Aktuelle Dermatologie 2018; 44(07): 301-302
DOI: 10.1055/a-0635-4876
Derma-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das Raucher-Paradoxon der Psoriasisarthritis

Nguyen UDT. et al.
Smoking paradox in the development of psoriatic arthritis among patients with psoriasis: a population-based study.

Ann Rheum Dis 2018;
77: 119-123
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Publication Date:
02 July 2018 (online)

 

    Eine Psoriasisarthritis tritt im Allgemeinen erst mehrere Jahre nach Beginn der kutanen Manifestationen der Psoriasis auf. Daraus ergibt sich die Chance, Risikofaktoren der Arthritis zu bekämpfen und die Entwicklung zu verhindern – denn auch wenn sie oft unterschätzt wird, kann die Psoriasisarthritis ebenso zu irreversiblen Gelenkzerstörungen führen wie eine rheumatoide Arthritis.


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    Gerade bei diesen Risikofaktoren besteht aber ein anscheinend paradoxer Zusammenhang: Rauchen erhöht das Risiko für die Entwicklung der kutanen Psoriasis, soll aber bei Patienten mit bestehender Psoriasis vor der Psoriasisarthritis schützen. Vermutlich aber kommt dieser intuitiv nicht nachvollziehbare Zusammenhang durch die in den Studien verwendete Methodik zustande. Mediziner der University of Massachusetts sind der Frage nachgegangen. Die Arbeitsgruppe um Uyen-Sa Nguyen hat dazu Daten aus THIN herangezogen. Bei THIN (The Health Improvement Network) handelt es sich um eine für die Allgemeinbevölkerung repräsentative britische Datenbank, in die Befunde von 648 allgemeinmedizinischen Praxen mit etwa 11 Millionen betreuten Patienten eingehen. In der Datenbank identifizierten die Mediziner zunächst alle Patienten im Alter zwischen 20 und 89 Jahren, die zwischen Januar 1995 und Mai 2015 in einer der Praxen eingeschrieben waren und bei denen zu Beginn keine Psoriasisarthritis vorlag. In dieser Gruppe suchten sie sie dann nach den Patienten, die in der Folge eine Psoriasisarthritis entwickelten, und beurteilten die Wahrscheinlichkeit in Abhängigkeit vom Nikotinkonsum; dabei unterschieden die Wissenschaftler Patienten, die niemals geraucht hatten, ehemalige Raucher und aktuell aktive Raucher. Weiterhin beurteilten sie die Assoziationen für die Gesamtkohorte und für Patienten mit bestehender kutaner Psoriasis. Mehr als 6,5 Millionen Patienten gingen in die Auswertung ein. Darunter wiesen

    • 225 213 Patienten eine Psoriasis ohne Gelenkmanifestationen auf, und

    • bei 7057 Patienten wurde über eine Nachbeobachtungszeit von im Mittel 7 Jahren (> 46 Millionen Patientenjahre) eine Psoriasisarthritis neu diagnostiziert.

    In der Gesamtgruppe war etwas mehr als die Hälfte aller Patienten Nichtraucher, 16 % waren ehemalige Raucher und 28 % aktuelle Raucher. In der Gruppe mit kutaner Psoriasis waren 46 % Nichtraucher, 19 % Ex-Raucher rund 35 % aktuelle Raucher. Daraus errechneten sich für aktive Raucher

    • in der Gesamtkohorte ein signifikant erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Psoriasisarthritis, mit einer Hazard Ratio (HR) von 1,27,

    • aber bei Patienten mit bestehender kutaner Psoriasis ein scheinbar geringeres Risiko (HR 0,91).

    In einer Mediatorenanalyse schlüsselten die Forscher dann diesen Gegensatz auf. Dabei zeigte sich, dass der Gesamteffekt des Nikotinkonsums auf die Arthritis zustande kam durch

    • einen indirekten Effekt, vermittelt durch den Mediator „kutane Psoriasis“ (HR 1,31), und

    • einen direkten, von der Psoriasis unabhängigen Effekt, der aber deutlich geringer war (HR 0,96).

    Der Einfluss des Nikotinkonsums auf die Psoriasisarthritis wird demnach nahezu vollständig durch den Einfluss einer zwischengeschalteten Variablen (kutane Psoriasis) vermittelt. In weiteren Analysen beurteilten die Wissenschaftler den Einfluss möglicher unkontrollierter Verzerrungseffekte (Sensitivity-Bias-Analysen). Dabei stellte sich heraus, dass auch bei nur moderaten Zusammenhängen von Störfaktoren mit entweder Nikotinkonsum oder Psoriasisarthritis (mit HR-Werten von ca. 1,5) umgekehrte Effekte – also ein scheinbarer Schutz vor der Arthritis durch Rauchen – in einer Größenordnung von um die 10 % resultieren können (HR 0,90); das entspricht nahezu der oben gefundenen HR von 0,91.

    Fazit

    Bei Psoriasis beruht der scheinbare Schutz von Rauchern vor einer Psoriasisarthritis demnach auf der Wahl traditioneller Studiendesigns und statistischer Methoden, fassen die Autoren zusammen. Zukünftige Studien müssen mit geeignetem Design das Risiko für die Psoriasisarthritis bei Rauchern als Gesamteffekt, ohne den Einfluss zwischengeschalteter Variablen, weiter untersuchen. Daraus könnten sich wesentliche Möglichkeiten zu sinnvollen Präventionsmaßnahmen für die Arthritis ableiten lassen.

    Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim


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