Schlüsselwörter
Bevacizumab - VEGF-Antikörper - Zervixkarzinom - neoadjuvante Chemotherapie
Einleitung
Das Zervixkarzinom ist die weltweit vierthäufigste Krebserkrankung der Frau mit einer
hohen Mortalität [1]. In Deutschland erkrankten in den letzten Jahren konstant ca. 4500 Frauen pro Jahr
an einem Karzinom der Cervix uteri [2]. Entsprechend der deutschen S3-Leitlinie ist bei einem frühen Zervixkarzinom die
Operation weiterhin die Standardtherapie, während bei Vorliegen von mindestens 3 definierten
Risikofaktoren auf eine primäre Operation verzichtet werden und eine Radiochemotherapie
durchgeführt werden sollte. Bei lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Zervixkarzinomen
besteht in der Regel als Alternative zur Radiochemotherapie die Option einer primären
Chemotherapie, gefolgt von einer Operation [3]. Durch eine neoadjuvante platinbasierte und intervallverkürzte Chemotherapie soll
eine Verkleinerung des Tumors und dadurch eine Verbesserung der Operabilität und Reduktion
der operativen Morbidität erreicht werden und das progressionsfreie- sowie das Gesamtüberleben
verlängert werden [3], [4]. Besonders Frauen mit einem primären Zervixkarzinom und definierten Risiken wie
einer Bulky Disease oder suspektem Lymphknotenstatus können von einem neoadjuvanten
Konzept profitieren. Hier wird durch die medikamentöse Chemotherapie die Wahrscheinlichkeit
der Notwendigkeit einer adjuvanten Radiochemotherapie reduziert. Diesem möglichen
Nutzen müssen die Risiken und Nebenwirkungen der Systemtherapie gegenübergestellt
werden [5].
In den letzten Jahren konnten durch Einsatz von Bevacizumab bei verschiedenen soliden
Tumorerkrankungen gute Therapieergebnisse erzielt werden [6], [7]. Eine wesentliche Rolle für die gute Wirksamkeit, insbesondere bei der Behandlung
des Zervixkarzinoms, spielen die im Regelfall an der Entstehung beteiligten humanen
Papillomaviren [3], [8]. Ihr hohes onkogenes Potenzial beruht auf einer Stimulation der Angiogenese über
verschiedene Angriffspunkte [8]. Bei Bevacizumab handelt es sich um einen rekombinanten humanen monoklonalen VEGF-Antikörper,
der über eine kompetitive Inhibition der VEGF-Rezeptoren die Gefäßneubildung des Tumors
hemmt [9], [10], [11]. Erste Erfahrungen im Einsatz von Bevacizumab beim fortgeschrittenen Zervixkarzinom
von Monk et al. zeigten eine signifikante Verbesserung des medianen Gesamtüberlebens
und progressionsfreien Überlebens [12]. Grundlage für die Zulassung von Bevacizumab beim fortgeschrittenen Zervixkarzinom
war die GOG-240-Studie von Tewari et al., in der 452 Patientinnen mit rezidivierten
oder metastasierten Zervixkarzinomen entweder eine reine Chemotherapie (Kombination
aus Paclitaxel und Cisplatin oder Paclitaxel und Topotecan) und im Vergleich dazu
die Chemotherapie in Kombination mit Bevacizumab erhielten [13], [14]. Hierbei konnten signifikante Verbesserungen im Bezug auf das Gesamtüberleben und
progressionsfreie Überleben erzielt werden [13], [14]. Auch in der Kombination von Bevacizumab mit einer konventionellen platinhaltigen
Radiochemotherapie konnten gute Ergebnisse gezeigt werden [15]. Erfahrungswerte zum Einsatz von Bevacizumab in der neoadjuvanten Behandlung des
Zervixkarzinoms existieren bisher nicht.
In der vorliegenden Arbeit möchten wir daher über unsere ersten klinischen Erfahrungen
zur neoadjuvanten Therapie des Zervixkarzinoms mit einer platinhaltigen Chemotherapie
in Kombination mit dem Angiogeneseinhibitor Bevacizumab berichten. Zusätzlich haben
wir den Effekt der Hinzunahme von Bevacizumab auf die Remissionsraten und Operabilität
untersucht und mit einem Bevacizumab-freien Kollektiv verglichen.
Patienten und Methoden
Patientenkollektiv und Therapieregime
Für diese retrospektive Kohortenstudie wurden insgesamt 46 Patientinnen mit einem
histologisch gesicherten Zervixkarzinom gescreent, die in der Zeit von 2007 bis 2016
in der onkologischen Ambulanz der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
der Uniklinik Köln systemtherapeutisch behandelt wurden. 30 Patientinnen, die eine
neoadjuvante platinhaltige Chemotherapie erhalten haben, wurden in die Studie eingeschlossen
([Abb. 1]).
Abb. 1 Aufbau der Kohortenstudie: Das Flussdiagramm verdeutlicht die Anzahl der für diese
Studie gescreenten (n = 46) sowie ein- und ausgeschlossenen Zervixkarzinompatientinnen
(n = 30) und beschreibt die verwendeten Therapieregime beiden Therapiekohorten (NACT
± Bevacizumab).
Vierzehn Patientinnen erhielten eine neoadjuvante Kombinationschemotherapie mit Bevacizumab.
Davon bekamen 8 Patientinnen eine Kombinationstherapie aus Paclitaxel (80 mg/m2 q7), Cisplatin (75 mg/m2 q21) und Bevacizumab (15 mg/kg KG q21). Hierbei verabreichten wir im Durchschnitt
12 Zyklen Paclitaxel (80 mg/m2), 4 Zyklen Cisplatin (75 mg/m2) und 4 Zyklen Bevacizumab (15 mg/kg KG). Fünf Patientinnen erhielten eine Kombination
aus Cisplatin (40 mg/m2 q7) Docetaxel (35 mg/m2 q7) und Bevacizumab (5 mg/kg KG q7). Hierbei wurden im Schnitt 8 Zyklen Cisplatin
(40 mg/m2), 8 Zyklen Docetaxel (35 mg/m2) und 6 Zyklen Bevacizumab (5 mg/kg KG) verabreicht. Eine Patientin erhielt eine auswärtig
begonnene Therapiekombination aus Paclitaxel (80 mg/m2 q7), Carboplatin (6 mg/AUC q21) und Bevacizumab (15 mg/kg KG q21). Die Kostenerstattung
der Therapien erfolgte nach individueller Antragstellung über die betreuenden Krankenkassen.
Für die Vergleichskohorte wurden 16 Patientinnen mit einer Bevacizumab-freien T../eps/EPS_FIZ/6415588gfde01.jpg
../eps/EPS_FIZ/6415588gfde02.jpg ../eps/EPS_FIZ/6415588gfde03.jpg ../eps/EPS_FIZ/6415588gf01.jpg
../eps/EPS_FIZ/6415588gf02.jpg ../eps/EPS_FIZ/6415588gf03.jpgherapie ausgewertet.
Hierbei erhielten 15 Frauen eine wöchentliche Therapie mit Cisplatin (40 mg/m2) und Docetaxel (35 mg/m2) sowie eine Patientin eine Therapie mit Cisplatin (30 mg/m2 q7) und Topotecan (4 mg/m2 q7). Im Durchschnitt erhielten die Patientinnen 8 Zyklen Cisplatin 40 mg/m2 und 8 Zyklen Docetaxel 35 mg/m2. Im Cisplatin/Topotecan-Therapieregime wurden 8 Zyklen Cisplatin (30 mg/m2 q7) und 8 Zyklen Topotecan (4 mg/m2 q7) verabreicht.
Untersuchungsmethoden
Alle Patientinnen durchliefen nach Beendigung der neoadjuvanten Chemotherapie eine
Re-Evaluation des Tumorstatus durch die klinische Untersuchung und eine dem primären
Tumorstadium angepasste Bildgebung. Ab dem Stadium FIGO IB2 wurde hierbei entsprechend
der S3-Leitlinie die extrapelvine Tumorausbreitung mit einem CT Thorax/Abdomen und
die lokoregionäre Ausbreitung mit einer Magnetresonanztomografie (MRT) des Beckens
beurteilt [3]. Die radiologische Auswertung der Bildgebung erfolgte entsprechend der RECIST-Kriterien
(RECIST: Response Evaluation Criteria In Solid Tumors) [16]. Ein im Vergleich zur prätherapeutischen Bildgebung nicht mehr nachweislicher Tumor
wurde als klinische Komplettremission (cCR) definiert. Ein im Vergleich zum Vorbefund
regredienter Tumor mit mehr als 30% Größenabnahme wurde entsprechend der RECIST-Kriterien
als Partialremission (cPR) definiert. Insgesamt regrediente Befunde, die nach den
RECIST-Kriterien nicht als Partialremission definiert werden konnten, wurden als Ansprechen
(response) festgehalten [17]. Lag in der pathologischen Aufarbeitung der Präparate kein invasiver Tumorrest mehr
vor, wurde dies als pathologische Komplettremission (pCR) dokumentiert. Bei Patientinnen
mit einem Karzinom kleiner FIGO IB2 erfolgte die Re-Evaluation nach Chemotherapie
nicht durch eine radiologische Bildgebung, sondern anhand einer klinisch sonografischen
Untersuchung [3]. Für die Messung der Tumorgröße wurde der jeweils längste Durchmesser in cm (LD)
verwendet. Die Veränderung der Tumorgröße wurde als Mittelwert der Differenzbeträge
(ΔLD) vor und nach Therapie berechnet. Bei 7 Patientinnen im konventionellen Therapieregime
und bei 1 Patientin in der Bevacizumab-therapierten Kohorte konnte kein Durchmesser
anhand der vorhandenen Bildgebung bestimmt werden. Bei plattenepithelialer Tumorkomponente
wurde zudem das serologische Ansprechen als Mittelwert der Veränderung des Squamous
Cell Carcinoma Antigen (SCC) im Serum (μg/l) vor und nach dem letzten Zyklus der neoadjuvanten
Chemotherapie angegeben (ΔSCC). Bei 5 Patientinnen fehlten weitere Angaben zum SCC-Verlauf.
Statistische Analysen
Eine strukturierte medizinische Datenbank wurde über verschiedene klinische Informationssysteme
angelegt (ORBIS® OpenMED, AGFA HealthCare NV, Cato®) und über Excel® 2010 (Microsoft Corporation, Redmond, USA) und SPSS Statistics 22 (IBM Corporation,
Armonk, New York, USA) ausgewertet. Die statistische Erhebung der p-Werte erfolgte
neben dem Fisherʼs Exact-Test auch mit dem Barnardʼs Test [18].
Ergebnisse
Im Untersuchungszeitraum wurden insgesamt 30 Zervixkarzinompatientinnen mit einer
neoadjuvanten platinhaltigen Chemotherapie behandelt. Davon erhielten 14 Patientinnen
eine Kombinationschemotherapie mit Bevacizumab. Diese Kohorte wurden mit 16 Patientinnen
verglichen, die ohne Bevacizumab therapiert worden sind. Die demografischen Charakteristika
der Patientenkohorten sind in [Tab. 1] aufgeführt.
Tab. 1 Klinische und histopathologische Tumorcharakteristika des untersuchten Patientenkollektivs
(n = 30): Vergleich der Bevacizumab-freien Therapiekohorte (NACT) mit der Bevacizumab-Kombinationstherapie
(NACT + Bevacizumab).
Variable
|
total
|
NACT
n (%)
|
NACT + Bevacizumab
n (%)
|
p-Wert
|
gesamt
|
30
|
16
|
14
|
0,967
|
Alter
|
|
45,2
|
44,4
|
|
histologischer Typ
|
Adenokarzinom
|
9
|
7 (43,8)
|
2 (14,3)
|
0,118
|
Plattenepithelkarzinom
|
20
|
9 (56,2)
|
11 (78,6)
|
klarzelliges Karzinom
|
1
|
0 (0)
|
1 (7,1)
|
Grading (G)
|
G2
|
20
|
11 (68,9)
|
9 (64,3)
|
1
|
G3
|
10
|
5 (31,1)
|
5 (35,7)
|
Tumorstadium (FIGO)
|
cT1
|
8
|
5 (31,3)
|
3 (21,4)
|
0,649
|
cT2
|
15
|
9 (56,3)
|
6 (42,9)
|
cT3
|
2
|
0 (0)
|
2 (14,3)
|
cT4
|
5
|
2 (12,4)
|
3 (21,4)
|
Nodalstatus
|
cN0
|
12
|
8 (50)
|
4 (28,6)
|
1
|
cN+
|
18
|
8 (50)
|
10 (71,4)
|
Metastasierung
|
M0
|
27
|
14 (87,5)
|
13 (92,9)
|
|
M+
|
3
|
2 (12,5)
|
1 (7,1)
|
Die Kombinationstherapie mit Bevacizumab erhöht die klinischen Ansprechraten
[Tab. 2] zeigt die Ansprechrate nach einer neoadjuvanten Therapie im Vergleich mit oder ohne
Bevacizumab. Die neoadjuvante Therapie mit Bevacizumab führte zu einem verbesserten
klinischen Ansprechen (100% [n = 14] vs. 93,8% [n = 15], p = 0,442). Die Rate der
klinischen Komplettremissionen war bei den mit Bevacizumab behandelten Patientinnen
höher. Hier war ein statistischer Trend zugunsten der Kombinationstherapie mit Bevacizumab
erkennbar (42,9% [n = 6/14] vs. 12,5% n = 2/16]; p = 0,072). Eine klinische Komplettremission
konnte in der Bevacizumab-freien Kohorte bis zum Stadium FIGO IIb erreicht werden,
während in der Bevacizumab-therapierten Kohorte eine klinische Komplettremission auch
in höheren Stadien beobachtet werden konnte ([Abb. 3]). Die histopathologischen Untersuchungen an den Operationspräparaten ergaben ein
Downgrading, im Sinne einer positiven Veränderung des Tumorstadiums, in 100% (n = 14)
aller mit Bevacizumab therapierten Patientinnen. Bei den konventionell therapierten
Patientinnen lag der Anteil bei 75% (n = 12/16; p = 0,103). Die Rate an pathologischen
Komplettremissionen (pCR) war nicht signifikant verändert (28,6% [n = 4] vs. 37,5%
[n = 6]; p = 0,460) ([Tab. 2]). Allerdings konnte durch die Hinzunahme von Bevacizumab in einem Fall eine pCR
auch im Stadium FIGO IV erreicht werden. In diesem Fall lag ein primär hepatisch und
lymphogen metastastasiertes Plattenepithelkarzinom der Zervix vor. Demgegenüber konnte
nach konventioneller Therapie eine pCR nur bis zum Stadium FIGO IIb beobachtet werden.
Eine R0-Resektion konnte bei allen mit Bevacizumab behandelten Patientinnen erreicht
werden (100% [n = 14/14] vs. 87,5% [n = 14/16]; p = 1,0).
Tab. 2 Ansprechraten und Verlaufsparameter in Abhängigkeit einer neoadjuvanten Therapie
mit oder ohne Bevacizumab (NACT ± Bevacizumab). Die Veränderung der Tumorgröße und
der SCC-Verlauf wurden als Mittelwert der Differenzbeträge (ΔLD/ΔSCC) vor und nach
Therapie berechnet.
Variable
|
NACT
n (%)
|
NACT + Bevacizumab
n (%)
|
p-Wert
|
cPR: Partialremission; cCR: klinische Komplettremission; pCR: pathologische Komplettremission;
LD: längster Durchmesser in cm; SCC: Squamous Cell Carcinoma Antigen im Serum (μg/l)
|
gesamt
|
30
|
16
|
14
|
0,917
|
Response
|
nein
|
1 (6,3)
|
0 (0)
|
1,000
|
ja
|
15 (93,7)
|
14 (100)
|
cPR
|
nein
|
4 (25)
|
6 (42,9)
|
0,442
|
ja
|
12 (75)
|
8 (57,1)
|
cCR
|
nein
|
14 (87,5)
|
8 (57,1)
|
0,072
|
ja
|
2 (12,5)
|
6 (42,9)
|
pCR
|
nein
|
10 (62,5)
|
10 (71,4)
|
0,460
|
ja
|
6 (37,5)
|
4 (28,6)
|
Downgrading
|
nein
|
4 (25)
|
0 (0)
|
0,103
|
ja
|
12 (75)
|
14 (100)
|
R0-Resektion
|
nein
|
2 (12,5)
|
0 (0)
|
1,000
|
ja
|
14 (87,5)
|
14 (100)
|
ΔLD (cm)
|
2,5
|
3,7
|
0,025
|
ΔSCC (μg/l)
|
8,3
|
7,4
|
0,978
|
Abb. 3 Der Waterfall Plot zeigt die Veränderung der Tumorgröße (LD) in Prozent vor und nach
der Behandlung mit/ohne Bevacizumab. In der Tabelle werden die dazugehörigen Ansprechraten
und Tumorstadien angezeigt. Bei 7/16 Patienten in der konventionellen Gruppe und 1/14
Patienten in der Bevacizumabgruppe fehlten die Angaben zur posttherapeutischen Tumorgröße
und wurden dementsprechend exkludiert (Abkürzungen: cPR: Partialremission; cCR: klinische
Komplettremission; pCR: pathologische Komplettremission).
Abb. 2 Boxplot-Diagramm zeigt eine bessere Tumorreduktion durch die Addition von Bevacizumab
(ΔLD in cm = 2,5 ± 1,6 vs. 3,7 ± 1,2; p = 0,025). Fisherʼs Exact-Test mit einem Signifikanzniveau
von α = 0,05.
Die Hinzunahme von Bevacizumab verbessert signifikant die Tumorreduktion
Bei einem Großteil der Patientinnen (22/30) konnte die prä- und posttherapeutische
Tumorgröße durch die Bildgebung (MRT, CT) nach RECIST-Kriterien (längster Durchmesser
– LD) objektiviert werden. Hier konnte eine signifikant bessere Tumorreduktion durch
eine Bevacizumab-Kombinationstherapie erreicht werden (p = 0,025, [Abb. 2] und [3]).
Insbesondere bei den großen Karzinomen zeigte sich vor Beginn einer Therapie auch
ein deutlich erhöhter SCC-Wert im Serum. Obwohl der deutliche Abfall des erhöhten
SCC-Wertes im Serum bei großen Zervixkarzinomen in unserer Erhebung nicht statistisch
signifikant war, (ΔSCC: 7,4 vs. 8,3 μg/l; p = 0,978), konnten wir Remissionen aufzeigen,
die sich auch serologisch bestätigt fanden. Exemplarisch zeigte sich bei einer Patientin
im Stadium IIIb (Patientin 22, [Tab. 3]) mit einer Bevacizumab-Kombinationstherapie eine Abnahme des SCC von initial 21,4 μg/l
auf 1,5 μg/l und eine Reduktion der Tumorgröße (LD) von initial 5,6 auf 0 cm, im Sinne
einer klinischen Komplettremission.
Tab. 3 Auflistung der registrierten Nebenwirkungen nach einer Bevacizumab-Kombinationstherapie.
Die Klassifikation erfolgte nach CTCAE (Common Terminology Criteria for Adverse Events).
|
Patienten (n = 14)
|
keine
n (%)
|
Grad I
n (%)
|
Grad II
n (%)
|
Grad III
n (%)
|
Anämie
|
2 (14)
|
9 (64)
|
3 (21)
|
0 (0)
|
Neutropenie
|
3 (21)
|
4 (29)
|
7 (50)
|
0 (0)
|
Thrombopenie
|
7 (50)
|
5 (36)
|
2 (14)
|
0 (0)
|
Diarrhö
|
9 (64)
|
5 (36)
|
0 (0)
|
0 (0)
|
Mukositis
|
3 (21)
|
9 (64)
|
2 (14)
|
0 (0)
|
Fisteln/Perforationen
|
0 (0)
|
0 (0)
|
0 (0)
|
0 (0)
|
Hypertonie
|
3 (21)
|
5 (36)
|
5 (36)
|
1 (7)
|
Proteinurie
|
6 (43)
|
3 (21)
|
5 (36)
|
0 (0)
|
thromboemb. Ereignisse
|
0 (0)
|
0 (0)
|
0 (0)
|
0 (0)
|
Fatigue
|
0 (0)
|
7 (50)
|
6 (43)
|
1 (7)
|
Keine therapielimitierenden Nebenwirkungen durch die zusätzliche Gabe von Bevacizumab
In unserer Kohorte zeigten sich unter der Kombinationstherapie mit Bevacizumab insgesamt
keine therapielimitierenden Nebenwirkungen ([Tab. 3]). Die überwiegende Anzahl der Patientinnen wiesen unter der laufenden Kombinationschemotherapie
Blutbildveränderungen auf. Ebenso häufig kam es unter der Therapie zu Fatigue und
Erschöpfungszuständen. Eine Patientin zeigte eine Fatigue im Stadium III und musste
stationär supportiv behandelt werden, der Anschlusszyklus konnte aber ohne Verzögerung
appliziert werden. In der gesamten Kohorte konnten keine Fistelbildung oder thromboembolische
Ereignisse nachgewiesen werden. 57% aller Frauen wiesen unter der laufenden Therapie
eine Proteinurie Grad I und II auf. Vergleichbar häufig kam es zu hypertensiven Veränderungen.
Eine Patientin wies bei präexistentem Hypertonus eine Exazerbation der Blutdruckwerte
unter Bevacizumab auf CTC Grad III auf. Unter einer antihypertensiven Therapie konnte
die Chemotherapie mit Bevacizumab fortgesetzt werden.
Diskussion
Ziel dieser retrospektiven Analyse war es, den Effekt von Bevacizumab in Kombination
mit einer neoadjuvanten Chemotherapie beim Zervixkarzinom zu untersuchen. Wir konnten
in unserem Kollektiv beobachten, dass eine neoadjuvante Chemotherapie mit Bevacizumab
die Tumorregression signifikant verbessern kann und dadurch möglicherweise erhöhte
Ansprechraten erreicht werden können.
Auch wenn beim Gesamtansprechen kein signifikanter Unterscheid messbar war (p = 1,000),
konnten wir bei der Rate an klinischen Komplettremissionen einen Trend zugunsten der
Bevacizumab-Kohorte (p = 0,072) aufzeigen. Eine ähnliche Beobachtung konnte in der
GOG-240-Studie gemacht werden. Hier wurden höhere Ansprechraten von 50% im Cisplatin-Paclitaxel-Bevacizumab-Arm
im Vergleich zu 45% im Cisplatin-Paclitaxel-Arm erreicht, allerdings war der Unterschied
auch nicht signifikant (p = 0,51) [13]. Die pathologische Komplettremission scheint einen relevanten Einfluss auf das Gesamtüberleben
sowie das progressionsfreie Überleben zu haben [19], [20]. Daher haben wir auch die Rate an pathologischen Komplettremissionen (pCR) untersucht,
konnten aber in der Bevacizumab-Kohorte keine signifikante Verbesserung erzielen.
Dieser nicht signifikante Unterscheid ist möglicherweise auf die kleine Patientenkohorte
zurückzuführen. Zudem muss man anmerken, dass in der Bevacizumab-Kohorte mehr Patientinnen
enthalten waren, die eine fortgeschrittene Erkrankung hatten (cT3/cT4-Karzinome; n = 5),
bei denen eine pathologische Komplettremission schwieriger zu erreichen ist.
Alle mit Bevacizumab therapierten Patienten konnten R0 operiert werden. Zudem ließ
sich bei allen ein Downgrading feststellten. Somit könnte durch die Hinzunahme von
Bevacizumab gegebenfalls eine bessere Operabilität besonders großer und primär inoperabler
Tumore erreicht werden. Weitere prospektive Untersuchungen sollten den prädiktiven
Wert der Tumorgröße bei einer Bevacizumab-Behandlung überprüfen.
Der signifikant stärkere Antitumoreffekt durch die Hinzunahme von Bevacizumab auf
die Tumorgröße (p = 0,025) lässt sich anhand von pathophysiologischen Vorgängen erklären.
Die Proliferation neuer Blutgefäße spielt für das Wachstum eines Tumors bekanntermaßen
eine entscheidende Rolle [21]. Die VEGF-Expression und die mikrovaskuläre Dichte sind Surrogatmarker der Angiogenese
und die mikrovaskuläre Dichte korreliert mit der Expression von VEGF [22]. Eine hohe mikrovaskuläre Dichte konnte bereits als ungünstiger Prognosemarker für
den Krankheitsverlauf identifiziert werden [23]. Saijo et al. zeigten 2015, das bei Plattenepithelkarzinomen insbesondere in den
fortgeschrittenen Stadien und bei den Adenokarzinomen stadienübergreifend eine hohe
mikrovaskuläre Dichte vorlag [24]. Diese vermehrte Gefäßdichte ermöglicht vermutlich eine bessere lokale Wirksamkeit
der Chemotherapien und durch erhöhte Oxygenierung ein besseres Ansprechen der Strahlenbehandlung
[25]. Die Rationale für eine neoadjuvante Therapie mit Bevacizumab liegt hier begründet.
Lee et al. konnten bereits eine signifikante Korrelation zwischen der Abnahme der
Tumorgröße und dem Abfall des SCC nach einer Radiotherapie des Zervixkarzinom aufzeigen
[26]. Diese Beobachtung konnten wir in unserem mit Bevacizumab behandeltem Kollektiv
ansatzweise bestätigen.
Ein Schwachpunkt dieser Erhebung war die geringe Patientenzahl sowie das inhomogene
Patientenkollektiv. Alle Patientinnen erhielten eine platinhaltige Chemotherapie mit
oder ohne Bevacizumab, waren bezüglich Dosierung und Therapiezyklen aber nicht einheitlich.
Trotzdem konnte ein signifikanter Effekt auf die Tumorgröße und ein Trend bei den
klinischen Ansprechraten durch die Hinzunahme von Bevacizumab beobachtet werden, was
auf einen entsprechenden Therapieeffekt schließen lässt. Die Beurteilung des Resektionsstatus
sowie der klinischen Ansprechraten könnte durch die subjektive Beurteilung und Interobserver-Variabilität
beeinflusst worden sein. Um diesen Störfaktor zu reduzieren, wurden die Veränderung
der Tumorgröße und Ansprechraten bei den radiologisch reevaluierten Patientinnen nach
RECIST-Kriterien analysiert.
Das Nebenwirkungsprofil von Bevacizumab umfasst insbesondere Hypertonien und Proteinurien
[27]. Analog zu den Erfahrungen der GOG-240-Studie zeigten sich bei unseren Patientinnen
Bevacizumab-assoziierte Nebenwirkungen, die gut zu behandeln waren und nicht zum Abbruch
der Therapie führten [13].
Schlussfolgerung
Insgesamt führte die Kombinationstherapie mit Bevacizumab zu einem besseren klinischen
Ansprechen und einer verbesserten Operabilität. Die Ergebnisse sind aufgrund der kleinen
Fallzahlen vorsichtig zu interpretieren, ermutigen aber zu weiteren prospektiven Studien,
um den Therapieerfolg mit einer neoadjuvanten Bevacizumab-Kombinationstherapie zu
validieren.