Handchirurgie Scan 2018; 07(03): 182-184
DOI: 10.1055/a-0644-8940
Diskussion
Infektionen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Beugesehnen-Phlegmone: Sonografie hilft in Frühstadien bei der Diagnose

Jardin E. et al.
Usefulness of ultrasound for the diagnosis of pyogenic flexor tenosynovitis: A prospective single-center study of 57 cases.

Hand Surg Rehabil 2018;
37: 95-98
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Publication Date:
15 January 2019 (online)

 

    Eine pyogene Tenosynovitis der Fingerbeugesehnen gilt als handchirurgischer Notfall, der sofort operativ versorgt werden muss. In Frühstadien können aber die klassischen klinischen Anzeichen – fusiforme Schwellung des betroffenen Fingers, Druckschmerz über der betroffenen Sehne, starke Schmerzen bei passiver Extension des Fingers und Schonhaltung in Beugestellung – fehlen oder wenig ausgeprägt sein.


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    Dann ist eine schnelle, allgemein verfügbare Untersuchungsmethode in Ergänzung zur klinischen Beurteilung erforderlich, um die Phlegmone zuverlässig ausschließen oder bestätigen zu können. Französische Mediziner stellen eine Möglichkeit vor.
    Die Handchirurgen der Klinik Besançon haben zwischen Januar 2012 und März 2015 insgesamt 57 Patienten in eine prospektive Studie aufgenommen. Bei allen Teilnehmern bestanden Entzündungszeichen des Fingers (Schmerzen, Rötung, Überwärmung), aber die klinische Untersuchung konnte eine Beugesehnen-Phlegmone nicht sichern. Daraufhin erfolgte noch in der Notaufnahme eine Sonografie des betroffenen Fingers. Dabei achteten die Untersucher auf

    • echoarme peritendinöse Ergüsse bei unauffälligen Farb-Doppler-Signalen und/oder

    • echoarme Verdickungen der Sehnenscheiden-Synovia mit Hyperämie in der Farb-Doppler-Untersuchung.

    Diese Befunde wurden mit denen eines benachbarten oder kontralateralen gesunden Fingers verglichen. Erwies sich dabei ein Erguss als umfangreicher und/oder die Synovia als dicker als im Vergleichsfinger, wurde die Diagnose einer Beugesehnen-Tenosynovitis gestellt und der Patient operativ versorgt. Fehlten diese Anzeichen, erfolgte eine konservative Behandlung mit Antibiotika (1 g Amoxicillin plus Clavulansäure 3-mal pro Tag) und Ruhigstellung des Fingers in Intrinsic-plus-Stellung. Diese Patienten stellten sich alle 2 Tage in der Klinik zu einer Kontrolle vor, bis die Infektion ausgeheilt war.

    Für die Auswertung beurteilten die Wissenschaftler nun die Aussagekraft der Sonografie im Hinblick auf die Diagnose der Phlegmone. Als Referenz zogen sie den klinischen Verlauf bzw. den intraoperativen Befund heran.

    Die Sonografie zeigte bei 27 Patienten deutliche peritendinöse Ergüsse, bei 23 eine Verdickung der Synovia mit Hyperämie im Farb-Doppler. Die 27 Patienten mit positivem Befund wurden sofort operiert, bei 18 von ihnen wurde die Diagnose der Beugesehnen-Phlegmone durch das intraoperative Bild bzw. die Ergebnisse der mikrobiologischen Kultur bestätigt. Die restlichen 30 Patienten erhielten zunächst Antibiotika und Kontrolltermine. Aus dieser Gruppe wurde ein Patient wegen eines ungünstigen Verlaufs sekundär operativ versorgt. In allen anderen Fällen kam es primär zu guten klinischen Ergebnissen. Aus diesen Zahlen errechneten sich bei klinisch nicht eindeutigem Befund für die Sonografie zur Diagnose einer Beugesehnen-Phlegmone

    • eine Sensitivität von 94,4 %,

    • eine Spezifität von 74,4 %,

    • ein positiver Vorhersagewert von 63 % und

    • ein negativer Vorhersagewert von 96,7 %.

    Zusätzlich war bei allen Patienten die Konzentration des C-reaktiven Proteins bestimmt worden. Dabei fanden sich in der Gruppe mit gesicherter Phlegmone zwar deutlich höhere Werte (41,8 mg/l vs. 23,7 mg/l), der Unterschied verfehlte aber knapp die statistische Signifikanzgrenze.

    Fazit

    Wenn bei der klinischen Untersuchung die Diagnose einer Beugesehnen-Phlegmone zwar nicht auszuschließen ist, aber auch nicht absolut gesichert werden kann, scheint die Sonografie eine sinnvolle Ergänzung, meinen Jardin et al. Damit könnte einer erheblichen Zahl von Patienten eine unnötige Operation erspart werden, ohne dass eine notwendige OP zu lange hinausgezögert würde. Voraussetzung ist allerdings die engmaschige klinische Kontrolle bei den (zunächst) konservativ behandelten Patienten.

    Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim

    Kommentar

    Die Beugesehnenscheiden-Phlegmone ist eine Infektionserkrankung der Beugesehnenscheide, welche anatomisch aus einem viszeralen und parietalen Blatt besteht, die proximal und distal ineinander übergehen und daher einen abgeschlossenen Raum darstellen. Je nach involviertem Finger liegt ein anatomisch definiertes Verbreitungsmuster vor, das aufgrund anatomischer Variationen aber auch vom gewöhnlichen Bild abweichen kann. Auch eine Fortleitung in den distalen Vorderarm über den Parona-Raum ist möglich [9, 11].


    Die für die Erkrankung am häufigsten verantwortlichen Keime sind Staphylococcus aureus, β-hämolysierende Streptokokken und im Falle von Tierbissverletzungen auch Pasteurella multocida. Bei immunsupprimierten Patienten sind auch Infektionen mit anderen Keimen möglich [1, 12]. Des Weiteren sind Infektionen mit seltenen Keimen wie atypischen Mykobakteriosen, v. a. Mycobacterium chelonae eine weitere Ursache von Synovitiden, die sich schleichend entwickeln und sich akut in Form einer Daktylitis präsentieren können [4].


    In der Handchirurgie ist vor allem die Trennung zwischen der Notwendigkeit eines unverzüglichen operativen Eingreifens und der Möglichkeit eines konservativen Vorgehens relevant. Obgleich die klinischen Zeichen nach Kanavel [6] in vielen Fällen wegführend sind, sind sie zur korrekten Differenzierung nicht immer ausreichend, da sie in der für den Handchirurgen relevanten frühen Phase eines Infektgeschehens nicht selten nur vereinzelt vorliegen und mit den klinischen Zeichen anderer Erkrankungen verwechselt werden können.


    Klinische Zeichen einer Beugesehnenscheiden-Phlegmone nach Kanavel [6]:

    • symmetrische Verdickung des Fingers

    • ausgeprägter, auf den Digitalkanal beschränkter Druckschmerz

    • Schmerzen bei der passiven Extension

    • halb gebeugte Stellung des betroffenen Fingers


    Sonografische Diagnostik


    Die ergänzende Ultraschallschalldiagnostik hat bei der Diagnosesicherung einer Beugesehnenscheiden-Phlegmone relevante Vorteile. Anhand typischer sonografischer Kriterien kann sie die klinische Verdachtsdiagnose mit einer hohen Sensitivität erhärten, die Ausdehnung des Infektes beurteilen und Differenzialdiagnosen sehr zuverlässig ausschließen. Das axiale Auflösungsvermögen liegt schon bei Schallfrequenzen von 15 MHz in einem Bereich von etwa 0,1 mm, was dem Untersucher eine Ortsauflösung bietet, die durch keine andere diagnostische Methode erreicht wird.


    Das typische sonografische Bild einer Beugesehnenscheiden-Phlegmone zeigt in der Längsschnittuntersuchung eine hypoechogene Expansion des Digitalkanals mit schlauchartigen peritendinösen Infiltrationen, die im Frühstadium strikturförmig von intakten Ringbandstrukturen unterbrochen werden. Nicht selten sind diese frühen Flüssigkeitskollektionen direkt proximal und distal an das jeweilige Ringband angrenzend und vor allem auf Höhe des A2-Ringbands zu finden [10]. Sie können hier mit Ringbandganglien verwechselt werden, von denen sie sich vornehmlich durch ihre Kontur-Irregularität und ihre randständige, dem Ringband nicht aufsitzende Lokalisation unterscheiden. Prunières et al. konnten nachweisen, dass der Digitalkanal bei Patienten mit Beugesehnenscheiden-Phlegmone eine Ausdehnung von durchschnittlich 5,01 mm (Querschnitt: 5 mm/Längsschnitt: 5,03 mm) aufwies, während der Vergleichswert auf der unbetroffenen kontralateralen Seite bei 4,17 mm lag. Im Falle von typischen klinischen Zeichen wurde ab einer Zunahme des Querschnitts von 20 % der Gegenseite ein operatives Vorgehen empfohlen [10].


    Ein zusätzliches diagnostisches Kriterium ist die in der Studie von Jardin et al. ebenfalls untersuchte perifokal vermehrte Vaskularität [5], die sehr gut in der Power-Doppleruntersuchung dargestellt werden kann. Neue Techniken wie das Superb Micro-Vascular Imaging (SMI) erscheinen vielversprechend, da sie noch sensibler als gewöhnliche Doppler- und Power-Doppleruntersuchungen sind und zusätzlich ein Ausblenden des betroffenen Weichteilgewebes ermöglichen. Das Resultat kommt einer Subtraktionsangiografie der Kapillarstrukturen gleich.


    Im Falle einer Penetration des Digitalkanals kommt es zu einem Austritt der initial peritendinös lokalisierten Flüssigkeitskollektionen. Typischerweise breitet sich die Flüssigkeit zwischen den anatomisch definierten Fettgewebssepten aus und führt zu deren typischer Separation, die man auch bei Infektverläufen außerhalb des Digitalkanals, zum Beispiel bei subkutanen Abszessen findet.


    Differenzialdiagnosen


    Bei etwa 50 % der Patienten mit rheumatoider Arthritis ist eine Synovitis des Digitalkanals zu beobachten [3], deren rein sonografisches Bild nicht immer von dem einer Beugesehnenscheiden-Phlegmone differenziert werden kann. Im Gegensatz zu einem infektiösen Geschehen unterscheiden sich die klinischen Befunde hinsichtlich Anamnese und Verlauf jedoch meist deutlich. Des Weiteren ist bei der rheumatoiden Arthritis ein gewisses Verteilungsmuster der Veränderungen zu beobachten, welche sich eher auf die Metakarpophalangealgelenke und die Extensor-carpi-ulnaris-Sehne konzentrieren und hier auch semi-quantitativ erfasst werden können [8]. Infektionen des Digitalkanals mit atypischen Mykobakterien, wie zum Beispiel Mycobacterium chelonae, sind selten und entwickeln sich meist schleichend. Typisch ist ein initial langer subklinischer Verlauf mit eventuell plötzlich akut einsetzenden Beschwerden und dem klinischen Bild einer Daktylitis. Häufig sind zum Zeitpunkt der Diagnose bereits ausgedehnte, peritendinös angeordnete hypoechogene Infiltrationen erkennbar, die geschichtet erscheinen und sich im Querschnitt zwiebelschalenförmig um die betroffenen Sehnenstrukturen anordnen. Der Prozess kann den Digitalkanal zu diesem Zeitpunkt bereits unterwandert und die Ringbandintegrität gestört haben. Ähnlich einer Ringbandverletzung stellt sich der Beugesehnenverlauf dann von der Kortikalis abgehoben dar. In diesen Fällen könnte zukünftig auch die Anwendung elastografischer Untersuchungstechniken von differenzialdiagnostischem Interesse sein. Diese sonografische Technik, bei der über den Schallkopf Druckimpulse ausgesendet werden, erlaubt eine Messung der Gewebeelastizität. Verglichen mit einer durch die üblichen Keime hervorgerufenen Beugesehnenscheiden-Phlegmone sind bei den fibrinös veränderten synovialen Infiltrationen einer Mykobakteriose veränderte Messwerte zu erwarten.


    Isolierte Beugesehnenrupturen können sonografisch ebenfalls als peritendinöse Flüssigkeitsvermehrung imponieren. Je nach Lokalisation des proximalen Sehnenstumpfes können ein Druckschmerz sowie Schmerzen bei der passiven Extension des betroffenen Fingers resultieren. Im Gegensatz zu einer Beugesehnenscheiden-Phlegmone ist der hypoechogene Saum in diesen Fällen als verbliebener, synovitisch veränderter und gelegentlich mit fibrosiertem Narbengewebe gefüllter Hohlraum zu sehen, der das fehlende Beugesehnenvolumen reflektiert. Die sonografische Differenzierung der betroffenen Sehne kann dynamisch erfolgen, auch die Lokalisation der Sehnenstümpfe ist möglich, welche häufig verdickt und hypoechogen umsäumt sind.


    Auch die sonografische Abgrenzung der Beugesehnenscheiden-Phlegmone von einem Gelenkinfekt (Pyarthros) ist möglich. Neben der Tatsache, dass bei einem isolierten Gelenkinfekt meist eine eher dorsale Penetration vorliegt, zeigt sich sonografisch eine intraartikuläre Flüssigkeitskollektion mit hypoechogener Expansion des dorsalen und palmaren Rezessus, welche in einer Abhebung der Streckaponeurose respektive der palmaren Platte von der Kortikalis resultiert. Sie ist gut von einer Flüssigkeitskollektion im Digitalkanal abgrenzbar. Auch die Zeichen einer vermehrten Vaskularisation sind in der Power-Doppleruntersuchung auf das Gelenk fokussiert.


    Veränderungen einer Kristallarthropathie betreffen in der Regel auch die Interphalangealgelenke der Finger, nicht den Digitalkanal. Dennoch können die damit verbundenen Gelenkschwellungen und -schmerzen einige der von Kanavel [6] beschriebenen klinischen Symptome imitieren. Sonografisch finden sich neben einer intraartikulären Flüssigkeitsvermehrung meist auch hyperechogene Kalkablagerungen in der Seitenbandregion (Hydroxylapatit), diffuse grobschollige periartikuläre Verkalkungen (Urat) oder hyperechogene intrakartilaginäre Doppelkonturen (Kalziumpyrophosphat). In Kombination mit dem klinischen Befund und erkrankungstypischen Verteilungsmustern erlauben diese sonografischen Befunde auch eine Differenzierung dieser Kristallarthropathien [2, 7]. Tendinöse Veränderungen sind in dieser Erkrankungsgruppe weniger auf Höhe des Digitalkanals zu suchen. Im Falle einer Hydroxylapatit-Ablagerungserkrankung treten Beschwerden vor allem auf Höhe der Flexor-carpi-ulnaris-Sehne (akutes Kalksalzdepot), im Rahmen einer Kalziumpyrophosphat-Ablagerungserkrankung auf Höhe des STT-Gelenks an der Flexor-carpi-radialis-Sehne, auf.


    Autorinnen/Autoren

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    Dr. med. Sebastian Kluge, Facharzt FMH für Chirurgie und Handchirurgie, Ultraschalldiagnostik Bewegungsapparat SGUM, Zürich

    Literatur


     [1] Doyle JR. Anatomy of the flexor tendon sheath and pulley system: a current review. Journal of Hand Surgery (Am) 1989; 14: 349 – 351


     [2] Forster A, Krebs A. Kristallkrankheiten Teil 1: Gicht. Swiss Medical Forum, 17 (2017), 387 – 390


     [3] Hmamouchi I, Bahiri R, Srifi N et al. A comparison of ultrasound and clinical examination in the detection of flexor tenosynovitis in early arthritis. BMC musculoskeletal disorders 2011; 12: 91


     [4] Iyengar KP, Nadkarni JB, Gupta R et al. Mycobacterium chelonae hand infection following ferret bite. Infection 2013; 41: 237 – 241


     [5] Jardin E, Delord M, Aubry S et al. Usefulness of ultrasound for the diagnosis of pyogenic flexor tenosynovitis: A prospective single-center study of 57 cases. Hand surgery & rehabilitation 2018; 37: 95 – 98


     [6] Kanavel AB. An anatomical, experimental, and clinical study of acute phlegmons of the hand. Q Bull Northwest Univ Med Sch 1905; 7: 384 – 446


     [7] Krebs A and Forster A. Kristallkrankheiten Teil 2: Kalziumpyrophosphatablagerungserkrankung. Swiss Medical Forum 2017; 17: 391 – 394


     [8] Naredo E, DʼAgostino, MA, Wakefield RJ et al. Reliability of a consensus-based ultrasound score for tenosynovitis in rheumatoid arthritis. BMJ Publishing Group Ltd 2013; 1328 – 1334


     [9] Patel DB, Emmanuel NB, Stevanovic MV et al. Hand infections: anatomy, types and spread of infection, imaging findings, and treatment options. Radiographics: a review publication of the Radiological Society of North America, Inc 2014; 34: 1968 – 1986


    [10] Prunières G, Igeta Y, Hidalgo Díaz JJ et al. Ultrasound for the diagnosis of pyogenic flexor tenosynovitis. Hand surgery & rehabilitation 2018; 37: 243 – 246


    [11] Scheldrup EW. Tendon sheath patterns in the hand; an anatomical study based on 367 hand dissections. Surgery, gynecology & obstetrics 1951; 93: 16 – 22


    [12] Schnall SB, Vu-Rose T, Holtom PD et al. Tissue pressures in pyogenic flexor tenosynovitis of the finger. Compartment syndrome and its management. The Journal of bone and joint surgery [Br] 1996; 78: 793 – 795


    [13] Kluge S. Ultraschalldiagnostik der Hand. Springer 2015


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    Dr. med. Sebastian Kluge, Facharzt FMH für Chirurgie und Handchirurgie, Ultraschalldiagnostik Bewegungsapparat SGUM, Zürich