Aktuelle Dermatologie 2018; 44(08/09): 385-387
DOI: 10.1055/a-0631-3092
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Palmar lokalisierter HPV16-positiver Morbus Bowen[*]

Palmar Located HPV16 positive Bowenʼs disease
S. Troyanova-Slavkova
1   Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
,
L. Eickenscheidt
1   Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
,
D. Aust
2   Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
,
T. Gradistanac
3   Institut für Pathologie, Universitäts-Klinikum Leipzig AöR
,
L. Kowalzick
1   Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. habil. Lutz Kowalzick
Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie
Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
Postfach 100153, 08505 Plauen

Publication History

Publication Date:
06 June 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Der Morbus Bowen ist ein In-situ-Plattenepithelkarzinom der Haut und ist klinisch charakterisiert durch solitäre, rote oder braun-rote, scharf oder unregelmäßig begrenzte, gering erhabene Papeln und Plaques mit schuppiger Oberfläche. Diese können entweder durch UV-bedingte Sonnenschäden − meist in lichtbelichteten Bereichen bei älteren Personen − oder durch humane Papillomavirus-Infektion − meist im anogenitalen Bereich junger Erwachsener − verursacht werden. Es wurden Fälle beschrieben, bei denen HPV in Genitalläsionen und an Tumoren der Finger gleichzeitig nachgewiesen werden konnten, was durch einen genital-digitalen Infektionsweg erklärt werden könnte. Wir beschreiben den Fall eines 49-jährigen Mannes mit einem HPV16-positiven Morbus Bowen an der Handinnenfläche. Weder bei unserem Patient noch bei seiner Partnerin waren andere Warzen, v. a. Genitalwarzen oder Genitaltumoren bekannt und konnten auch bei der klinischen Untersuchung des Patienten nicht nachgewiesen werden. Gleichwohl kann eine Übertragung durch Kontakt mit einer Hochrisiko-HPV-infizierten Person nicht ausgeschlossen werden.


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Abstract

Bowenʼs disease is an in-situ-squamous cell carcinoma of the skin and is clinically characterized by single red or brown-red, sharply marked or not regularly shaped papules or plaques with squamous surface. It could be caused by UV-induced sun damage, mostly in elderly people, or anogenital in younger adults. Cases were reported which demonstrated concomitant HPV in genital and finger tumors, which was explained by a genital-digital mode of infection. We describe the case of a 49 years old male with a palmar HPV16 positive Bowenʼs disease. Neither in our patient nor in his female partner any history of warts, esp. genital warts or tumors were known or could be detected by examination. Anyhow, a transmission by contact with a high-risk-HPV infected person couldn’t be excluded.


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Einleitung

Die humanen Papillomviren (HPV) gelten als wichtige menschliche Kanzerogene. Es handelt sich um epidermotrope Doppelstrang-DNA-Viren der Papova-Gruppe und mehr als 170 verschiedene Typen sind bekannt.

HPV-Infektion wurde bei einigen Hauttumoren nachgewiesen, wie z. B. bei Plattenepithelkarzinomen, präkanzerösen Läsionen einschließlich Morbus (M.) Bowen und bowenoider Papulose [8]. HPV16, 18, 31, 45 wird ein hohes Karzinomrisiko beigemessen und diese werden regelmäßig in genitalen Karzinomen und deren Vorläuferläsionen nachgewiesen. Extragenital kommen diese HPV-Typen vorwiegend an den Händen vor. Insbesondere HPV16 (gelegentlich auch HPV31, 54, 58, 61 ,62 und 73) wird regelmäßig in M. Bowen-Läsionen und Karzinomen der Finger, die auch sub- oder periungual lokalisiert sein können, nachgewiesen [4] [6]. HPV33, 35, 39 haben ein mittleres Karzinomrisiko (Nachweis bei 1 – 5 % invasiv wachsender Zervixkarzinome) und HPV6, 11, 42, 43, 44 ein geringeres Risiko (nur seltener Nachweis bei invasiv wachsenden Zervixkarzinomen). HPV16 wird zu nahezu 100 % bei der bowenoiden Papulose gefunden. HPV6 und 11 sind Erreger der Larynxpapillomatosis und meist auch der Condylomata acuminata [2].

Wir berichten über einen Patient mit einem großen, HPV16-positiven Tumor an der rechten Handinnenfläche, der histologisch einem M. Bowen entsprach.


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Kasuistik

Anamnese

Ein 49-jähriger Mann berichtete über einen seit ca. 6 Monaten vorhandenen Hauttumor an der rechten Handinnenfläche. Ambulant erfolgte mittels Probebiopsie der Nachweis eines M. Bowens, sodass der Patient zur operativen Entfernung eingewiesen wurde ([Abb. 1]). Eine sonstige frühere Erkrankung an Warzen, Genitalwarzen oder (Genital-)Karzinomen wurde negiert. Die Partnerin sei frei von Genitalwarzen oder Genitalkarzinomen. Immunsuppression oder HIV-Infektion seien nicht bekannt. Beruflich ist der Patient auf dem Bau mit verschiedenen Aufgaben (aktuell Dachdecker) tätig, sodass eine verstärkte Sonnenexposition angegeben wird.

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Abb. 1 Palmar rechts ein ca. 2 × 1,2 cm großer, gräulicher Tumor mit hyperkeratotischer Oberfläche.

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Befund

Palmar rechts zeigte sich klinisch ein ca. 2 × 1,2 cm großer, graubrauner, nicht ganz scharf begrenzter Tumor mit hyperkeratotischer Oberfläche. An der restlichen Haut zeigten sich keine weiteren pathologischen Befunde.


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Histologie und PCR-Diagnostik

Im HE-Präparat zeigte sich ein im Gesunden entfernter epithelialer Tumor. Ein invasives Wachstum war nicht nachweisbar. Der histologische Befund entsprach dem eines M. Bowen ([Abb. 2]). Zunächst erfolgte eine weiterführende immunhistochemische Untersuchung bez. p16. Dieses Tumorsuppressor-Gen wird in HPV-infizierten dysplastischen Zellen, in denen das viral kodierte Onkogen E7 exprimiert wird, hochreguliert [13]. Es zeigte sich im Bereich des basalen Epitheldrittels eine zytoplasmatische und teils nukleäre p16-Positivität, in diesem Bereich 80 % der Zellen einbeziehend ([Abb. 3]), sodass eine HPV-Assoziation zumindest als wahrscheinlich erschien.

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Abb. 2 Palmarer M. Bowen, Histologie (HE-Schnitt): Intraepidermale Neoplasie mit bowenoiden Zellen ohne Invasionszeichen.
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Abb. 3 Palmarer M. Bowen, Immunhistologie: Im Bereich des basalen Epitheldrittels eine zytoplasmatische und teils nukleäre p16-Positivität, in diesem Bereich 80 % der Zellen einbeziehend.

Mittels Genus-spezifischer PCR-Analyse wurde das Biopsat auf Präsenz von HPV und Typisierung mittels HPV3.5 LCD-Array Kit (Firma Chipron, Berlin) durchgeführt. Es ließ sich HPV16-DNA in dem Biopsat nachweisen.


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Therapie und Verlauf

In Tumeszenzlokalanästhesie erfolgte die Exzision des Tumors mit 2 mm Sicherheitsabstand zum sichtbaren Tumorrand an der Handinnenfläche rechts. Der Verschluss erfolgte mittels Vollhauttransplantation mit Entnahme der Haut vom rechten Oberarm. Die Routinelaborparameter sowie der HIV-Test waren unauffällig.


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Diskussion

Nachweisraten von unterschiedlichen humanen Papillomaviren werden bei Patienten mit kutaner extragenitaler Bowen-Krankheit v. a. an den Händen und Füßen, besonders an den Fingern und Zehen berichtet [6] [12]. Der M. Bowen ist ein Plattenepithelkarzinom in situ. Es handelt sich dabei um ein progressives, persistierendes, intraepidermales Karzinom, das invasiv wachsend werden kann, sodass ca. 8 % der Fälle zu einem Plattenepithelkarzinom fortschreiten können [1]. Als Risikofaktoren für die Entstehung dieses Tumors gelten v. a. die UV-Strahlung über längere Zeiträume und chemische Karzinogene (wie z. B. Arsen), sowie humane Papillomaviren (es wurden folgende HPV-Typen schon beschrieben: 1, 2, 4, 5, 6, 11, 15, 16, 20, 25, 34, 35, 38). Das Auftreten dieses Tumors ist am gesamten Integument möglich, v. a. an lichtexponierten Hautarealen (wie Gesicht und Hände) und kommt viel häufiger bei älteren Patienten vor [11].

HPV16 und andere Hochrisiko-Papillomaviren werden viel häufiger bei intraepidermalen Neoplasien Grad III der Cervix uteri oder bei invasiven Cervix-Karzinomen nachgewiesen. Die HPV-Onkoproteine E6 und E7 stören die Funktion von p53 bzw. von Retinoblastom-Protein und dadurch führen sie zur Karzinogenese.

In einigen Fällen wurde der gleiche HPV-Typ in M. Bowen sowohl auf der Haut extragenital als auch in Genitalläsionen vom selben Patienten gefunden [10]. So wird angenommen, dass die virale Übertragung über einen genital-digitalen Weg erfolgt und dabei entwickeln sich extragenitale M. Bowen. Bei unserem Patient und seiner Partnerin waren weder genitalen Läsionen noch Condylomata acuminata bekannt und konnten klinisch nicht nachgewiesen werden. Diese Tatsache erschwert die Erklärung eines Ansteckungsweges mit HPV16 als Ursache für die Entstehung des M. Bowen bei diesem relativ jungen Patienten. Das kann zu der Hypothese führen, dass er nach Kontakt mit einer positiven HPV-Hochrisikopatientin infiziert wurde. An den Handinnenseiten beträgt die berufliche wie außerberufliche UV-Exposition etwa ein Drittel der streckseitigen [5].

Das Auftreten des M. Bowen am Handrücken ist nicht selten, aber palmar ist das Auftreten ungewöhnlich [1] [3] [9]. Ein M. Bowen insbesondere an den Handflächen oder Fußsohlen kann eine Psoriasis, einen Lichen planus oder eine Kontaktdermatitis imitieren. Eine infektiöse Ätiologie wie Tinea manuum, subkutane Mykosen (Chromoblastomykose) und Hauttuberkulose als Differenzialdiagnose eines M. Bowen sollten ausgeschlossen werden [9].

Bei mangelndem therapeutischen Ansprechen unklarer schuppender Plaques an Fingern und Händen sollte andererseits differenzialdiagnostisch auch an einen M. Bowen gedacht werden und eine Hautbiopsie durchgeführt werden.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

* Herrn Prof. Dr. med. Theodor Nasemann, Bernried, zum 95. Geburtstag gewidmet.


  • Literatur

  • 1 Binet O, Beltzer-Garelli E, Elbaz JS. Bowenʼs disease and squamous cell carcinoma of the palm. Dermatologica1 1980; 61: 285-287
  • 2 Buntin DM, Rosen T, Lesher Jr JL. et al. Sexually transmitted diseases: Viruses and ectoparasites. J Am Acad Deratol 1999; 255: 527-534
  • 3 Fenske NA, Waisman M, Espinoza CG. Bowen's disease of the palm. Cutis 1983; 31: 673-677
  • 4 Iftner A, Klug SJ, Garbe C. et al. The prevalence of human papillomavirus genotypes in nonmelanoma skin cancers of nonimmunosuppressed individuals identifies high-risk genital types as possible risk factors. Cancer Research 2003; 63: 7515-7519
  • 5 Knuschke P, Kurpiers M, Koch R. et al. Mittlere UV-Expositionen der Bevölkerung. Schlussbericht BMBF-Vorhaben 07UV-B54C/3. , Anh. 5, Tabelle 1. Hannover: Technische Informationsbibliothek (F05B898); 2004
  • 6 Kowalzick L, Blum R, Iliev D. et al. HPV 16-positives subunguales „Warty Squamous Cell Carcinoma” (warziges Karzinom) der Hand. Akt Dermatol 2003; 2: 463-476
  • 7 Mii S, Niiyama S, Takasu H. et al. Detection of human papillomavirus type 16 in Bowen’s carcinoma of the toe. Int J Dermatology 2012; 51: 804-808
  • 8 Nakajima H, Teraishi M, Tarutani M. et al. High prevalence of coinfection with mucosal high-risk type HPV (HR-HPV) and cutaneous HR-HPV in Bowen’s disease in the fingers. Journal of Dermatological Science 2010; 60: 50-52
  • 9 Nakayama C, Hata H, Imafuku K. et al. HPV16-related pigmented Bowenʼs disease on the palm. J Eur Acad Dermatol Venereol 2016; 30: 138-140
  • 10 Nordin P, Stenquist B, Hansson BG. Joint occurrence of human papillomavirus type 16 DNA in Bowen’s disease on a finger and in dysplasia of the vulva and the uterine cervix. Brit J Dermatol 1994; 131: 740
  • 11 Pai K, Shetty S, Padmapriya J. et al. Acantholytic Variant of Bowenʼs Disease with Micro-invasive Squamous Cell Carcinoma: A Case Report of a Unique Variant. Indian J Dermatol 2014; 59: 635
  • 12 Rubben A, Baron JM, Grussendorf-Conen EI. Prevalence of human papillomavirus type 16-related DNA in cutaneous Bowen’s disease and squamous cell cancer. International Journal of Oncology 1996; 9: 609-611
  • 13 Wentzensen N, Hampl M, Herkert M. et al. Identification of high-grade cervical dysplasia by the detection of p16INK4a in cell lysates obtained from cervical samples. Cancer 2006; 107: 2307-2313

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. habil. Lutz Kowalzick
Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie
Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
Postfach 100153, 08505 Plauen

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Abb. 1 Palmar rechts ein ca. 2 × 1,2 cm großer, gräulicher Tumor mit hyperkeratotischer Oberfläche.
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Abb. 2 Palmarer M. Bowen, Histologie (HE-Schnitt): Intraepidermale Neoplasie mit bowenoiden Zellen ohne Invasionszeichen.
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Abb. 3 Palmarer M. Bowen, Immunhistologie: Im Bereich des basalen Epitheldrittels eine zytoplasmatische und teils nukleäre p16-Positivität, in diesem Bereich 80 % der Zellen einbeziehend.