-zu-Trocken-Wundauflagen wurden lange zur Standardbehandlung von offenen Wunden
eingesetzt. Da es zu einer Adhäsion mit der Wundoberfläche kommt, sind sie mittlerweile
als obsolet anzusehen. In Kochsalzlösung getränkte sterile Gaze werden direkt auf
die Wundoberfläche aufgetragen und mit sekundären absorbierenden Schichten verbunden.
Totes Gewebe und Fremdkörper werden hydratisiert, in die Gaze eingezogen und beim
Verbandwechsel entfernt. Bei jedem Verbandwechsel werden neue Epithelzellen entfernt
und es bleiben Faserreste zurück. Außerdem ist der Vorgang äußerst unangenehm und
schmerzhaft für den Patienten.
Enzymatisches Débridement
Beim enzymatischen Débridement werden Agenzien wie Trypsin, Kollagenasen oder Urea
verwendet, die in der Lage sind, das nekrotische Gewebe aufzulösen. Sie brauchen jedoch
mehrere Tage um zu wirken, sind teuer, führen zur Austrocknung und sind nicht selektiv,
weshalb sie sogar schädlich für das körpereigene Gewebe sein können.
Autolytisches Débridement
Medizinischer Honig
Durch seine hyperosmotische Natur wird den Bakterien Wasser entzogen, was einen negativen
Einfluss auf deren Wachstum und Stoffwechsel hat. Gleichzeitig wird die Wundoberfläche
feucht gehalten, wodurch die Wundheilung gefördert wird. Medizinischer Honig produziert in geringen Maßen Wasserstoffperoxidasen, wodurch
Sauerstoffradikale entstehen, die schädlich für die Mikroorganismen sind. Da sich
gleichzeitig Antioxidanzien im Honig befinden, kommt es zu keiner Schädigung des körpereigenen
Gewebes. Außerdem enthält Honig Phenole und organische Säuren, die den pH-Wert in
der Wunde herabsetzen und die Bakterien in ihrer Vermehrung hemmen. Zusätzlich reduziert
es die übelriechende bakterielle Fäulnis von devitalisiertem Gewebe. Medizinischer
Honig wirkt bakteriostatisch auf alle bekannten Bakterienarten und wird v. a. in der
inflammatorischen Phase der Wundheilung eingesetzt. Um eine Kontamination mit Clostridien- und Bacillussporen zu vermeiden,
muss stets steriler medizinischer Honig verwendet werden.
Polyurethanschaum, Hydrogel, Hydrokolloid und Alginate
Die Hauptfunktion all dieser Wundauflagen besteht darin, die Wundoberfläche feucht
zu halten und das autolytische Débridement zu erleichtern, um somit die Granulationsgewebebildung
und Re-Epithelisierung zu fördern. Sie werden deshalb hauptsächlich in der proliferativen Phase der Wundheilung eingesetzt. Die Wundauflagen sind außerdem sehr saugfähig, wodurch Ödeme im Bereich
der Wunde reduziert werden. Zur Fixation der Wundauflage ist ein sekundärer Verband
notwendig, der je nach Produktivität der Wunde alle 2 – 4 Tage gewechselt werden muss.
Die Hauptfunktion des Polyurethanschaums besteht in der Absorption von überschüssigem Wundexsudat, weshalb diese Wundauflagen
v. a. bei mittel- bis hochgradig produktiven Wunden angewendet werden. Der Einsatz
bei infizierten Wunden ist kontraindiziert.
Als Hydrogele werden gelartige Wundauflagen bezeichnet, die einen hohen Wassergehalt aufweisen
und v. a. bei trockenen bis geringgradig exsudativen Wunden zum Einsatz kommen.
Hydrokolloide umfassen eine große Gruppe von Polysacchariden und Proteinen, die in Wasser als Kolloide
in Lösung gehen und bei Kontakt mit Exsudat ein (an Eiter erinnerndes) Gel bilden.
Überschüssiges Wundexsudat sowie Zelltrümmer und Keime werden aufgenommen und beim
Verbandswechsel entfernt.
Alginate sind saure Polysaccharide, die in den Zellwänden von Braunalgen gebildet werden und
einen guten wundreinigenden Effekt besitzen. Sie können ca. das 20-Fache ihres Eigengewichts
an Wundexsudat aufnehmen, weshalb sie sich hervorragend für mittel- bis hochgradig
exsudative und infizierte Wunden eignen.
Vacuum-Assisted Closure (VAC) [17], [20], [21], [22], [23]
Bei der Vakuumtherapie handelt es sich um ein nicht invasives aktives Wunddrainagesystem, welches einer Wunde lokal subatmosphären Druck aussetzt. Dadurch wird übermäßige
Flüssigkeit entzogen, die Durchblutung verbessert und die Sauerstoffspannung im Gewebe
erhöht.
In der Veterinärmedizin wird bei Wunden häufig ein kontinuierlicher Unterdruck von − 125 mmHg verwendet [23]. Das System besteht aus einer offenporigen Schaumstoffplatte aus Polyurethan und
einer Vakuumpumpe ([Abb. 4]), die mittels einer Kunststofffolie eine luftdichte Abdichtung über den gesamten
Wundbereich bildet. Die Schaumplatte dient einerseits als Plattform für die gleichmäßige
Verteilung der Vakuumkraft auf die Wundoberfläche. Andererseits zieht es die überschüssige
Flüssigkeit (Wundexsudat) in ihre Matrix, die über die Vakuumpumpe abgesaugt wird.
Die Vakuumtherapie kann bei jeder offenen infizierten Wunde angewendet werden.
Abb. 4 a Zustand 5 Tage nach operativer Versorgung einer Torsio ventriculi. Wundheilungsstörung
mit Nekrose im mittleren Bereich der Wunde (Demarkierung). b Zustand 3 Tage nach Wundrevision mit Nahtdehiszenz. Bakteriologischer Tupfer ergab
mäßigen Gehalt an Staphylococcus pseudintermedius (keine Methicillin-Resistenz). c Wunde nach chirurgischem Débridement vorbereitet zum Anlegen eines Vakuumverbands.
Die Entfernung von nekrotischem Gewebe ist notwendig, bevor diese Unterdrucksysteme
verwendet werden dürfen. d Wunde nach dem Anlegen des Vakuumverbands. Die Vakuumtherapie vermindert Ödeme, stimuliert
die Durchblutung und fördert die Granulationsgewebebildung.(© Oliver Ließ, Tierklinik
Ahlen)
Merke
Die Vakuumtherapie eignet sich für großflächige, kontaminierte Wunden (inkl. multiresistenter
Keime) an schwer zugänglichen Körperregionen, an denen herkömmliche Verbände zur Fixation
der Wundauflage nur schwer zu applizieren sind (z. B. Kopf, Rumpf, Inguinalgegend).
Der Polyurethanschaum muss alle 2 – 3 Tage unter Sedation steril ersetzt werden. Zur
Überwachung des Systems und Kontrolle des permanenten Vakuums und aufgrund der begrenzt
mobilen Vakuumpumpen sollten die Patienten stationär aufgenommen werden.
Kaltplasmatherapie [24], [25], [26], [27]
Plasma bezeichnet per physikalischer Definition den 4. Aggregatzustand der Materie
und entsteht, wenn einem Gas zusätzliche Energie zugeführt wird. Es kann als ein angeregtes
(ionisiertes) Gas verstanden werden, das aus
-
freien Ladungsträgern (Ionen, Elektronen),
-
elektromagnetischer Strahlung (UV-/Infrarot-/Wärmestrahlung),
-
elektromagnetischen Feldern und
-
reaktiven Sauerstoff- und Stickstoffspezies (z. B. Ozon, Stickstoffdioxid) besteht.
In Studien konnte nachgewiesen werden, dass die Kombination der oben genannten Komponenten
eine gleichermaßen antibakterielle, antivirale, antimykotische und antiparasitäre Wirkung besitzt. Die keimtötenden Effekte beruhen im Wesentlichen auf der Oxidation von Zellwänden
bzw. Membranbestandteilen sowie der DNS von Mikroorganismen. Multiresistente Keime
werden gleichermaßen effektiv abgetötet und Resistenzbildungen gegen die Wirkung von
Plasma konnten bislang nicht beobachtet werden.
In-vitro-Studien konnten zusätzlich die wundheilungsfördernde Wirkung von medizinisch eingesetztem Kaltplasma aufzeigen, wonach die Geweberegeneration
durch erhöhte Zellmigration und -proliferation von Fibroblasten verbessert, die Angiogenese
gefördert und gleichzeitig das Immunsystem stimuliert wird ([Abb. 5]) [25].
Abb. 5 a Zustand nach Autotrauma. Abrasionsverletzung mit Beteiligung tieferliegender Strukturen
(Ruptur des medialen Seitenbands, Gelenksbeteiligung fraglich). Wunde befindet sich
im inflammatorischen Stadium. b Zustand nach Kaltplasmatherapie (insgesamt 9 Anwendungen im Abstand von 2 – 3 Tagen).
Wunde in Abheilung mit sichtbarem Granulationsgewebe. Wachstum von Epithelzellen wird
als rosafarbener glatter Rand um die Wunde herum sichtbar.(© Oliver Ließ, Tierklinik
Ahlen)
Die Kaltplasmatherapie wird in der Veterinärmedizin vorrangig zur Behandlung von chronisch-therapieresistenten Wunden genutzt. Diese weisen häufig eine fehlgeleitete Redoxbalance in den Zellen auf, was
eine überschießende Entzündung begünstigt. Mithilfe der Kaltplasmatherapie werden
die generierten redoxaktiven Spezies gezielt lokal in das Gewebe appliziert, wodurch
die zelluläre Redoxbalance moduliert wird. Die Plasmawirkung beruht somit auf der
Unterstützung körpereigener Funktionen, die im Fall von chronischen Wunden nicht ausreichend wirksam werden ([Abb. 6]).
Abb. 6 Kaltplasmatherapie in Anwendung. Hochgradige Ulzerationen am Sohlenballen und 5.
Pfotenballen mit sekundärer Entzündung aufgrund einer medikamentös induzierten toxisch-epidermalen
Nekrolyse.(© Oliver Ließ, Tierklinik Ahlen)
Die Temperatur des medizinisch eingesetzten Plasmas liegt bei körpernahen 40 °C, wodurch
Behandlungen von Patienten sehr gut toleriert werden. Durch den leichten Vorwärtsstrom
des austretenden Plasmastrahls kann Kaltplasma auch in Wundhöhlen, beispielsweise
bei Otitiden, sehr gut eingesetzt werden.
Mikrosilber [14]
Schon seit der Antike ist die bakterizide Wirkung von Silber bekannt und wird v. a.
bei Brandwunden eingesetzt. Viele silberhaltige Auflagen geben elementares Silber an die Wunde ab oder setzen
bei Kontakt mit Exsudat Silberionen frei. Diese dringen über die Zellwand in die Mikroorganismen
ein und stören deren Zellfunktion durch Blockierung von Transportenzymen oder Beeinträchtigung
der Zellteilung durch Behinderung der DNA-Replikation. Vorteil bei der Anwendung von
Mikrosilber ist die langanhaltende Wirkung über mehrere Tage und dass bisher kaum
Resistenzentwicklungen oder Nebenwirkungen beim Patienten beobachtet werden konnten
[14].
Fazit
Das primäre Ziel des Wundmanagements besteht darin, Infektionen vorzubeugen und eine
schnellstmögliche Heilung zu bewirken. Massive Entzündungen, Infektionen oder Nekrosen
verzögern die Wundheilung und sollten daher angemessen behandelt werden. Wie im Artikel
beschrieben, existieren verschiedene Optionen zur Behandlung von offenen infizierten
Wunden. Mehrere Faktoren wie die Zeitverzögerung zwischen Verletzung und Behandlung,
der Grad der Kontamination und die Ausdehnung und Tiefe der Wunde beeinflussen die
Behandlung und Prognose und betonen die Bedeutung eines patientenspezifischen Ansatzes.
Obwohl alle traumatischen Wunden kontaminiert sind, ist eine Antibiotikatherapie nur
selten erforderlich, wenn ein korrektes Wundmanagement durchgeführt wird.