Pneumologie 2018; 72(08): 549-551
DOI: 10.1055/a-0641-1839
Pneumo-Fokus
CAPNETZ
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sphingosinkinase 1 beeinflusst die Inflammation und trägt zur Entstehung des akuten Lungenversagens bei

Gutbier B. et al.
Sphingosine Kinase 1 Regulates Inflammation and Contributes to Acute Lung Injury in Pneumococcal Pneumonia via the Sphingosine-1-Phosphate Receptor 2.

Crit Care Med 2018;
DOI: 10.1097/CCM.0000000000002916.
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Publication Date:
08 August 2018 (online)

 

    Die ambulant erworbene Pneumonie (community-acquired pneumonia; CAP) ist weltweit eine der häufigsten Infektionskrankheiten und geht mit einer hohen Mortalität einher. Als Haupterreger konnte Streptococcus pneumoniae (S. pneumoniae) identifiziert werden [1, 2, 3]. Trotz effektiver Antibiotikabehandlung kann es im Pneumonieverlauf zu einer Schädigung der alveolokapillären Barriere kommen, woraus ein akutes Lungenversagen resultieren kann [4].


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    Der direkte Einfluss von Erregerfaktoren kann hierfür die Ursache sein, oder eine inadäquate Immunreaktion, die zur endothelialen Hyperinflammation und Hyperpermeabilität führt. Das Exotoxin Pneumolysin (PLY) ist z. B. ein wichtiger Pathogenitätsfaktor von S. pneumoniae, der zum akuten Lungenversagen im Verlauf einer Pneumokokkenpneumonie beitragen kann [5]. Zu den wirtseigenen Faktoren, die an der Entstehung eines akuten Lungenversagens beteiligt sind, gehören z. B. die Rekrutierung und Aktivierung von Leukozyten sowie die verstärkte Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen [6]. Eine Behandlung des akuten Lungenversagens ist derzeit nur supportiv möglich und dient in erster Linie dazu, den lebensnotwendigen Gasaustausch zu erhalten. Spezifische Therapiestrategien, die z. B. präventiv oder therapeutisch zur Stabilisierung und zum Erhalt der pulmonalen Barriere beitragen, könnten die hohe Letalität einer Pneumonie reduzieren. Derartige Therapiestrategien fehlen jedoch derzeit.

    Sphingosin 1-Phosphat (S1P) ist ein bioaktiver Abkömmling der Sphingolipide. Es konnte bereits gezeigt werden, dass S1P bei der Regulation der vaskulären Permeabilität [7], aber auch bei der Regulation der Immunantwort Bedeutung hat [8, 9]. Unter physiologischen Bedingungen wird die S1P-Konzentration durch die S1P-bildenden Enzyme, Sphingosinkinase 1 und 2 (Sphk1, SphK2) und die S1P-abbauenden Enzyme, die S1P Phosphatasen (S1PP1, S1PP2) und die S1P Lyase, im Gleichgewicht gehalten, um eine physiologische Aktivität sicherzustellen [10, 11].

    S1P agiert als intrazellulärer second messenger und reguliert den speichergesteuerten Kalziumeinstrom (store-operated calcium entry; SOCE) [12]. Es bindet an 5 verschiedene S1P-Rezeptoren (S1PR1– 5), die unterschiedlich exprimiert werden und mit variierenden G-Proteinen gekoppelt sind [13, 14]. Zum Beispiel können physiologische S1P-Konzentrationen (0,5 – 1 µM) über eine Aktivierung des Gi-gekoppelten S1PR1 [7, 15, 16] und der nachgeschalteten Rac GTPase [17, 18] die mikrovaskuläre Barriereintegrität verbessern. Eine S1P-Infusion oder die Verwendung des S1P-Analogons FTY720, welches an alle S1P-Rezeptoren binden kann mit Ausnahme von S1PR2, vermindert in unterschiedlichen experimentellen Modellen des akuten Lungenversagens die pulmonale mikrovaskuläre Hyperpermeabilität [19 – 22]. In höheren Konzentrationen jedoch ( > 5 µM), vermag S1P über den S1PR2 und S1PR3 eine RhoA-abhängige Barrierestörung zu vermitteln [7, 23, 24]. Für den Schutz der pulmonalen endothelialen Barriereintegrität scheint eine exakte Einhaltung der kompartimentspezifischen physiologischen S1P-Konzentration und die Homöostase zwischen den Rezeptoren sowie zwischen S1P-Bildung und dem Abbau entscheidend zu sein, insbesondere bei inflammatorischen Lungenerkrankungen.

    Die SphK1-Aktivität und die damit einhergehende S1P-Produktion kann durch verschiedene Inflammationsmediatoren erhöht werden [25 – 28] und eine Sphk1-Inhibition scheint antiinflammatorisch zu wirken [27, 29]. Die Bedeutung des Sphk1 /S1P-Systems für die Pathogenese der Pneumonie ist allerdings bisher noch unklar.

    In einer kürzlich publizierten experimentellen Arbeit konnten wir zeigen, dass bei Mäusen durch eine schwere Pneumonie ein Anstieg des S1P-Proteins im Lungengewebe zu beobachten ist und gleichzeitig die mRNA-Expression von SphK1 ansteigt. Histologisch war sowohl in Mauslungen als auch in humanen Lungen von verstorbenen Pneumoniepatienten festzustellen, dass überwiegend Makrophagen SphK1 exprimierten und daher für den Anstieg verantwortlich sein könnten. Nach Infektion von ausdifferenzierten humanen Blutmonozyten mit S. pneumoniae in vitro erhöhte sich zudem die SphK1-Expression in den Zellen und die S1P-Konzentration im Zellkulturüberstand.

    Zusätzlich beobachteten wir bei SphK1-defizienten Mäusen mit Pneumokokkenpneumonie eine reduzierte pulmonale Hyperpermeabilität im Vergleich zu Wildtyp-Mäusen, die durch eine S1P-Substitution wieder verstärkt wurde. Diese Ergebnisse werden durch andere Studien unterstützt, die beobachteten, dass eine Inhibition von SphK1 protektiv auf die endotheliale Barriere wirken kann, z. B. in vitro bei der durch Thrombin oder durch aktivierte neutrophile Granulozyten induzierten Permeabilität [30] oder in vivo beim Schock assoziierten akuten Lungenversagen [31]. Eine Studie von Puneet et al. konnte zudem zeigen, dass Sepsispatienten eine erhöhte Sphk1-Expression in peritonealen Phagozyten aufweisen und nachfolgend die Produktion von proinflammatorischen Zytokinen ansteigt [29]. In dieser Studie wurde außerdem durch SphK1-Inhibition die pulmonale Inflammation in einem murinen Sepsismodell reduziert und die Überlebensrate der Tiere durch diese Behandlung verbessert [29]. Daher wird angenommen, dass eine SphK1-Inhibition als potenzielle Sepsistherapie geeignet sein könnte [27, 29, 32].

    Im Ex-vivo-Modell der isoliert perfundierten Mauslunge (IPML) konnten wir ferner eine synergistische Verstärkung der PLY-induzierten pulmonalen Hyperpermeabilität durch S1P-Applikation beobachten.

    Ein S1P-vermittelter Anstieg der endothelialen Permeabilität wurde in früheren Arbeiten mit dem S1P-Rezeptor 2 und dem nachgeschalteten Rho-kinase Weg in Zusammenhang gebracht [33]. Die Inhibition von S1PR2 reduziert z. B. das anaphylaktische Ödem [34]. Eine Aktivierung des S1P-Rezeptors 1 vermittelt hingegen einen Barriere-protektiven Effekt [7]. Daher scheint die Balance zwischen diesen beiden Rezeptoren entscheidend für die Wirkung von S1P zu sein [33, 34].

    Experimentell konnten wir zeigen, dass die mRNA-Expression von S1PR2 in Lungen von mit S. pneumoniae infizierten Mäusen und in infizierten humanen pulmonalen mikrovaskulären Endothelzellen 24 Stunden nach Infektion im Vergleich zu den anderen S1P-Rezeptoren erhöht war. Zudem führte eine Inhibition dieses Rezeptors in isoliert perfundierten Mauslungen zu einer ausgeprägten Reduktion des synergistischen Effektes von S1P auf die PLY-induzierte Hyperpermeabilität. Diese Reduktion war noch deutlicher, wenn gleichzeitig die dem S1PR2 nachgeschaltete Rho-Kinase inhibiert wurde. Unsere Studie zeigt somit, dass eine Dysregulation der pulmonalen S1P-Homöostase bei der schweren Pneumonie zu einer Störung der pulmonal-vaskulären Barrierefunktion führen kann und somit die Gefahr eines akuten Lungenversagens erhöht. Dabei ist folgender Mechanismus denkbar: S. pneumoniae induziert einen Expressionsanstieg der SphK1 in Makrophagen, wodurch es zu einem Anstieg der S1P-Produktion in der Lunge kommt. Über eine Aktivierung des ebenfalls stärker exprimierten S1P-Rezeptors 2 und dem nachgeschalteten Rho-Kinase Signalweg, verstärkt S1P synergistisch die PLY-induzierte endotheliale Barrierestörung in der Lunge.

    Fazit

    Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass das SphK1-S1P-System einen Ansatz für die Entwicklung neuer Therapieoptionen zur Vermeidung einer Barrierestörung bei schwerer Pneumonie darstellen könnte.

    Birgitt Gutbier und Prof. Martin Witzenrath

    Literatur

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