Aktuelle Dermatologie 2018; 44(08/09): 360-365
DOI: 10.1055/a-0646-5901
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nahrungsmittelprovokationen im Kindesalter ganz praktisch

Conducting Oral Food Challenges in Children – Hands-on Procedures
M. Ziegert
1   DRK Kliniken Berlin Westend, Berlin
,
V. Trendelenburg
2   Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin, Universitätsmedizin Charité Berlin, Berlin
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Mandy Ziegert
DRK Kliniken Berlin Westend
Spandauer Damm 130
14050 Berlin

Publication History

Publication Date:
23 August 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Im Säuglings- und Kleinkindalter gehören IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien zu den häufigsten allergischen Erkrankungen. Insbesondere die orale Nahrungsmittelprovokation stellt hier einen Grundpfeiler einer fundierten Diagnostik dar. Der Goldstandard ist die doppelblinde, Placebo-kontrollierte Nahrungsmittelprovokation (DBPCFC; double-blind, placebo-controlled food challenge). Sie hilft, v. a. bei unklarer Anamnese, die klinische Relevanz einer Sensibilisierung gegen Nahrungsmittel zu überprüfen oder neu zu evaluieren. Im Säuglings- und Kleinkindalter ist eine genaue Diagnostik besonders relevant, um unnötig einschränkende Eliminationsdiäten zu vermeiden oder den Patienten bzw. deren Eltern hinsichtlich einer individuell angepassten spezifischen Ernährungstherapie zu beraten. Dieser Artikel beschreibt praktische Vorgehensweisen für die Durchführung oraler Nahrungsmittelprovokationen im Kindesalter mit Fokus auf die am häufigsten vorkommenden IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien (Kuhmilch, Hühnerei, Erdnuss).


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Abstract

IgE-mediated food allergies are among the most common allergic diseases in infancy and early childhood. Especially oral food challenges are an important pillar of an accurate diagnosis of food allergy. Double-blind, placebo-controlled food challenges (DBPCFC) are considered the gold standard. Especially in cases of an unclear medical history, food challenges help to validate or re-evaluate the clinical relevance of a sensitisation to food allergens. In infants and young children an accurate diagnosis is of major importance to avoid unnecessary restrictive elimination diets or to advice patients and their parents concerning an individual specific dietary treatment. This article provides hands-on procedures for the conduction of oral food challenges in the pediatric population with focus on the most common IgE-mediated food allergies in this patient group (cow’s milk, hen’s egg, peanut).


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Abkürzungen

AAF: Aminosäureformula
DBPCFC: doppelblinde, Placebo-kontrollierte Nahrungsmittelprovokation
eHF: extensiv hydrolysierte Formula

Einleitung

Nahrungsmittelprovokationen nehmen einen großen Stellenwert bei der Diagnostik von Nahrungsmittelallergien ein. Diese sollten stets unter standardisierten Bedingungen ablaufen [1] [2]. Im Folgenden werden praktische Vorgehensweisen für die Durchführung vorgestellt. Der Fokus liegt hierbei auf oralen Nahrungsmittelprovokationen, die am häufigsten im Säuglings- und Kindesalter durchgeführt werden. Dazu gehören Kuhmilch, Hühnerei und Erdnuss. Basierend auf den aktuellen Leitlinien zur Standardisierung von oralen Provokationstests bei Verdacht auf Nahrungsmittelallergien [1] [2], sollten folgende Punkte beachtet werden:


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Praktische Umsetzung für Nahrungsmittel-Provokationen

Vorbereitung

  • Wann die Indikation zur Durchführung einer Nahrungsmittelprovokation bei einer Verdachtsdiagnose gestellt wird, wird nach alltags- und ernährungsphysiologischer Relevanz des zu testenden Nahrungsmittels entschieden. Dies sollte in gemeinsamer Absprache zwischen Arzt und Ernährungsfachkraft erfolgen. Eine Änderung der Betreuungssituation, wie z. B. der Eintritt in die Kita oder Schule, ist häufig ausschlaggebend.

  • Vor Beginn der Provokation sollte das oder die verdächtigen Nahrungsmittelallergene in Form einer Eliminationsdiät für mindestens 7 Tage strikt gemieden werden.

  • Im Idealfall sollte die Provokation doppelblind und Placebo-kontrolliert (DBPCFC) ablaufen. Bei dieser Form der Provokation wissen weder der Arzt noch der Patient, an welchem Tag der Provokation Placebo oder Verum verabreicht wird. Allein die Ernährungsfachkraft, die für die Zubereitung der Provokationsmahlzeit zuständig ist, kennt die Reihenfolge. Verum und Placebo sollten an unterschiedlichen Tagen verabreicht werden, um Überschneidungen von Reaktionen zu vermeiden und verifizierte Bewertungen vornehmen zu können.

  • Bei der Planung eines Provokationsblocks mit mehreren Allergenen ist darauf zu achten, dass die Abfolge der zu testenden Nahrungsmittel so gewählt wird, dass sich diese gut für eine Verblindung kombinieren lassen. Eine gute Kombination wäre z. B. Hühnerei und Kuhmilch, da beides in flüssiger Form zubereitet werden kann. Erdnuss kann man hingegen gut verblindet als Brei anbieten.


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Placebo/Matrix

  • Bei einer DBPCFC muss die Placebo-Mahlzeit der Verum-Mahlzeit so gut wie möglich in Geschmack, Geruch, Farbe und Konsistenz ähneln. Generell sind daher flüssige Nahrungsmittel, wie Kuhmilch oder Hühnerei, leichter zu verblinden als „stückige“ Nahrungsmittel, wie Erdnuss. Bei Kindern unter einem Jahr sind je nach Ernährungsstadium Provokationen mit festen Nahrungsmitteln, wie Nüssen, aufgrund der Konsistenz und Akzeptanz großer Breimengen häufig schwierig durchzuführen.

  • Das Placebo muss eine allergenfreie bzw. für den Patienten verträgliche Matrix sein. Dies sollte vorher im Rahmen der Anamnese durch die Ernährungsfachkraft genau abgeklärt werden. Bei Säuglingen und Kleinkindern eignet sich insbesondere bei zu testenden Flüssigkeiten eine allergenfreie bzw. -arme Säuglingsformula (Aminosäureformual [AAF]) oder eine extensiv hydrolysierte Säuglingsformula (eHF).

  • Bei der Wahl des Placebos sollten neben der Verträglichkeit auch persönliche Vorlieben des Kindes berücksichtigt und nach Rücksprache mit den Eltern abgestimmt werden, um Verweigerungen während der Provokation zu vermeiden. Aufgrund des bitteren Geschmackes der oben genannten Spezialsäuglingsformula ist in den meisten Fällen eine vorherige Gewöhnung zu Hause nötig, damit das Kind die Matrix bei der Provokation akzeptiert.

  • Bei der Zubereitung ist stets darauf zu achten, dass es zu keiner Kreuzkontamination mit anderen Allergenen kommt. Jegliche, zur Verblindung eingesetzten Lebensmittel und Hilfsstoffe sollten vorher auf eine gute Verträglichkeit in der Anamnese abgeklärt werden.


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Provokations-Matrix

Bei der Provokationsmatrix sollten folgende Punkte beachtet werden:

  • Konsistenz Generell sind flüssige Mischungen (z. B. bei Provokationen mit Hühnerei, Kuhmilch) gut mit Aminosäureformula zu verblinden. Durch den stark bitteren Geschmack kann der Eigengeschmack der Nahrungsmittel gut maskiert werden. Je nach Verträglichkeit und Alter des Kindes eignen sich auch Soja-, Hafer- oder Reisdrinks ggf. mit Kakaozusatz. Feste Nahrungsmittel wie Erdnüsse müssen püriert oder gemörsert in Breie eingerührt werden. Hierfür können z. B. Obst- oder Gemüsebreie, Pudding, Reis- oder Getreidebreie verwendet werden. Das Maskieren fester Nahrungsmittel ist schwieriger, da selbst nach dem Pürieren häufig Stückchen des Nahrungsmittels das Verblinden der Provokationsmahlzeit erschweren und die Akzeptanz des Patienten herabsetzen können. Eine entsprechende Anpassung der Konsistenz bei der Placebo-Mahlzeit z. B. durch Haferflocken oder Grieß ist hierbei nötig.

  • Geruch/Geschmack Zum Verblinden von Geruch und Geschmack können künstliche oder natürliche Aromen, wie Orangen- oder Erdbeeraroma, Bananenmus, Zimt und Kakao, nach individueller Verträglichkeit und Vorliebe des Patienten eingesetzt werden. Teilweise helfen diese auch bei der farblichen Maskierung. Auch der Einsatz eines künstlichen Aromas des Allergens selbst ist möglich. Dies bietet sich z. B. bei Erdnuss an, da das Verblinden des starken Eigenaromas mithilfe von zusätzlichen Stoffen kaum möglich ist. Durch die Kühlung im Kühlschrank wird die Geschmacksintensität der Provokationsmahlzeit weiter herabgesetzt. Oftmals hilft die Zugabe von Zucker bei der Akzeptanz der Provokationsmahlzeiten. Sollte ein starker Geruch nicht vermieden werden können, kann der Patient beim Verzehr der einzelnen Provokationsmahlzeiten eine Nasenklemme aufsetzen, dies kann auch bei starker Aversion gegen Restgerüche hilfreich sein.

  • Farbe Zur Maskierung hinsichtlich der Farbe kann z. B. ß-Karotin, Karottensaft, Kakao oder Zimt eingesetzt werden. Sollte eine farbliche Verblindung nicht möglich sein, müssen die einzelnen Gaben verdeckt verabreicht werden (z. B. Alufolie bei flüssigen Mischungen aus Spritzen).

  • Temperatur Je nach Nahrungsmittelallergen und dessen Hitzestabilität ist darauf zu achten, die Provokationsmahlzeit nicht zu erhitzen bzw. das Nahrungsmittel nicht in eine warme Matrix wie z. B. frisch selbst gekochten Pudding zu rühren. Durch die Temperatureinwirkung kann sich die Proteinstruktur hitzelabiler Allergenkomponenten ändern, was zu einem veränderten allergenen Potenzial führen kann.

  • Menge Bei sehr kleinen Kindern ist es möglich, insbesondere bei der letzten großen Stufe (= 7. Portion), das Mischverhältnis von Matrix zu Allergen zu verringern. Zubereitungsvorschläge für eine DBPCFC mit Erdnuss, Kuhmilch und Hühnerei werden später im Manuskript bei den Allergenen direkt vorgestellt.


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Titrationsschemata/Ablauf

  • Je nach Anzahl der zu testenden Nahrungsmittelallergene empfiehlt sich ein Verhältnis von 2:1 von Verum zu Placebo. Dabei erfolgt die Testung jedes Allergens und des Placebos an unterschiedlichen Tagen. In [Abb. 1] ist ein mögliches Ablaufschemata einer DBPCFC mit 2 häufigen Nahrungsmittelallergenen dargestellt. Das Monitoring des Patienten während der Provokation sowie die klinische Beurteilung des Provokationstages obliegt dem Arzt.

  • Die Verabreichung des Allergens sollte in titrierten, langsam aufsteigenden Dosierungen erfolgen, z. B. in Form halblogarithmischer Steigerungen (z. B. siehe [Tab. 1 a]). Dies verringert das Risiko für schwere Reaktionen [3].

  • Zwischen den einzelnen Titrationsstufen sollte ein zeitlicher Abstand von ca. 30 Minuten liegen. Bei unklaren Symptomen können einzelne Titrationsstufen auf Anweisung des Arztes wiederholt oder die Länge des Intervalls von 30 auf ca. 45 min problemlos verlängert werden.

  • Begonnen werden sollte in der Regel am Morgen nach einem leichten Frühstück. Da die Provokation über mehrere Stunden dauern kann, ist ein nüchterner Zustand im Kindesalter problematisch und spiegelt darüber hinaus auch keine alltagsgerechte Situation wider. Im Laufe der Provokation sollte jedoch nicht gegessen werden. Getränke wie Wasser, Tee oder verdünnte Säfte sind nach Verträglichkeit erlaubt.

  • Die im Laufe der Provokation zu verabreichende Gesamtdosis entspricht einer altersentsprechenden Verzehrsmenge, z. B. 150 ml Kuhmilch, ein Hühnerei oder eine Handvoll Erdnüsse.

  • Kommt es im Rahmen der titrierten Gaben zu keiner oder einer nicht eindeutig zu bewertenden objektiven Reaktion bei dem Patienten, sollte unbedingt an einem der folgenden Tage eine kumulative Dosis als Einzeldosis verabreicht werden. Es konnte gezeigt werden, dass etwa 10 % der Kinder mit Nahrungsmittelallergie auf diese Dosis reagieren [4].

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Abb. 1 Mögliche Vorgehensweisen bei der Durchführung einer doppelblinden, Placebo-kontrollierten Provokation mit 2 Nahrungsmittelallergenen [1]. Zwischen den 7 Titrationsstufen werden je 30 Minuten Abstand eingehalten. Kommt es im Rahmen einer titrierten Provokation zu einer Reaktion, entscheidet der Arzt, ob ein Pausentag eingelegt wird. Insbesondere nach der Gabe von Antihistaminika ist ein Pausieren notwendig. Nach der Kumulativdosis muss der Patient für 3 Stunden beobachtet werden. * = wird nur gegeben, falls es im Rahmen der titrierten Provokation zu keiner oder einer unklaren Reaktion kam. ** = wird nur gegeben, falls keine Reaktionen auf die Kumulativdosis des 1. Allergens auftritt, ansonsten muss ein Pausentag eingelegt werden.

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Konkrete Mengen- und Zubereitungsvorschläge für die 3 häufigsten Nahrungsmittelallergene

Kuhmilch

Die Provokation wird mit pasteurisierter, homogenisierter Frischmilch durchgeführt. Die zu verwendende Gesamtmenge soll einer Portionsgröße von einem Glas Kuhmilch, also 145 ml, entsprechen. In [Abb. 2] und [Tab. 1 a] sind die empfohlenen Mengen für eine titrierte Kuhmilchprovokation aufgeführt. Die Gaben sollen nicht erhitzt werden, eine Verabreichung ist in flüssiger Form oder auch als Brei möglich. Die Verblindung kann somit je nach individueller Verträglichkeit anhand verschiedener Matrices wie Aminosäureformula, Soja-, Hafer- oder Reisdrink, Kakao oder Obstmus erfolgen. Ein Rezeptvorschlag mit Aminosäureformula ist in [Tab. 1 b] aufgeführt.

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Abb. 2 Mengen einer titrierten Provokation mit Kuhmilch. Mengen bei einer offenen Kuhmilchprovokation. Die abgewogenen Mengen werden im Anschluss mit einer entsprechender Matrix (z. B. Aminosäureformula) gemischt.
Tab. 1 a

Nahrungsmittel- und Proteinmengen titrierter Provokationen mit Kuhmilch.

Titrationsstufe

1

2

3

4

5

6

7

Kumulativdosis

Kuhmilch (frische, pasteurisierte Kuhmilch)

Menge (g)

0,100

0,300

1,000

3,000

10,000

30,000

100,000

145

Protein (g)

0,003

0,010

0,340

0,102

0,340

1,020

3,400

4,9

Tab. 1 b

Rezeptvorschlag für die Zubereitung einer doppelblinden, Placebo-kontrollierten Kuhmilchprovokation.

Kuhmilch

Frische, pasteurisierte Kuhmilch (ml)

Aminosäureformula (ml)

Gesamtmenge (ml)

0,1

+ 

0,1

= 

0,2

0,3

+ 

0,3

= 

0,6

1,0

+ 

1,0

= 

2,0

3,0

+ 

3,0

= 

6,0

10,0

+ 

10,0

= 

20,0

30,0

+ 

30,0

= 

60,0

100,0

+ 

100,0

= 

200,0

Für Placebo: Gesamtmengen aus 100 % Aminosäureformula


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Hühnerei

Die Provokation wird mit pasteurisiertem Flüssigvollei (z. B. erhältlich als Großküchenprodukt im Tetrapack) durchgeführt, alternativ kann auch Volleipulver verwendet werden. Die zu verwendende Gesamtmenge soll einer Portionsgröße von einem Hühnerei (Größe M = 55 g Flüssigvollei) entsprechen. In [Abb. 3] und [Tab. 2 a] sind die empfohlenen Mengen für eine titrierte Hühnereiprovokation aufgeführt. Die Gaben sollen nicht erhitzt werden. Eine Verabreichung ist in flüssiger Form (vor Verabreichung gut schütteln!) oder auch als Brei möglich. Die Verblindung kann somit je nach individueller Verträglichkeit anhand verschiedener Matrices wie Soja-, Hafer- oder Reisdrink oder Getreidebreie (z. B. Reisflocken, Haferflocken), Pudding, Obst- oder Karottenbrei erfolgen. Für das Placebo kann zur entsprechenden Färbung ß-Karotin eingesetzt werden. Ein Rezeptvorschlag mit Obstmus in Form von Apfelmus ist in [Tab. 2 b] aufgeführt.

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Abb. 3 Mengen einer titrierten Provokation mit Hühnerei. Mengen bei einer offenen Hühnereiprovokation mit pasteurisiertem Flüssigvollei. Die abgewogenen Mengen werden im Anschluss mit einer entsprechender Matrix (z. B. Obstmus) gemischt.
Tab. 2 a

Nahrungsmittel- und Proteinmengen titrierter Provokationen mit Hühnerei.

Titrationsstufe

1

2

3

4

5

6

7

Kumulativdosis

Hühnerei (pasteurisiertes Flüssigvollei)

Menge (g)

0,040

0,100

0,400

1,000

4,000

10,000

40,000

55

Protein (g)

0,005

0,013

0,052

0,129

0,516

1,290

5,160

7,1

Tab. 2 b

Rezeptvorschlag für die Zubereitung einer doppelblinden, Placebo-kontrollierten Hühnereiprovokation.

Hühnerei

Pasteurisiertes Flüssigvollei (g)

Apfelmus (g)

Gesamtmenge (g)

0,04

+ 

0,16

= 

0,2

0,10

+ 

0,5

= 

0,6

0,40

+ 

1,6

= 

2,0

1

+ 

5

= 

6,0

4

+ 

16

= 

20,0

10

+ 

50

= 

60,0

40

+ 

160

= 

200,0

Für Placebo: Gesamtmengen aus 100 % Apfelmus mit ß-Karotin


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Nahrungsmittelprovokation mit erhitztem Hühnerei und Kuhmilch

  • Bis zu 80 % der Kinder mit Hühnerei- oder Kuhmilchallergie vertragen die erhitzte Form der Produkte [5] [6]. Deshalb ist eine entsprechende Provokation angeraten, um die einschränkende Eliminationsdiät durch eine vielfältigere Lebensmittelauswahl und somit die Lebensqualität deutlich zu verbessern. Zudem gibt es erste Hinweise, dass die regelmäßige Gabe dieser Produkte die orale Toleranzentwicklung gegen die rohe Form des Nahrungsmittels beschleunigen könnte [7].

  • Bisher existieren in Deutschland keine einheitlichen, standardisierten Rezepturen zur Provokation mit erhitztem Hühnerei oder Kuhmilch. Für Hühnerei werden beispielsweise in der Mikrowelle erhitztes, pasteurisiertes Flüssigvollei, Muffins, Waffeln oder Biskuits verwendet. Für die zu verabreichende Gesamtmenge orientiert man sich hierbei an der Menge, die auch bei der Provokation mit rohem Flüssigei verwendet wird (ein Hühnerei).


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Erdnuss

Die Provokation wird mit ganzen, gerösteten ungesalzenen Erdnüssen, die selbst gemörsert werden oder alternativ mit selbst hergestelltem Erdnussmus durchgeführt. Die zu verwendende Gesamtmenge soll einer Portionsgröße von einer kleinen Hand voll Erdnüssen (je nach Größe der Erdnüsse etwa 12 – 18 Stück) entsprechen. In [Abb. 4] und [Tab. 3 a] sind die empfohlenen Mengen für eine titrierte Erdnussprovokation aufgeführt. Die Gaben sollen nicht erhitzt werden, eine Verabreichung ist als Brei möglich. Für Flüssigmischungen ist Erdnuss nicht geeignet, da eine homogene Verteilung nicht gewährleistet werden kann. Die Verblindung kann je nach individueller Verträglichkeit anhand verschiedener Matrices wie Schokoladenpudding, Getreidebreie (z. B. Reis-, Haferflockenbrei) oder Obstbrei erfolgen. Aufgrund des starken Geruches von Erdnuss empfiehlt es sich, für das Placebo Erdnussaroma oder für Verum und Placebo Orangenaroma einzusetzen. Ein Rezeptvorschlag mit Schokoladenpudding ist in [Tab. 3 b] aufgeführt.

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Abb. 4 Mengen einer titrierte Provokation mit Erdnuss. Mengen bei einer Erdnussprovokation mit gerösteten, ganzen Erdnüssen. Die abgewogenen Erdnusskerne werden im Anschluss fein gemörsert und dann unter eine entsprechende Matrix (z. B. Schokoladenpudding) gemischt.
Tab. 3 a

Nahrungsmittel- und Proteinmengen titrierter Provokationen mit Erdnuss.

Titrationsstufe

1

2

3

4

5

6

7

Kumulativdosis

Erdnuss (ganze, geröstete Erdnuss)

Menge (g)

0,012

0,040

0,120

0,400

1,200

4,000

12,000

18

Protein (g)

0,003

0,010

0,030

0,100

0,300

1,000

3,000

4,5

Tab. 3 b

Rezeptvorschlag für die Zubereitung von einer doppelblinden, Placebo-kontrollierten Erdnussprovokation.

Erdnuss

Erdnuss (g)

Schokoladenpudding (g)

Gesamtmenge (g)

0,012

+ 

0,18

= 

0,2

0,04

+ 

0,56

= 

0,6

0,12

+ 

1,88

= 

2

0,4

+ 

5,6

= 

6

1,2

+ 

18,8

= 

20

4

+ 

56

= 

60

12

+ 

188

= 

200

Für Placebo: Gesamtmengen aus 100 % Schokoladenpudding mit Erdnussaroma


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Re-Provokation

  • Falls eine Nahrungsmittelallergie durch eine Provokation bestätigt wurde, erfolgt eine Ernährungsberatung durch eine allergologisch spezialisierte Ernährungsfachkraft, um die Eltern über eine individuell und altersentsprechende spezifische Eliminationsdiät und ggf. notwendige Ersatznahrung aufzuklären.

  • Abhängig von dem Nahrungsmittelallergen, sollte in unterschiedlichen zeitlichen Abständen eine Re-Provokation durchgeführt werden. So sollte z. B. aufgrund der hohen Chancen einer spontanen Toleranzentwicklung für Kuhmilch [8] eine Reprovokation nach ungefähr einem Jahr und für Hühnerei [9] nach ungefähr 2 Jahren erfolgen. Für Nahrungsmittel mit geringerer Chance auf eine spontane Toleranzentwicklung, wie Erdnuss, könnte eine Re-Provokation nach 3 – 5 Jahren erfolgen.


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Zusammenfassung

Die Durchführung von Nahrungsmittelprovokationen sollte nach einem, wie hier dargestellten, standardisierten Vorgehen erfolgen. Die Provokation wird als titrierte Provokation mit jeweils zeitlichem Abstand verabreicht. Der Goldstandard zur Diagnose ist eine doppelblinde, Placebo-kontrollierte Nahrungsmittelprovokation. Eine repetitive Provokation sollte stets, je nach Nahrungsmittelallergen und individueller Reaktionsbereitschaft, in unterschiedlichen zeitlichen Abständen erfolgen.

Abkürzungen

AAF: Aminosäureformula
DBPCFC: doppelblinde, Placebo-kontrollierte Nahrungsmittelprovokation
eHF: extensiv hydrolysierte Formula


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen geben an, dass kein Interessenkonflikt in direktem Zusammenhang mit dem Manuskript besteht, erhielten jedoch Honorare für Vorträge von Nutricia.

  • Literatur

  • 1 Niggemann B, Beyer K, Erdmann S. et al. Standardisierung von oralen Provokationstests bei Verdacht auf Nahrungsmittelallergie. Allergo Journal 2011; 20: 149-160
  • 2 Sampson HA, van Wijk RG, Bindslev-Jensen C. et al. Standardizing double-blind, placebo-controlled oral food challenges: American Academy of Allergy, Asthma & Immunology – European Academy of Allergy and Clinical Immunology PRACTALL consensus report. JACI 2012; 130: 1260-1274
  • 3 Rolinck-Werninghaus C, Niggemann B, Grabenhenrich L. et al. Out-come of oral food challenges in children in relation to symptom-eliciting allergen dose and allergen-specific IgE. Allergy 2012; 67: 951-957
  • 4 Niggemann B, Lange L, Finger A. et al. Accurate oral food challenge requires a cumulative dose on a subsequent day. JACI 2012; 130: 261-263
  • 5 Osborne NJ, Koplin JJ, Martin PE. et al. Prevalence of challenge-proven IgE-mediated food allergy using population-based sampling and predetermined challenge criteria in infants. JACI 2011; 127: 668-676
  • 6 Nowak-Wegrzyn A, Bloom KA, Sicherer SH. et al. Tolerance to extensively heated milk in children with cow’s milk allergy. JACI 2008; 122: 342-347
  • 7 Leonard SA, Sampson HA, Sicherer SH. et al. Dietary baked egg accelerates resolution of egg allergy in children. JACI 2012; 130: 473-480
  • 8 Schoemaker AA, Sprikkelman AB, Grimshaw KE. et al. Incidence and natural history of challenge-proven cow’s milk allergy in European children – EuroPrevall birth cohort. Allergy 2015; 70: 963-972
  • 9 Xepapadaki P, Fiocchi A, Grabenhenrich L. et al. Incidence and natural history of hen’s egg allergy in the first 2 years of life-the EuroPrevall birth cohort study. Allergy 2016; 71: 350-357

Korrespondenzadresse

Mandy Ziegert
DRK Kliniken Berlin Westend
Spandauer Damm 130
14050 Berlin

  • Literatur

  • 1 Niggemann B, Beyer K, Erdmann S. et al. Standardisierung von oralen Provokationstests bei Verdacht auf Nahrungsmittelallergie. Allergo Journal 2011; 20: 149-160
  • 2 Sampson HA, van Wijk RG, Bindslev-Jensen C. et al. Standardizing double-blind, placebo-controlled oral food challenges: American Academy of Allergy, Asthma & Immunology – European Academy of Allergy and Clinical Immunology PRACTALL consensus report. JACI 2012; 130: 1260-1274
  • 3 Rolinck-Werninghaus C, Niggemann B, Grabenhenrich L. et al. Out-come of oral food challenges in children in relation to symptom-eliciting allergen dose and allergen-specific IgE. Allergy 2012; 67: 951-957
  • 4 Niggemann B, Lange L, Finger A. et al. Accurate oral food challenge requires a cumulative dose on a subsequent day. JACI 2012; 130: 261-263
  • 5 Osborne NJ, Koplin JJ, Martin PE. et al. Prevalence of challenge-proven IgE-mediated food allergy using population-based sampling and predetermined challenge criteria in infants. JACI 2011; 127: 668-676
  • 6 Nowak-Wegrzyn A, Bloom KA, Sicherer SH. et al. Tolerance to extensively heated milk in children with cow’s milk allergy. JACI 2008; 122: 342-347
  • 7 Leonard SA, Sampson HA, Sicherer SH. et al. Dietary baked egg accelerates resolution of egg allergy in children. JACI 2012; 130: 473-480
  • 8 Schoemaker AA, Sprikkelman AB, Grimshaw KE. et al. Incidence and natural history of challenge-proven cow’s milk allergy in European children – EuroPrevall birth cohort. Allergy 2015; 70: 963-972
  • 9 Xepapadaki P, Fiocchi A, Grabenhenrich L. et al. Incidence and natural history of hen’s egg allergy in the first 2 years of life-the EuroPrevall birth cohort study. Allergy 2016; 71: 350-357

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Abb. 1 Mögliche Vorgehensweisen bei der Durchführung einer doppelblinden, Placebo-kontrollierten Provokation mit 2 Nahrungsmittelallergenen [1]. Zwischen den 7 Titrationsstufen werden je 30 Minuten Abstand eingehalten. Kommt es im Rahmen einer titrierten Provokation zu einer Reaktion, entscheidet der Arzt, ob ein Pausentag eingelegt wird. Insbesondere nach der Gabe von Antihistaminika ist ein Pausieren notwendig. Nach der Kumulativdosis muss der Patient für 3 Stunden beobachtet werden. * = wird nur gegeben, falls es im Rahmen der titrierten Provokation zu keiner oder einer unklaren Reaktion kam. ** = wird nur gegeben, falls keine Reaktionen auf die Kumulativdosis des 1. Allergens auftritt, ansonsten muss ein Pausentag eingelegt werden.
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Abb. 2 Mengen einer titrierten Provokation mit Kuhmilch. Mengen bei einer offenen Kuhmilchprovokation. Die abgewogenen Mengen werden im Anschluss mit einer entsprechender Matrix (z. B. Aminosäureformula) gemischt.
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Abb. 3 Mengen einer titrierten Provokation mit Hühnerei. Mengen bei einer offenen Hühnereiprovokation mit pasteurisiertem Flüssigvollei. Die abgewogenen Mengen werden im Anschluss mit einer entsprechender Matrix (z. B. Obstmus) gemischt.
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Abb. 4 Mengen einer titrierte Provokation mit Erdnuss. Mengen bei einer Erdnussprovokation mit gerösteten, ganzen Erdnüssen. Die abgewogenen Erdnusskerne werden im Anschluss fein gemörsert und dann unter eine entsprechende Matrix (z. B. Schokoladenpudding) gemischt.