Z Gastroenterol 2018; 56(07): 858-859
DOI: 10.1055/a-0625-0279
Mitteilungen der Gastro-Liga
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Welche Änderungen ergeben sich für den Facharzt für Innere Medizin und den Schwerpunkt Gastroenterologie nach dem Ärztetag in Erfurt?

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Publication Date:
09 July 2018 (online)

Axel Holstege, Siegbert Faiss und Petra Lynen Jansen

Der Deutsche Ärztetag fand vom 8.–11. Mai in Erfurt statt. Thema war unter anderem die neue Musterweiterbildungsordnung (MWBO). Zur Abstimmung standen die Präambel, die Ziel und Zweck der fachärztlichen Weiterbildung definiert, sowie der Paragrafenteil, der die rechtlichen Vorgaben der Weiterbildung beschreibt.

Außerdem entschieden die Delegierten über die allgemeinen Inhalte der fachärztlichen Weiterbildung, also die übergreifenden Kompetenzen, die jeder Arzt erwerben muss – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung je nach Fachgebiet. Die geforderten Inhalte der Weiterbildung werden in unterschiedliche Weiterbildungsblöcke (Grundlagen, behandlungsbezogene Inhalte, etc.) gegliedert, wobei für jeden Abschnitt geforderte Kenntnisse (kognitive und Methodenkompetenz) und Handlungskompetenzen (Erfahrungen und Fertigkeiten) beschrieben werden. Kompetenz ist dabei definiert durch die während einer Facharzt-, Schwerpunkt- oder Zusatz-Weiterbildung erworbenen und nachgewiesenen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten auf der Grundlage der Weiterbildungsinhalte der Weiterbildungsordnung. Bei den Fertigkeiten wird zwischen solchen, die unter Supervision oder selbstverantwortlich durchgeführt werden können, unterschieden. Dieser vorgegebene Rahmen der Weiterbildungsordnung unter Abschnitt B wurde verabschiedet, wobei die fachspezifischen Inhalte durch die Weiterbildungsgremien der BÄK im Konvergenzverfahren mit Fachgesellschaften, Berufsverbänden und Landesärztekammern weiter gefüllt werden müssen.

Verabschiedet wurde auch der sogenannte Kopfteil von Abschnitt C der MWBO, der die Zusatz-Weiterbildungen und die dazu erforderlichen Voraussetzungen und Weiterbildungszeiten beschreibt. Nicht entschieden wurde hingegen über die Inhalte der Zusatz-Weiterbildungen. Diese soll der BÄK-Vorstand auf der Grundlage dessen beschließen, was die gleichen Weiterbildungsgremien, die für die Inhalte von Abschnitt B zuständig sind, erarbeiten.

Die Konkurrenz der Fachgesellschaften bei ähnlichen Schnittmengen der Weiterbildungsinhalte soll dadurch entschärft werden, dass über den Erwerb von Zusatz-Weiterbildungen der Zugang zu diesen Teilmengen geregelt wird. Gerade die Innere Medizin hat aufgrund der Größe des Faches viele Überschneidungen mit anderen Fachdisziplinen: Anästhesiologie, Chirurgie und Radiologie. Ähnliches gilt für den Schwerpunkt Gastroenterologie innerhalb der Inneren Medizin, wo sich Überlappungen mit der Endokrinologie, Onkologie, Infektiologie und Immunologie ergeben.

Die bisher schon angebotene Zusatz-Weiterbildung Notfallmedizin umfasst „die Erkennung drohender oder eingetretener Notfallsituationen und die Behandlung von Notfällen sowie die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung akut bedrohter Vitalfunktionen“. Sie ist auch zukünftig für Anästhesisten (60 Monate) rascher und leichter zu erwerben als z. B. für den Facharzt für Innere Medizin (72 Monate), der eine längere Weiterbildungszeit absolvieren muss.

Mit der neuen Zusatz-Weiterbildung „klinische Akut- und Notfallmedizin“ steht nun für „die Erstdiagnostik- und Initialbehandlung von Notfall- und Akutpatienten im Krankenhaus sowie die Indikationsstellung und Koordination der weiterführenden fachspezifischen Behandlung“ eine weitere Zusatz-Weiterbildung für zahlreiche Facharztrichtungen offen. Obwohl 40 – 50 % der Notfallpatienten, die eine Notaufnahme an einem Krankenhaus aufsuchen, an internistischen Krankheiten leiden, unterstellt die neue Zusatz-Weiterbildung, dass die kompetente Versorgung dieser internistischen Notfälle in verkürzter Weiterbildungszeit (24 Monate) und nach Absolvierung einer Kurs-Weiterbildung von 80 Stunden erlernt werden kann. Die fachfremde Leitung der internistischen Notaufnahme an einem Krankenhaus ist damit möglich. Ähnliches gilt schon länger für internistische Intensivstationen, die über den Erwerb der Zusatz-Weiterbildung Intensivmedizin vielen Fächern offensteht.

Kritisch ist aus Sicht der Gastroenterologie die Verabschiedung der neuen Zusatz-Weiterbildung „Immunologie“ zu sehen, über die andere Fachgebiete auch Zugang zu typischen „gastroenterologischen“ Erkrankungen, wie z. B. chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, erhalten könnten. Es bleibt abzuwarten, mit welchem Inhalt diese Zusatz-Weiterbildung gefüllt wird.

Die neu etablierte Zusatz-Weiterbildung „Transplantationsmedizin“ wird von Gastroenterologen erworben werden müssen, wenn z. B. Patienten vor und nach Lebertransplantation betreut werden sollen.

Diabetologie, Infektiologie und Geriatrie sind weitere wichtige Bereiche, die den Facharzt für Innere Medizin und auch den Schwerpunkt Gastroenterologie betreffen. Eine weitere Auftrennung der Inneren Medizin auf dem Ärztetag in Erfurt wurde vermieden, indem kein eigener Facharzt „Geriatrie“ und „Infektiologie“ zugelassen wurde. Diese Kompetenzen können über Zusatz-Weiterbildungen erworben werden, um so die Versorgung dieser meist von internistischen Krankheiten betroffenen Patienten sicherzustellen. Kritisch muss allerdings die Auswahl der Fachdisziplinen mit Zugang zu den Zusatz-Weiterbildungen Geriatrie und Infektiologie gesehen werden. So wird die Zusatzweiterbildung Infektiologie auch für nicht-klinische Fächer wie die „Mikrobiologie“ und „Hygiene“ geöffnet.

Die Zusatz-Weiterbildung Proktologie kann von Chirurgen, Gastroenterologen, Dermatologen, Gynäkologen und Urologen erworben werden. Es bleibt zu hoffen, dass dadurch die trotzdem erforderliche interdisziplinäre Betreuung dieser Patienten nicht leidet.

Während die fachgebietsbezogenen Zusatz-Weiterbildungen Röntgen und Labor zukünftig entfallen, erlaubt die Zusatz-Weiterbildung Magnetresonanztomografie auch für Gastroenterologen die Durchführung und Befundung gebietsbezogener NMR-Bilder (z. B. MRCP). Für den Gastroenterologen sind gemäß der MWBO an Laborleistungen lediglich die gebietsspezifische Point-of-Care-Diagnostik und fachspezifische Funktionsdiagnostik möglich.

Erfreulich ist, dass die Zusatz-Weiterbildung „medikamentöse Tumortherapie“ auch zukünftig fest in der Weiterbildung zum Gastroenterologen verankert ist und nicht extra erworben werden muss.

Für alle Weiterzubildenden ist zukünftig der Nachweis erlernter Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in einem elektronisch zu führenden Logbuch eine zwingende Voraussetzung. Dies bietet für alle Beteiligten, wie Weiterbilder, Weiterzubildende und Landesärztekammern, mehr Transparenz. Ob damit auch mehr Ehrlichkeit in die Zeugnisse gelangt, bleibt abzuwarten. Das Logbuch soll als zentrale und bundesweit einheitliche Anwendung den Kompetenzerwerb der Weiterzubildenden kontinuierlich und auch für die Ärztekammern nachvollziehbar abbilden.

Insgesamt ist mit der neuen MWBO ein guter Kompromiss erreicht worden, der die notwendige Abgrenzung zwischen den Fachgebieten festschreibt, aber über Zusatz-Weiterbildungen den Zugang zu neuen Teilgebieten ermöglicht. Es bleibt dennoch abzuwarten, mit welchen Inhalten Abschnitt B und C gefüllt werden.

Informationen zum Autor

Prof. Dr. med. Axel Holstege, Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie. 1978 – 1981 wissenschaftliche Tätigkeit am Biochemischen Institut der Universität Freiburg. Facharztausbildung und Habilitation am Universitätsklinikum Freiburg. Ab 1991 leitender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin 1, Universitätsklinikum Regensburg. 1997 – 2016 Chefarzt der Medizinischen Klinik 1 und später auch ärztlicher Direktor am Klinikum Landshut. Beratend tätig in der Weiterbildungskommission der DGVS und kooptiertes Mitglied des Vorstandes der Gastro-Liga, Delegierter des Landesverbandes Bayern im BDI und Mitglied der Ethikkommission der Ludwig-Maximilian-Universität München.

Prof. Dr. Axel Holstege
Am Vogelherd 34
84028 Landshut

Informationen zum Autor

Prof. Dr. med. Siegbert Faiss, Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie. 1983 – 1989 Medizinstudium in Ulm. 1989 Approbation und Promotion in Ulm. 1989 – 1993 Assistenzarzt am Bundeswehrkrankenhaus Ulm (Innere Abteilung). 1993 – 2005 Facharztausbildung und wissenschaftliche Tätigkeit an der Charité (Gastroenterologie, Campus Benjamin Franklin) in Berlin. Ab 2002 Oberarzt. 2004 Habilitation. Seit 2005 Chefarzt der Gastroenterologie und Interventionellen Endoskopie der Asklepios Klinik Barmbek in Hamburg. Seit 2016 Vorsitzender der Weiterbildungskommission der DGVS. Seit 2017 Vorstand für Aus-, Fort- und Weiterbildung der DGVS.

Prof. Dr. med. Siegbert Faiss
Chefarzt
Gastroenterologie & Interventionelle Endoskopie
Asklepios Klinik Barmbek
Rübenkamp 220
22291 Hamburg

Informationen zum Autor

PD. Dr. med. Petra Lynen Jansen Geschäftsführerin der DGVS, Studium der Humanmedizin 1987 – 1994 an der Rheinisch -Westfälischen Technischen Hochschule Aachen; Wissenschaftliche Assistentin der Chirurgischen Klinik der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf 1995 – 2001; Nachwuchswissenschaftlerin IZKF BIOMAT RWTH Aachen 2002 – 2004, Lise-Meitner-Habilitationsstipendium des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen 2005 – 2006, Experimentelle Chirurgie RWTH Aachen 2008 – 2011, Referentin des Vorstands der DGVS 2012 – 2017, seit Januar 2018 Geschäftsführerin der DGVS.

Priv.-Doz. Dr. med. Petra Lynen Jansen
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
Geschäftsführerin
Olivaer Platz 7
10707 Berlin
lynen@dgvs.de
www.dgvs.de