Kontrastmittel-Paravasate stellen in der radiologischen Routine insbesondere bei CT-Untersuchungen
ein nicht zu unterschätzendes Problem im klinischen Alltag dar. Bislang existieren
jedoch keine einheitlichen radiologischen Empfehlungen oder Richtlinien, um bedrohliche
Paravasat-Ereignisse frühzeitig zu erkennen und korrekt zu therapieren. Prof. Dr.
Andreas G. Schreyer vom Universitätsklinikum Regensburg, Mit-Autor des aktuellen RöFo-Beitrags
„Kontrastmittel-Paravasat bei CT und MRT – Aktuelle Literaturübersicht und Behandlungsstrategien“,
im Interview.
Herr Professor Schreyer, Sie haben sich jüngst mit Kontrastmittel-Paravasaten bei
CT und MRT beschäftigt. Was hat Sie hierzu motiviert?
In der klinischen Routine, aber auch bei zahlreichen Fort- und Weiterbildungen ist
mir aufgefallen, dass gerade zum Thema Paravasate viele unterschiedliche Meinungen
und Empfehlungen zur weiteren Therapie kursieren. Als großer Freund der evidenzbasierten
Medizin und von transparent erstellten Empfehlungen und Leitlinien habe ich daraufhin
versucht, zusammen mit unseren plastischen Chirurgen, das Thema systematisch aufzuarbeiten.
Zu diesem Zweck haben wir systematisch die Literatur der letzten 35 Jahre durchgearbeitet
und in den Kontext einer modernen chirurgischen Therapie bei Paravasaten gesetzt.
Für uns kamen dabei erstaunliche Ergebnisse zu Tage: so haben wir unter anderem erkannt,
dass die unklaren Therapieempfehlungen vor allem darauf zurückzuführen sind, dass
die Literatur mehrheitlich auf alten Daten von vor 1990 fußt. Zudem wurden Empfehlungen
für das Behandeln von Paravasaten bei z. B. Chemotherapeutika kritiklos auf Paravasate
durch Röntgen-Kontrastmittel übertragen. Ich hoffe daher, dass wir mit unserem Manuskript
und der systematisch aufgearbeiteten Literaturübersicht für mehr Klarheit sorgen können.
Welche Paravasatkomplikationen gibt es und wie häufig treten diese auf?
Das Spektrum der Komplikationen ist sehr breit – vom allenfalls milden Erythem bis
hin zum Kompartmentsyndrom und Weichteilnekrosen. An dieser Stellte sollte berücksichtigt
werden, dass moderne nicht-ionische Kontrastmittel eher selten schwerwiegende Komplikationen
verursachen. Die Häufigkeit von Paravasaten wird in der Literatur zwischen 0,1 und
0,9 % bei CT-Untersuchungen und lediglich 0,06 % bei MRT-Untersuchungen angegeben.
Diese Zahlen klingen zwar zunächst gering, da es sich v. a. bei der kontrastmittelgestützten
CT jedoch um eine sehr häufige Untersuchung handelt, begegnet man Paravasaten und
ihren Komplikationen in der Routine mehrmals wöchentlich.
Prof. Dr. Andreas G. Schreyer
Nekrosen am Fußrücken eines adipösen Patienten nach Paravasat bei Kontrastmittelgabe
bei einer Polytrauma-CT. Copyright: Prof. Dr. Andreas G. Schreyer.
Können Sie bestimmte Therapieansätze bzw. Behandlungsstrategien empfehlen?
Unsere systematische Literaturrecherche, dies deckt sich auch mit unserer klinischen
Erfahrung, hat ergeben, dass bei Paravasatvolumina bis zu 150 ml in der Regel kein
weiteres chirurgisches Konsil nötig ist. Da bei den modernen Protokollen Kontrastmittelvolumina
> 150 ml kaum mehr verwendet werden, ist somit das Risiko für einen schweren, chirurgisch
zu behandelnden Paravasatzwischenfall gering. Jedoch gilt dies nur eingeschränkt für
Patienten mit vermindertem subkutanen Fettgewebe, wie wir es häufig bei kachektischen
Patienten unter Chemotherapie sehen – hier sollte man die weitere Überwachung intensivieren.
So sollte beispielsweise bei abgeschwächtem peripheren Puls und Rekapillarisierung
auch bei geringen Kontrastmittelvolumina ein chirurgisches Konsil sowie eine Fotodokumentation
durchgeführt werden. Generell empfehlen wir bei Paravasaten konservative Maßnahmen
wie Hochlagerung der Extremität über Herzhöhe, (Schienen)-Ruhigstellung und ggf. die
Auflage von Coolpacks. Interessanterweise gibt es jedoch keine wirkliche wissenschaftliche
Evidenz für diese konservativen Maßnahmen – es handelt sich hier eher um „good clinical
practice“ und Erfahrungen aus der chirurgische Routine, die uns zu diesen Empfehlungen
veranlassen. Basierend auf unserer Literaturrecherche sind invasive Maßnahmen, wie
etwa Aspiration, Spülung oder manuelles Ausmelken bzw. die Injektion von Hyaluronsäure
heute in der Regel nicht mehr indiziert – sie basieren auf veralteter Literatur, die
sich vor allem auf Paravasate von Chemotherapeutika oder großen Mengen von Elektrolytlösungen
bezieht. Für die klinische Praxis haben wir zusammen mit der Deutschen Gesellschaft
der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgie ein Flowchart erstellt,
das über die Webseite der Deutschen Röntgengesellschaft heruntergeladen werden kann.