Die Digitalisierung unserer Gesellschaft, unseres Handelns und unseres Denkens wird
allerorten diskutiert; in Anlehnung an ein literarisch bekannt gewordenes
gallisches Dorf könnte man meinen, dass sich nur wenige Unbeugsame dem digitalen Zeitalter
entgegenstemmen. Auch und gerade im Gesundheitswesen ist die
Digitalisierung derzeit eines der brennendsten Themen in der Gesundheitspolitik und
in aktuellen Gesetzgebungsverfahren. So hat die Bundesregierung im
Koalitionsvertrag vom 14.03.2018 festgehalten, dass bis 2020 ein Aktionsplan mit konkreten
Maßnahmen entwickelt werden soll. Auch die aktuellen Diskussionen um die
Einführung und den Nutzungsumfang der elektronischen Gesundheitskarte dominieren weiterhin
in den Medien. Nicht zu vergessen ist auch die Debatte um die Lockerung
des Fernbehandlungsverbotes, für welche sich eine große Mehrheit auf dem 121. Ärztetag
im Mai 2018 ausgesprochen hat. Letztlich nimmt das Thema Digitalisierung
durch die damit einhergehenden datenschutzrechtlichen Fragen an Fahrt auf; wer denkt
dieser Tage dabei nicht an die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und die
Neufassung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG)?
Angesichts der Vielzahl von Themenkomplexen fällt es schwer, den Überblick zu behalten.
Manch einer mag sich fragen, was nun genau unter dem Begriff
„Digitalisierung“ zu verstehen ist. Eine allgemeinverbindliche Definition ist bisher
nicht vorhanden.
Was ist Digitalisierung?
Der Begriff „Digitalisierung“ kann definiert werden als Oberbegriff für die aktuelle
Entwicklung, Prozesse unter Einsatz moderner Technik und EDV zu überarbeiten und
die Arbeitsabläufe, hier im Gesundheitswesen, dem aktuellen Stand der technischen
Möglichkeiten anzupassen. Dazu gehören die elektronische Erfassung und Speicherung
von Gesundheits- und Patientendaten, beispielsweise ein elektronischer Impf- oder
Mutterpass oder die digitale Verwaltung des Zahn-Bonusheftes. Der Ausbau der
elektronischen Gesundheitskarte, sicherer elektronischer Kommunikationswege und die
Ermöglichung der Fernbehandlungen via Videochat sowie die Anwendung diverser
Gesundheits-Apps unterfallen ebenfalls dem Begriff der Digitalisierung. Insgesamt
sollen Abläufe vereinfacht und entbürokratisiert werden, wobei der Patient stets
selbst Herr über seine Daten sein und bleiben soll.
Diese Anpassung kann nur gelingen, wenn sowohl die technischen als auch die rechtlichen
Voraussetzungen vorhanden sind und der Wille der Nutzer, sich mit den neuen
Abläufen vertraut zu machen. Einige Arztpraxen und Kliniken leisten auf diesem Gebiet
bereits Pionierarbeit, andere lassen sich Zeit und warten ab, bis die
drängendsten Fragen der Umsetzung beantwortet sind. Der Gesetzgeber hat in der Vergangenheit
bereits die ersten Weichen für die Entwicklung der Digitalisierung
gestellt, das sogenannte E-Health-Gesetz aus dem Jahr 2015 hat die Prozesse in maßgeblicher
Weise angestoßen und beschleunigt.
Das E-Health-Gesetz von 2015
Das E-Health-Gesetz von 2015
Das erste E-Health-Gesetz (Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen
im Gesundheitswesen sowie zur Änderung weiterer Gesetze) trat am 29.12.2015 in
Kraft. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit diesem Regelwerk, die flächendeckende Einführung
der Telematikinfrastruktur voranzutreiben. Im Vordergrund stand hier die
elektronische Gesundheitskarte, die neben den stets aktuellen Versichertenstammdaten
auch die Speicherung von Notfalldaten ermöglichen soll. Ein weiterer
Schwerpunkt war, die digitale Infrastruktur von Arztpraxen zu verbessern. Arztbriefe
sollen auf elektronischem Wege übermittelt und die elektronische
Gesundheitsakte eingeführt werden. Der Heilberufeausweis kann mit einer elektronischen
Signatur versehen werden, was die elektronische Kommunikation unter
Sicherheitsaspekten erst ermöglicht. Insgesamt versprach sich der Gesetzgeber, durch
die digitale Infrastruktur auch die Patientenrechte und die Patientensicherheit
zu stärken. Der Patient soll dabei stets Herr seiner Daten sein und seine Mitwirkungsrechte –
aber auch Mitwirkungspflichten – im Behandlungsverhältnis aktiv
wahrnehmen.
Diese Entwicklung wird in Zukunft noch weiter vorangetrieben. Der Gesetzgeber beabsichtigt
nun eine Weiterentwicklung der in 2015 gefassten Normierungen, es soll
noch in der laufenden Legislaturperiode das „E-Health-Gesetz II“ kommen. Darin enthalten
werden weitere Regelungen zur elektronischen Patientenakte, zur
Fernbehandlung und zur Kostenverteilung sein.
Die Umsetzung der Digitalisierung in Klinik und Praxis
Die Umsetzung der Digitalisierung in Klinik und Praxis
Die angestrebte Digitalisierung in der Medizin erfordert eine ausreichende Telematikinfrastruktur. Mit der Umsetzung und Koordination ist die gematik –
Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH beauftragt worden.
Hierbei handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die von den
Spitzenorganisationen im Gesundheitswesen gegründet wurde (GKV-Spitzenverband, KBV,
BÄK, BZÄK, DKG, KZBV u. a.). Im Zentrum der Entwicklungen stehen die Einrichtung
der Telematikinfrastruktur und die elektronische Gesundheitskarte.
Die elektronische Gesundheitskarte ermöglicht zunächst das elektronische Stammdatenmanagement. Die allgemeinen Personendaten
der Versicherten werden beim
Einlesen der Karte online überprüft und nötigenfalls aktualisiert, beispielsweise
bei einer Adressänderung. So kann sichergestellt werden, dass der behandelnde Arzt
stets die aktuellen Stammdaten des Patienten hat. Später können auf der Karte auch
medizinische Daten, z. B. Notfalldaten, gespeichert werden, die ausschließlich
von Angehörigen der Heilberufe ausgelesen werden sollen. Auch Erklärungen wie Vorsorgevollmachten,
Organspendeausweise und Patientenverfügungen können auf Wunsch
des einzelnen Versicherten erfasst werden.
Seit dem 01.10.2016 haben gesetzlich-versicherte Patienten einen Anspruch auf einen
Medikationsplan, dieser ist den Patienten in Papierform auszuhändigen und
regelmäßig zu aktualisieren (§ 31 a SGB V). Die Medikationspläne sollen aber auch
auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert werden. Dies soll die
Patientensicherheit erhöhen, da wichtige Informationen damit auch nachbehandelnden
Ärzten oder Notärzten zur Verfügung stehen.
Auch die Kommunikation zwischen den einzelnen Ärzten soll künftig digitalisiert ablaufen.
Derzeit werden Arztbriefe analog verfasst und meist postalisch oder
per Fax übermittelt. Künftig soll die Kommunikation ausschließlich auf elektronischem
Wege erfolgen. Angesichts des Umstandes, dass es sich hier um besonders
sensible Daten – die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen – handelt, wurde die
Fachanwendung KOM-LE (Sichere Kommunikation zwischen Leistungserbringern)
entwickelt. Diese ist angebunden an das jeweilige Praxisverwaltungssystem bzw. an
das jeweilige Krankenhaus-Informationssystem. Die Daten werden unmittelbar
zwischen den teilnehmenden Praxen bzw. Kliniken verschlüsselt übersandt. Neben der
Zeitersparnis auf dem Übertragungsweg soll so auch der Datenschutz gewährleistet
werden.
Die Lockerung des Fernbehandlungsverbotes wird die Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten künftig weitgehend verändern.
Seit dem 1. April 2017 sind
bereits Videosprechstunden grundsätzlich möglich (§ 291 a SGB V i. V. m. Anlage 31
b zum Bundesmantelvertrag-Ärzte). Nach der Mehrheitsentscheidung auf dem 121.
Deutschen Ärztetag, in der sich auch die Ärzteschaft für eine Lockerung des Fernbehandlungsverbotes
ausgesprochen hat, hat die Landesärztekammer Sachsen bereits
reagiert. Die Berufsordnung der Ärzte in Sachsen wird voraussichtlich zum 01.09.2018
geändert. Künftig wird es nach der Berufsordnung Sachsen erlaubt sein, im
Einzelfall eine Behandlung oder Beratung über digitale Kommunikationsmedien durchzuführen.
Freilich muss auch hierbei – besonders aus haftungsrechtlichen Gründen –
die ärztliche Sorgfalt und Fürsorge stets gewahrt bleiben.
Die Einführung einer elektronischen Gesundheitsakte ist ebenfalls ein wichtiger Pfeiler bei der Digitalisierung. In dieser Datenbank
sollen die
Gesundheitsdaten der Patienten, wie Allergien, Anamnesen, Krankengeschichte, Medikamente,
Verordnungen und Überweisungen sowie weitere Informationen bundesweit
zentral gespeichert werden. Der Zugang soll – im Einverständnis des Patienten – mit
der elektronischen Gesundheitskarte in Verbindung mit dem jeweiligen
Heilberufeausweis des Arztes möglich sein. Die Karten fungieren insoweit als Zugangsschlüssel.
So wird sichergestellt, dass nur befugte Personen Zugang zu den Daten
haben. Dabei ist es nach dem Willen des Gesetzgebers letztlich immer der Patient,
der die Hoheit über die Daten ausübt und entscheidet, ob und welche Daten in der
Akte gespeichert oder auch gelöscht werden. Die bekannte – und von § 630 f BGB gesetzlich
vorgeschriebene – Behandlungsdokumentation wird hierdurch nicht ersetzt.
Vielmehr bündelt die elektronische Gesundheitsakte die Informationen verschiedener
Praxen und gewährt so bestenfalls einen Überblick über den Gesundheitsstatus des
Patienten.
Neben diesen Schwerpunkten der neuen Regelungen nutzen viele Arztpraxen und Kliniken
eine Vielfalt digitaler Anwendungen bereits selbstverständlich in der
täglichen Praxis: So wird vielerorts die Patientendokumentation unmittelbar elektronisch
festgehalten anstatt sie handschriftlich aufzuschreiben. Einige Praxen und
Kliniken digitalisieren ihre analogen Daten nachträglich zu Aufbewahrungszwecken.
Aufklärungsgespräche werden mit Unterstützung von digitalen Bögen geführt und
Unterschriften zur Einwilligung auf dem Tablet geleistet.
Auch aus juristischer Sicht birgt die Digitalisierung im Gesundheitswesen neue Chancen,
eröffnet aber auch ganz neue Fragestellungen und Haftungsrisiken.
Chancen und Risiken der Digitalisierung
Chancen und Risiken der Digitalisierung
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll der Patient die vollständige Verfügungsgewalt
über seine personenbezogenen (Gesundheits-) Daten haben. Dieser Ansatz ist
Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts der Patienten, welches in der Medizin immer weiter
in den Fokus rückt. Es ist mittlerweile Standard, dass sich viele Patienten
vor oder nach dem Arztbesuch über die Erkrankung und Therapiemaßnahmen selbst informieren
und gezielte Fragen an ihren Arzt stellen. Dies verändert die
Gesprächsführungen und die Anforderungen an die Aufklärung enorm. Die konkrete Patienteninformation durch den Arzt spielt – auch vor dem Hintergrund
des
Arzthaftungsrechts – inzwischen eine entscheidende Rolle im Arzt-Patienten-Verhältnis.
Der Arzt ist gehalten, den Patienten bei der Ausübung seines
Selbstbestimmungsrechts zu unterstützen und ihm zu helfen, die medizinischen Informationen
zu verarbeiten und zu bewerten. Die Patienten erhalten aber nicht nur
mehr Rechte, sondern sie sind zukünftig auch dazu angehalten, sich mehr mit Gesundheitsbelangen
zu befassen und eigenverantwortlich zu handeln. Nur bei
entsprechender Patienten-Compliance können beide Seiten – Arzt und Patient – von den
neuen Entwicklungen profitieren.
Ein besonders brisanter Aspekt bei der Entwicklung der Digitalisierung ist der Datenschutz (data privacy). Mit der am 25. Mai 2018 in Kraft getretenen
EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wurden die bisher geltenden Datenschutzregelungen
umfassend novelliert. Durch die den Arztpraxen und Kliniken darin
auferlegten Verpflichtungen wurde der Datenschutz auch wieder verstärkt ins Bewusstsein
gerufen. Ärzte sind generell – auch vor dem Hintergrund der ärztlichen
Schweigepflicht, vgl. § 203 Strafgesetzbuch, – verpflichtet, mit den Daten ihrer Patienten
sensibel umzugehen. Die neuen Regelungen sollten daher zum Anlass
genommen werden, Prozesse und Abläufe zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Gerade
hier bietet die Nutzung digitaler Anwendungen aber auch große Chancen, wie
beispielsweise die elektronische Kommunikation via KOM-LE. Datenschutzrechtliche Fragestellungen
wird die neue Telematikinfrastruktur jedenfalls in großer Zahl
aufwerfen. Dies beginnt bereits bei der Frage, wer auf die auf der elektronischen
Gesundheitskarte gespeicherten medizinischen Daten überhaupt zugreifen darf und
wie lange diese dort gespeichert bleiben sollen. Gleiches gilt für die elektronische
Patientenakte. Die Einhaltung des Datenschutzes ist unumgänglich und sollte –
angesichts der drohenden Bußgelder – von jedem Arzt ernst genommen werden. Bei der
Einführung von neuen digitalen Anwendungen in der Arztpraxis sollte daher immer
auch ein datenschutzrechtlicher Check-up erfolgen; zudem sind die Mitarbeiter im Umgang
mit den sensiblen personenbezogenen Daten der Patienten zu schulen und zu
sensibilisieren. Der unbefugte Zugriff auf Daten muss durch entsprechende technische
Maßnahmen (TOM´s) verhindert werden, dies kann einen nicht zu unterschätzenden
Aufwand bedeuten.
Die Digitalisierung wird auch im Arzthaftungsrecht große Bedeutung erlangen. Ärzte müssen bei dem Umgang mit digitalen Anwendungen auch
immer berücksichtigen,
welche Haftungsrisiken aus ihnen erwachsen. Die einzelne Arztpraxis wird die internen
Abläufe entsprechend anpassen müssen. Über die elektronische Kommunikation
eingehende Arztbriefe und Informationen müssen von dem Arzt auch tatsächlich (zeitnah)
zur Kenntnis genommen werden. Medikationspläne sind stets zu aktualisieren
(§ 31 a Abs. 3 SGB V), ebenso wie die Notfalldaten. Dies wirft auch die Frage nach
der Zuständigkeit für die Aktualisierung der Daten auf. Ist jeder Arzt
verpflichtet, den Patienten auf etwaige neue Umstände zu befragen bzw. zu untersuchen
oder darf er sich uneingeschränkt auf die vormals gespeicherten Daten
verlassen? Und in welchem Umfang muss der Arzt diese überhaupt zur Kenntnis nehmen,
muss der Arzt die Behandlungsunterlagen des Psychotherapeuten vollständig zur
Kenntnis nehmen, wenn er die elektronische Gesundheitsakte liest? Wer haftet, wenn
die Daten nicht aktualisiert worden sind – der ursprünglich dokumentierende Arzt
oder vielleicht der nachbehandelnde Arzt, der aber ein ganz anderes Fachgebiet hat
und dem sich der Patient nur wegen einer ganz spezifischen Erkrankung vorstellt?
Oder hat der Patient selbst ein Mitverschulden, wenn er wichtige Daten aus seiner
elektronischen Gesundheitsakte löscht bzw. nicht aufnehmen lässt? Im Falle eines
Notfalls muss überhaupt erst einmal sichergestellt werden, dass der jeweils behandelnde
Arzt die auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeicherten Daten auch
zur Kenntnis nimmt und diese bei der Behandlung berücksichtigt. Die Digitalisierung
wird daher auch das Arzthaftungsrecht nicht unberührt lassen und neue
Fragestellungen aufwerfen, welche die Jurisprudenz der kommenden Jahre entscheiden
und weiterentwickeln wird. Wahrscheinlich werden zukünftig die
Sorgfaltsverpflichtungen der Ärzte eine neue Gestalt erhalten, auch im Hinblick auf
nun mögliche Fernbehandlungen. Denkbar ist auch, dass Patienten auch unter
haftungsrechtlichen Gesichtspunkten selbst eine höhere Mitverantwortlichkeit erfahren
werden.
Natürlich kommt es in der ärztlichen Praxis vor, dass Streitigkeiten aus einem Behandlungsverhältnis
vor Gericht ausgetragen werden müssen. Dies kann beispielsweise
der klassische Arzthaftpflichtfall sein, in dem der Patient Ansprüche wegen eines
Behandlungsfehlers geltend macht, oder aber die Klage des Arztes gegen den
Patienten auf Zahlung seines Honorars. Das geltende Prozessrecht ist für den Ausgang eines Verfahrens von großer Bedeutung. Die prozessualen
Beweislastregelungen und die Beweisbarkeit eines Tatsachenvortrages sind streitentscheidend.
Als bedeutendste Beweismittel in einem solchen Zivilprozess dienen
natürlich der Sachverständige und die Zeugen, aber auch Urkunden – wie die Behandlungsdokumentation
oder eine Gebührenvereinbarung – spielen eine wesentliche Rolle.
Die geltenden Formvorschriften sind derzeit bei weitem nicht an die technischen Möglichkeiten angepasst. Besteht
eine gesetzliche Schriftformerfordernis,
bspw. nach § 2 GOÄ oder bei IGeL-Leistungen (§ 18 Abs. 8 BMV-Ä), ist besondere Vorsicht
geboten. Die gesetzliche Schriftform erfordert derzeit noch die
handschriftliche Unterschrift auf einem körperlichen Dokument, oder aber eine elektronische
Signatur, die kaum ein Patient haben wird. Digitale Unterschriften,
bspw. auf einem Tablet, erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Werden Schriftstücke
nachträglich digitalisiert und die Originale vernichtet, so besteht zudem ein
erhebliches Risiko, dass der Beweis im Fall der Fälle nicht gelingt. Denn die Vorlage
des Originals ist für das Führen eines Urkundenbeweises unerlässlich.
Digitalisierte Schriftstücke wird ein Gericht im Regelfall zwar nicht unberücksichtigt
lassen, jedoch ist es ohne die Vorlage des Originals für die Gegenseite
wesentlich einfacher, die Beweiskraft zu erschüttern. Vor der Vernichtung der Originalunterlagen
sollte daher bestenfalls ausgeschlossen sein, dass diese noch
Gegenstand eines Streitfalls werden können. Ähnlich wie die Medizin steht auch die
Jurisprudenz vor einem digitalen Wandel. Die elektronische Akte und elektronische
Kommunikation mit Gerichten und Behörden wird auch dort bald zum Standard gehören.
Ausblick
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen schreitet voran und wird Arbeitsabläufe und
Prozesse in den Arztpraxen und Kliniken umfangreich verändern. Die Anwendungen
haben dabei das Potential, Abläufe zu vereinfachen und damit letztlich Zeit zu sparen.
Eine besondere Bedeutung kommt dem Selbstbestimmungsrecht der Patienten zu.
Jede Nutzung digitaler Anwendungen wird sich auch immer an dem Patientenwillen und
den datenschutzrechtlichen Regelungen messen lassen müssen. Bisher allgemein
geltende Regelungen, insbesondere solche des Prozessrechts, werden an die neuen technischen
Möglichkeiten angepasst werden müssen. Eine Weiterentwicklung wird auch
die Rechtsprechung selbst erfahren, insbesondere in Fragen des Arzthaftungsrechts
werden noch nie dagewesene Sachverhalte richterlich entschieden werden müssen. Ob
sich mit der zunehmend Platz greifenden Digitalisierung im Gesundheitswesen auch Verbesserungen
in der Patientenversorgung ergeben werden, wird zwar von den
Fürsprechern behauptet, muss sich in der Praxis aber erst noch beweisen.
Zusammenfassung
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen umschreibt die Anpassung der täglichen Abläufe
und Prozesse an die aktuellen technischen Möglichkeiten und
Kommunikationswege. Aspekte der Datensicherheit und das Selbstbestimmungsrecht der
Patienten stehen dabei im Fokus. Der Gesetzgeber selbst treibt die Entwicklung
der Digitalisierung voran, neben den bestehenden Regelungen werden in der laufenden
Legislaturperiode weitere Neuerungen erfolgen. Die Digitalisierung wird die
Abläufe im ärztlichen Alltag verändern. Dabei werden auch ganz neue, rechtliche Fragestellungen
in den Fokus rücken. Reformen des materiellen Rechts und des
Prozessrechts werden erforderlich sein. Die Jurisprudenz wird die neuen Fragestellungen
letztlich lösen, was aber auch zu einer Fortentwicklung des an die ärztliche
Sorgfaltspflicht zu stellenden Maßstabs führen wird. Letztlich wird sich kein Arzt
der Entwicklung verschließen können.
Summary
The buzz phrase “digitalisation in the health sector” describes the adaptation of
daily routines and processes to current technical possibilities and means of
communication. Data protection and self-determination of patients are at the focal
point in this process. The legislator keeps propelling the development of
digitalisation: Apart from already existing regulations, further legal novelties are
expected to come into being in the subsequent legislative period.
Digitalisation is bound to alter the day-to-day processes of medical practitioners.
In that context completely new legal question are likely to emerge. Reforms of
substantive law as well as of procedural law will become necessary. The jurisdiction
will have to solve the arising legal problems; this might eventually also lead
to an alteration of the criteria of medical due diligence. In the end, these developments
will affect every medical practitioner.
Erstveröffentlicht in der „OUP – Orthopädische und Unfallchirurgische Praxis“ 9/2018
Verantwortlich für diese Rubrik: Prof. Dr. T. Brusis und Dr. A. Wienke.