Aktuelle Dermatologie 2018; 44(08/09): 349
DOI: 10.1055/a-0603-8894
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Toleranz oral, Sensibilisierung kutan

Toleranz Orally, Sensibilization Cutaneously
C. Bayerl
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl
Klinik für Dermatologie und Allergologie, Hauttumorzentrum Wiesbaden
Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken
Ludwig-Erhard-Straße 100
65199 Wiesbaden

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Publication Date:
23 August 2018 (online)

 
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Prof. Dr. med. Christiane Bayerl

Alle Märchen beginnen mit „Es war einmal ...“. So wurden ehemals die hypoallergene Milchformula zur Prävention, späte Beikost und Meiden der hochallergenen Nahrungsmittel Milch und Ei bei Atopie-Risikokindern empfohlen. In der neuen S3-Leitlinie zur Allergieprävention findet sich jetzt statt der nutritiven Allergenvermeidung im Gegenteil die Empfehlung Toleranz zu induzieren über eine frühe Zugabe (ab 4. – 6-Monat) einer breiten Palette von Nahrungsmitteln als Beikost – von allem etwas [1]. Insbesondere der Genuss von Fisch wird explizit empfohlen und keine Diät in Schwangerschaft und Stillzeit.

Die Erdnuss ist mittlerweile vom „Buh-Mann“ der Allergologie zum „guten Freund“ avanciert [2]. Nach einer Empfehlung des National Health Institutes wird aktiv die frühe Gabe von Erdnüssen ab dem 6. Monat, aber nicht vor dem 4. Monat, empfohlen. Praktische Tipps sehen klein gemahlene Erdnüsse in Joghurt, Erdnüsse in der Suppe püriert, Erdnussbutter u. a. als Kostergänzung für Säuglinge und Kleinkinder vor. In einigen Staaten wurde sogar das Ei in die angeratene Beikost mit aufgenommen. Vollkommen gegenteilig sind die Empfehlungen zum Hautkontakt mit Erdnussprotein [3]. Bei Kindern mit schwerer atopischer Dermatitis hatten die Kinder, bei denen Erdnuss in hohen Konzentrationen im Wohnumfeld gemessen wurde, einen schweren Verlauf und ein klinisch deutlich schlechteres Bild als die Kontrollgruppe. Entsprechend wird auch bei Hochrisikokindern (atopische Eltern) eine Erdnusskarenz in der Wohnumgebung und beim Hautkontakt empfohlen [3].

Wir haben neu gelernt, dass Toleranz über die orale Aufnahme erworben wird. Eine breite Angebotspalette an Nahrungsmitteln sollte ab dem 6. Monat gegeben werden, damit sich eine Toleranz ausbilden kann. Die Sensibilisierung wird über die Haut erworben. Das ist ein Punkt, den wir mit den Familien besprechen müssen, denn dann ist das Hausmittelchen „Milch“ im Badewasser, das sogenannte Kleopatra-Bad, keine gute Option.

Immer noch offen sind die Diskussionen um Prä- und Probiotika und um die Beeinflussung des Mikrobioms der Haut bei atopischer Dermatitis. Mit einem synbiotischen Badezusatz beschäftigt sich die Arbeit Seite 368 dieses Heftes. Im Peer-Review-Verfahren der Arbeit war angemerkt worden, dass kein Scoring-System der atopischen Dermatitis verwendet wurde. Im Symposiumsbericht zur Tagung der Berliner Stiftung, Seite 390 dieses Heftes, bearbeitet Frau PD Dr. Lippert die Empfehlungen zu EASI als amerikanischen Score und SCORAD als europäischen Score. Aus Gründen der Praktikabilität und Aussagekraft empfiehlt sie: „SCORAD first !“. Die objektivierbaren Kriterien dieses Systems machen dermatologische Expertise nicht nur bei Studienplanung, sondern auch bei der Studiendurchführung notwendig. Wie vorzugehen ist, wenn sich eine Nahrungsmittelallerge trotz aller Mühen um eine frühe und bunte Nahrungsmittelpalette entwickelt hat, beschreibt der Artikel zu Nahrungsmittelprovokationen im Kindesalter, Seite 362.

Christiane Bayerl, Wiesbaden


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  • Literatur

  • 1 Schäfer T, Bauer CP, Beyer K. et al. S3-Guideline on allergy prevention: 2014 update: Guideline of the German Society for Allergology and Clinical Immunology (DGAKI) and the German Society for Pediatric and Adolescent Medicine (DGKJ). Allergo J Int 2014; 23: 186-199
  • 2 Du Toit G, Sampson HA, Plaut M. et al. Food-allergy. Update on prevention and tolerance. J Allergy Clin Immunol 2018; 141: 30-40
  • 3 Brough HA, Kull I, Richards K. et al. Environmental peanut exposure increases the risk of peanut sensitization in high risk children. Clin Exp Allergy 2018; 48: 586-593

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  • 1 Schäfer T, Bauer CP, Beyer K. et al. S3-Guideline on allergy prevention: 2014 update: Guideline of the German Society for Allergology and Clinical Immunology (DGAKI) and the German Society for Pediatric and Adolescent Medicine (DGKJ). Allergo J Int 2014; 23: 186-199
  • 2 Du Toit G, Sampson HA, Plaut M. et al. Food-allergy. Update on prevention and tolerance. J Allergy Clin Immunol 2018; 141: 30-40
  • 3 Brough HA, Kull I, Richards K. et al. Environmental peanut exposure increases the risk of peanut sensitization in high risk children. Clin Exp Allergy 2018; 48: 586-593

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