physiopraxis 2018; 16(10): 34-35
DOI: 10.1055/a-0632-9905
Therapie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Kraftmessgerät micro FET 2 - Objektiv die Kraft messen

Andrea Zander

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Publication Date:
22 October 2018 (online)

 

Wer die Kraft großer Muskelgruppen objektiv messen möchte, kann dafür das microFET 2 nutzen. Seit September 2018 gibt es das digitale Dynamometer mit neuer Software auch in deutscher Sprache. Physiotherapeutin Andrea Zander zeigt, wie man das Gerät anwendet und wie die Methode die manuelle Muskelfunktionsprüfung ergänzen kann.


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Andrea Zander

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Andrea Zander ist Physiotherapeutin. Seit 1995 arbeitet sie in einer Praxis mit dem Schwerpunkt Handrehabilitation. Zudem ist sie als Fachhochschuldozentin der AFH tätig.

Für die physiotherapeutische Untersuchung sind Kraft- und Beweglichkeitsmessungen elementar. Mit ihnen beurteilt der Therapeut Qualität und Quantität von Bewegungsabläufen und kann so Krankheitsverläufe objektiv dokumentieren und evaluieren. Um die Kraft in den Händen und Fingern zu beurteilen, gibt es Messgeräte wie Handdynamometer oder Fingervigorimeter. Sie sind deutlich verlässlicher und haben eine höhere Evidenz als subjektive Messungen.

Bei größeren Muskelgruppen wie der Oberschenkelmuskulatur oder den Handgelenkextensoren nutzt der Therapeut für gewöhnlich die manuelle Muskelfunktionsuntersuchung, bei der er über einen Widerstand die Muskelkraft auf einer Skala von 0–5 Punkten einordnet. Dabei entscheidet er allein nach seinem subjektiv empfundenen Widerstand. Daher ist es bei dieser Kraftmessung absolut notwendig, dass immer derselbe Therapeut die Verlaufsmessung durchführt. Dennoch ist das bisher die gängigste Methode in der Praxis.

Wenn es um Krafttraining geht, muss der Therapeut für ein zielgerichtetes, individuelles Training die Maximalkraft des Patienten ermitteln. Das braucht Zeit und das entsprechende Equipment. Auch diese Art der Testung ist nicht hundertprozentig objektiv, da der Therapeut die Anzahl der geschafften Bewegungen mit dem ausgesuchten Gewicht zählt. Therapeuten nutzen diese Methode jedoch auch standardmäßig in der Praxis.

Kraftmessung an allen Muskelgruppen

Objektiv messen lässt sich die Kraft mithilfe des microFET 2, einem digitalen Dynamometer. Vor rund 20 Jahren entwickelte die Firma Hoggan Scientific das etwa 400 Gramm schwere Gerät – das einzige im digitalen Bereich –, das es seit September 2018 mit neuer Software in über 11 Sprachen gibt. FET 2 steht für Force Evaluation Testing der zweiten Generation und soll die Kraft an möglichst allen Muskelgruppen des Körpers objektiv und valide messen. Möglich machen dies Dehnmessstreifen im Gerät, die kleinste Veränderungen aus unterschiedlichen Richtungen wahrnehmen. Mit ein wenig Übung kann der Therapeut so aus verschiedenen Winkeln messen.


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Make- und Break-Form

Der Therapeut hat zwei Möglichkeiten, das Gerät einzusetzen: die sogenannte „Make-Form“ und die „Break-Form“. Bei der „Make-Form“ gibt er mit dem Messgerät Widerstand und fordert den Patienten auf, mit größtmöglicher Kraft dagegenzuhalten. Diese Methode könnte die manuelle Muskelfunktionsüberprüfung ergänzen.

Bei der „Break-Form“ versucht der Therapeut mit dem Messgerät den Widerstand des Patienten zu brechen. Hierbei misst er die maximale isometrische bzw. exzentrische Kraft, die er als Ergänzungswert bei der Ermittlung der Maximalkraft verwenden kann. Um einen guten ergonomischen Kontakt zur Muskulatur zu erhalten, hat das Gerät drei verschiedene Transducer-Pads: ein großes gebogenes, ein flaches und ein digitales ([ABB. 1]). Bei beiden Messmethoden ist es wichtig, dass der Patient stabil positioniert ist, sodass er den zu testenden Muskel isoliert anspannen kann. Natürlich bleibt es auch hier nicht aus, dass der Therapeut auf Ausweichbewegungen achtet. Wie bei den Muskelfunktionstests sollte bestenfalls immer derselbe Therapeut die Verlaufsmessungen vornehmen, um die Messergebnisse optimal evaluieren zu können.

Für eine Kraftmessung mit dem microFET 2 müssen die Patienten gegen die Schwerkraft bewegen können.

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ABB. 1 UND 2 Mit dem Dynamometer microFET 2 kann man objektiv die Kraft messen. Mit drei verschiedenen Aufsätzen eignet es sich auch für große Muskeln wie den M. gluteus maximus.
Abb.: AFH-Webshop GbR., N. Klausch [rerif]

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Auf eine standardisierte Ausgangsposition achten

Zur Verlaufskontrolle sollte der Therapeut die Ausgangsposition standardisieren und dokumentieren. Die Kraft des M. gluteus maximus misst er etwa in Bauchlage ([ABB. 2]). Die Messdauer sollte 4 Sekunden betragen, und es empfiehlt sich, mit einem Startsignal wie „los“ und einem Endsignal wie „stopp“ zu arbeiten, damit Therapeut und Patient gleichzeitig starten und enden. Während der Messung zeigt das Gerät die jeweilige Stärke an – danach ist der Maximalwert ablesbar.

Die Maßeinheiten sind am Gerät wählbar und werden in lbs (Pfund), N (Newton) und KGF (Kilopond = kp) angegeben. Zudem lassen sich zwei Widerstandsstärken einstellen: eine „High“-Position und eine „Low“-Position. Das ist wichtig, denn bei allen Kraftmessungen beginnt das Gerät erst mit der Messung, wenn der Patient den im Gerät eingespeicherten Kraftgrenzwert (Threshold) übersteigt. Für die empfindlicheren Messungen mit niedrigem Kraftaufwand, z.B. bei Finger-, Zehen- und Handmuskelkraftmessungen, empfiehlt sich die „Low“-Position, da hier die Messung schon bei 3,6 N startet, bei der „High“-Position hingegen erst bei 12,1 N. Für Patienten nach neurologischen Ausfallerscheinungen etwa kann das sinnvoll sein. Grundsätzlich muss der Patient mindestens einen Muskelfunktionswert von 3 haben, damit die Messung funktioniert.


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Ergebnisse mit Normwerten abgleichen

Damit der Therapeut im Erstbefund die Kraftwerte einordnen kann, benötigt er die Einschätzung des Patienten sowie objektive Normwerte. Der Patient beurteilt seine Kraftqualität hinsichtlich seiner ADLs und der Belastung im sportlichen und beruflichen Leben. Sie legen fest, wie stark eingeschränkt sich der Patient in seiner Kraft fühlt, und geben an, wie viel Kraftaufbau notwendig ist. Diese Parameter gelten vor allem für die Therapie.

Für objektive Normwerte bezüglich Kraft und Beweglichkeit gibt es in der Literatur große Unterschiede. Nur wenige Studien liefern Referenzwerte. Der Physiotherapeut Prof. Dr. Richard W. Bohannon veröffentlichte 1997 eine deskriptive Studie über Referenzwerte von zehn Extremitätenmuskelaktionen – gemessen mit einem handgehaltenen Dynamometer [2]. Unter Berücksichtigung von Alter, Körpergewicht und Geschlecht gibt die Studie valide und reliable Normwerte für die dominante und nicht dominante Seite an.

Auch zum microFET 2 gibt es ein Handbuch basierend auf diesen Daten, das die Ausgangsstellungen für die Messung standardisiert und Normwerte angibt. Das Messgerät selbst speichert die letzten 30 Messungen. Somit kann der Therapeut nacheinander alle erforderlichen Muskelgruppen testen und anschließend alle Ergebnisse im Speichermodus ablesen.

2018 überarbeiteten die Akademie für Handrehabilitation und der AfH Webshop die Manuals neu und erstellten ein entsprechendes Bedienungshandbuch mit Normwerten und den entsprechenden Anlagepunkten für den deutschen Markt.

Andrea Zander


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  • Literatur

  • 1 Dissertation von Markus Rieckert „Funktionelle Normwerte und Einflussfaktoren an Unterarm und Hand gesunder männlicher Erwachsener“ 2010
  • 2 Bohannon RW. Reference Values for Extremity Muscle Strengt Obtained by Hand-Held Dynamometry from Adults Aged 20 to 79. Arch Phys Med Rehabil 1997; 78: 26-32
  • 3 microFET 2 Bedienungsanweisung

  • Literatur

  • 1 Dissertation von Markus Rieckert „Funktionelle Normwerte und Einflussfaktoren an Unterarm und Hand gesunder männlicher Erwachsener“ 2010
  • 2 Bohannon RW. Reference Values for Extremity Muscle Strengt Obtained by Hand-Held Dynamometry from Adults Aged 20 to 79. Arch Phys Med Rehabil 1997; 78: 26-32
  • 3 microFET 2 Bedienungsanweisung

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ABB. 1 UND 2 Mit dem Dynamometer microFET 2 kann man objektiv die Kraft messen. Mit drei verschiedenen Aufsätzen eignet es sich auch für große Muskeln wie den M. gluteus maximus.
Abb.: AFH-Webshop GbR., N. Klausch [rerif]